Wo Wärme durch den Magen geht: Das ist der Mittagstisch in der Kirche Heilig Kreuz Detmold

Detmold. Ein Mann in brauner Lederjacke zögert kurz, als er an der Ausgabestelle ankommt. In seiner Hand hält er bereits einen Teller mit heißer Suppe, dampfend, mit Einlage. &bdquo;Was kostet das?“, fragt er leise. Die Antwort kommt freundlich, fast beiläufig: &bdquo;Sie müssen nichts bezahlen. Wir nehmen nur Spenden.“ Der Mann greift mit der freien Hand in die Tasche seiner Jacke, holt einige Münzen hervor und lässt sie in die bereitgestellte Dose klimpern. Dann dreht er sich um und hält Ausschau nach einem freien Platz, ein dankbares Lächeln auf dem Gesicht.

Szenen wie diese gehören zum Alltag im Gemeindehaus der katholischen Kirchengemeinde Heilig Kreuz. Vier Mal pro Woche gibt es hier zwischen 12 und 13 Uhr den Mittagstisch für Bedürftige – ganz ohne Anmeldung, ohne Nachweis, ohne Hürden. Wer kommt, bekommt. Eine Suppe, dazu ein Brötchen, etwas Obst, ein Nachtisch. Aber vor allem gibt es hier für die Gäste Respekt, Gemeinschaft und einen Ort, an dem man wahrgenommen wird.

Das Essen gab es anfangs durchs Fenster Entstanden ist das Angebot des katholischen Pastoralverbunds Lippe-Detmold mitten in der Corona-Pandemie. Damals, erzählt Barbara Klaus, gab es Essenspakete zum Mitnehmen durchs Fenster. Klaus ist Mittagstisch-Helferin der ersten Stunde. Initiiert wurde das Projekt von Gemeindepfarrer Marcus Jacobs. Irgendwann hat sich das Angebot hin zu Suppe und einem Stück Brot verlagert. Klaus kommt wie all ihre Mitstreiter gerne her, um zu helfen. &bdquo;Hier können die Menschen aufrecht stehen und gehen. Alles passiert auf Augenhöhe und keiner muss sich verstecken. Das gefällt mir.“

Inzwischen organisieren 17 Ehrenamtliche den Mittagstisch im Wechsel. Das Team des Tages besteht aus drei Personen, die Tische decken, Suppe ausgeben, nachschenken und wieder aufräumen. Die Suppe liefert der Detmolder Anbieter Pop&Corn. Alles andere – vom Joghurt bis zum Apfel – kaufen die Helfer in Eigenregie ein. Finanziert wird der Mittagstisch durch Spenden und Fördermittel. Wer das Projekt unterstützen möchte, kann das mit einer Spende an die Gemeinde tun unter dem Stichwort &bdquo;Hilfe Spenden“.

Die Stimmung in dem zum Speisesaal umfunktionierten Gemeinschaftsraum ist ruhig und respektvoll. An einigen Tischen wird gelacht, an anderen schweigend gelöffelt. Zwei junge Männer, einer im weißen T-Shirt, der andere in grüner Trainingsjacke, rücken ihre Stühle zurück und treten mit leer gelöffelten Tellern erwartungsvoll an die Ausgabestelle. Sie hoffen auf einen Nachschlag. Den gibt es. Nach der Gulaschsuppe ist jetzt die Tomatensuppe an der Reihe. Auch vegetarische Optionen sind beim Mittagstisch im Angebot. &bdquo;Wir müssen die bestellte Menge immer wieder nachjustieren“, erzählt Barbara Klaus. &bdquo;Aber satt geworden ist noch jeder.“ Was übrig bleibt, wird eingefroren.

Stammgast: &bdquo;Komme her, so oft es geht“ Etwa 30 Menschen kommen pro Termin ins Gemeindehaus. Alte und Junge, Frauen und Männer. Es sind Menschen mit Schulden, Menschen mit Drogenproblemen, Menschen von der Straße, Geflüchtete. Timucin Sirin ist Stammgast:&bdquo;Ich bin das erste Mal letztes Jahr hier vorbeigekommen. Ich sah die Leute vor der Tür stehen, habe gefragt, was es hier gibt. Seitdem komme ich her, so oft es geht.“ Die Gesellschaft der vielen freundlichen Menschen gefalle ihm gut. Und natürlich das Essen. Sirin ist Moslem, doch sein Glaube spielt beim Mittagstisch-Angebot im Gemeindehaus der katholischen Kirche keine Rolle. Jeder ist hier willkommen.

Margherita Scheel-Holtmann hilft einmal die Woche bei der Essensausgabe mit. Wie sie zu dem Ehrenamt kam? &bdquo;Ich sah die Menschen hier anstehen, dann einen Flyer. Ich habe Barbara angerufen und gefragt, ob ich helfen kann. Seitdem bin ich dabei. Es ist einfach schön, was man zurückbekommt.“ Nicht nur von den Gästen, auch aus dem Helferteam selbst. &bdquo;Wir haben viel Spaß zusammen“, ergänzt Klaus. &bdquo;Wenn jemand mit schlechter Laune kommt, geht er meist fröhlicher.“

Einmal kam jemand mit einem Schwert Ein älterer Herr fragt nach einer Portion eingefrorener Suppe zum Mitnehmen – den passenden Behälter zum Abfüllen hat er schon dabei. Eine der Damen an der Essensausgabe nimmt den Becher an sich und eilt damit in die Küche. Kurze Zeit später kehrt sie mit gefülltem Behältnis zurück. &bdquo;Ich packe Ihnen alles eine kleine Tüte, damit nichts tropft“, sagt die Helferin. Einen Apfel gibt es noch obendrauf.

Die Helferinnen und Helfer strahlen Freundlichkeit aus – das überträgt sich. In fünf Jahren Mittagstisch gab es nur selten Ärger. Einmal kam jemand mit einem Schwert, erinnert sich Barbara Klaus. &bdquo;Zum Glück war es kein scharfes.“ In einem anderen Fall musste ein Gast besänftigt werden, der seine eigenen Regeln für die Essensausgabe aufstellen wollte. Um auf solche Situationen vorbereitet zu sein, nehmen die Helfer regelmäßig an Workshops zur Gewaltprävention teil. An diesem Mittag verläuft alles ruhig.

Auf den Tischen liegt von den Helferinnen gebackenes Ostergebäck in Hasenform, dafür gibt es Applaus von den Gästen. In der Ecke des Raums leeren sich die letzten Teller. Es ist kurz vor 13 Uhr, die Spülmaschine läuft bereits. Ein junger Mann bedankt sich für eine weitere mitgegebene Portion in der Tüte. Nahezu alle Gäste bedanken sich mit einem Lächeln im Gesicht bei den Helferinnen. Für das Essen, für die Herzlichkeit, für den Ort der Begegnung.

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