Detmold. Wer glaubt, Kammerorchesterkonzerte seien stets ein Fest der feinen Zurückhaltung, wurde beim 3. Abonnementkonzert des Detmolder Kammerorchesters (DKO)eines Besseren belehrt. Rund 350 Besucher erlebten im Konzerthaus Detmold einen Abend, der mit choreografierter Klangvielfalt, orchestraler Raffinesse und solistischer Extraklasse auf ganzer Linie überzeugte – ein Programm, das sowohl die Sinne kitzelte als auch den Atem stocken ließ.
Schon der Auftakt mit Giuseppe Verdis Streichquartett e-Moll, interpretiert in der Fassung für Streichorchester, ließ im dynamisch differenzierten Zusammenspiel aufhorchen. Dirigent Daniel Stabrawa formte gemeinsam mit dem DKO einen fein nuancierten Klangkörper, der den opernhaften Atem Verdis auf elegante Weise durch alle vier Sätze trug. Was einst aus vermeintlicher Langeweile im Jahr 1873 entstand, geriet hier zum klangvollen Kleinod. Das Finale brillierte durch ironische Polyphonie der Scherzo-Fuge und durch rhythmische Präzision des Allegros.
Balance zwischen Modernität und Melodik
André Jolivets Flötenkonzert von 1949 wurde durch lang gezogene Töne, die wunderbar austariert wurden, ein Moment der Innerlichkeit. Hier zeigte der begnadete griechische Flötist Stathis Karapanos die kantable Begabung seines Könnens. In subtiler Balance zwischen Modernität und Melodik offenbarte sich das Werk als klangliches Zwischenspiel mit Tiefgang.
Mit François Bornes „Fantasie Brillante“ nach Themen aus Bizets Carmen war dann die Bühne frei für Karapanos, dessen Spiel sich als makellose Verbindung von technischer Virtuosität und expressiver Phrasierung erwies. Seine Flöte sang, jubelte und verführte – in einer Leichtigkeit, die mitunter an Zauberei grenzte. Die Habanera war ein Höhepunkt seiner Interpretation im fluiden Spiel wie aus einem Guss. In facettenreicher Tongebung und trotz hochvirtuoser Eskapaden stand er im besten Dialog mit dem Orchester.
Für den lang anhaltenden Applaus mit Bravorufen bedankte sich Karapanos mit dem impressionistischen Solostück „Syrinx“ von Claude Debussy, das der Nymphe Syrinx gewidmet ist, aus der der griechische Gott Pan in der Mythologie eine Panflöte baute.
Rhythmisches Feuerwerk
Ein weiterer Höhepunkt des Abends sollte folgen. Die „Carmen-Suite“ von 1967 des russischen Komponisten Rodion Shchedrins, ein wuchtiges, farbenfrohes Klanggemälde, kleidete Georges Bizets Oper in ein neues, atemberaubendes modernes Gewand. Gemeinsam mit dem Ensemble „HfM-Percussion“, das mit 47 Schlaginstrumenten aufwartete, entfachte das DKO ein rhythmisches Feuerwerk. Ob Kastagnetten oder Glocken, Marimba oder Vibraphon – der perkussive Reichtum ließ die bekannten Melodien in einem geradezu kinematografischen Licht erscheinen. Solopauker Georgios Zerdalis beeindruckte dabei nicht nur mit technischer Präzision, sondern auch mit szenischer Präsenz, die dem Werk fast eine tänzerische Dimension verlieh.
Das Publikum dankte mit anhaltendem Applaus – und wer Augen und Ohren offen hielt, verließ das Konzerthaus mit dem Gefühl, einem Ereignis beigewohnt zu haben, das weit über die Erwartungen hinausging.