Detmold. Seit 150 Jahren prägt das Hermannsdenkmal die Region – landschaftlich, touristisch und historisch. Zum runden Jubiläum rückt es erneut ins Zentrum des Interesses: Am Samstag, 17. Mai, lädt eine öffentliche Tagung unter dem Titel „Ein Denkmal – viele Perspektiven“ ins Haus des Gastes in Hiddesen ein. Von 9.30 bis 17 Uhr beleuchten Experten das Denkmal aus unterschiedlichen Blickwinkeln – bewusst nicht nur wissenschaftlich, sondern zugänglich für alle Interessierten.
Organisiert vom Stadtarchiv Detmold, dem Lippischen Heimatbund und dem Heimatverein Hiddesen, knüpft die Veranstaltung an eine lange Auseinandersetzung mit dem Hermannsdenkmal an. Bereits zwei große Tagungen – zuletzt vor 25 Jahren – gab es in der Vergangenheit. Doch diesmal soll es keine rein akademische Debatte geben. Stattdessen geht es um Fragen, die uns heute direkt betreffen – und bisher kaum gestellt wurden.
Tourismus oder ideologische Pilgerstätte?
Wie beeinflusst das Denkmal seit Jahrzehnten das Stadtbild von Detmold und den Ortsteil Hiddesen? Welche Rolle spielt es für den Tourismus – und zieht es möglicherweise auch Gruppen an, die ein problematisches Geschichtsbild pflegen? Diese aktuellen Fragestellungen ergänzen klassische Themen wie die historische Figur Arminius oder die Biografie des Denkmal-Erbauers Ernst von Bandel. „Es wird auch einen Blick darüber geben, wie der Hermann bis in die USA strahlt“, sagt Dr. Bärbel Sunderbrink, Leiterin des Stadtarchivs Detmold. Denn den Hermann gibt es auch in New Ulm. Der kleine Bruder unseres grünen Recken wird im Vortrag von Julia Lange eine Rolle spielen.
Weiter geht es auch um den gesellschaftlichen Umgang mit national aufgeladenen Orten: Wie kann Erinnerungskultur heute gelingen, ohne in nationalistische Muster zu verfallen? Und wie offen muss der Blick auf die Geschichte sein, um aus ihr zu lernen? Historiker Jürgen Hartmann und Sozialpädagoge Jan Raabe gehen in ihren Vorträgen auf diese Fragen ein.
„Bandels ursprüngliche Idee war es, ein Denkmal zu schaffen, dass das deutsche Volk vereint - so wie es Arminius mit den germanischen Völkern tat“, erklärt Dr. Sunderbrink. Die Idee, von unten heraus eine solche Einigung anzustreben, ging jedoch nach der gescheiterten Revolution von 1848 verloren. „Als der Bau in den 60ern fortgesetzt wurde, war der Gedanke ein anderer. Es wurde schließlich eingeweiht als ein Zeugnis der Reichseinigung ’von oben’, als ein Siegesmal über Frankreich.“
Doch seine Bedeutung hat sich in den vergangenen 150 Jahren gewandelt. Heute ist es nicht nur ein geschichtliches Monument, sondern auch ein beliebtes Ausflugsziel mit Fernblick und Wanderwegen. „Es gab acht Pensionen alleine hier in Hiddesen“, erklärt Historiker Roland Linde. Der Fremdenverkehr habe mit dem Denkmal massiv zugenommen. „Die Menschen wollten in die ’Sommerfrische’, wie es damals hieß. Hinaus aus der Stadt, hinein ins Grün - und diese Erholung konnte man hier gleich mit Bildung und Geschichte verbinden.“
Mit der Tagung soll genau dieser Spannungsbogen diskutiert werden: Wie lässt sich ein solches Denkmal heute lesen – zwischen historischer Erinnerung und Gegenwartsfragen?
Einladung an alle Interessierten
Den Organisatoren ist es wichtig, Menschen für Geschichte zu begeistern. Die Tagung richte sich an alle, nicht an ein Fachpublikum. Die insgesamt neun Vorträge dauern jeweils etwa 30 Minuten, anschließend gibt es Zeit für Diskussionen. Die Teilnahme an der Tagung ist kostenlos, eine Anmeldung ist nicht erforderlich, aber erwünscht unter info@haus-des-gastes-hiddesen.de oder Tel. (05231) 89333.
Für das leibliche Wohl sorgt der Heimatverein Hiddesen, der um eine Spende bittet und sich freut, Teil des Organisationsteams zu sein: „Es ist so ein bunter Strauß an Themen und eine solche Vielzahl von Referenten“, sagt der Vorsitzende Cord Brüning. Und schließlich stehe der Hermann auf Hiddeser Gebiet, er spiele für die Menschen im Ort eine besondere Rolle. „Hier ist der Hermann zu Hause“, sagt Brüning und zitiert damit die Ortseingangsschilder. Auch für den lippischen Heimatbund sei es toll, einen weiteren Beitrag zum Jubiläum leisten zu können, betont Dr. Stefan Wiesekopsieker.
Die Veranstalter freuen sich auf einen lebendigen Austausch – und hoffen, dass das Hermannsdenkmal an seinem 150. Geburtstag nicht nur Geschichte erzählt, sondern auch neue Denkanstöße gibt. Roland Linde möchte alle Erkenntnisse des Tages schriftlich festhalten. Wie und wann diese Publikation erscheinen wird, ist allerdings noch nicht geklärt.
Das Programm
Karl Banghard (Freilichtmuseum Oerlinghausen): Der historische Arminius. Archäologie und Geschichte – neue Erkenntnisse der Forschung
Dr. Joachim Eberhardt (Lippische Landesbibliothek, Detmold): Ernst von Bandel – Leben und Werk
Dr. Bärbel Sunderbrink (Stadtarchiv Detmold): Die Stadt und ihr Denkmal – politisches Interesse und bürgerliches Repräsentationsbedürfnis
Julia Lange (Universität Hamburg): Hermanns kleiner Bruder – Zur Geschichte und Funktion des Hermann Monument in New Ulm (Minnesota, USA)
Jürgen Hartmann (Historiker, Nordhorn): Das Hermannsdenkmal als nationalistisches Mekka – Mythos, Macht, kulturelle Vereinnahmung
Jan Raabe (Sozialpädagoge, Bielefeld): Der Zugriff der extremen Rechten auf Arminius in Lebenswelt und Geschichtspolitik
Dr. Sylvia Necker (LWL-Preußenmuseum Minden): Kulturerbe mit Pathos – Der Umgang mit Nationaldenkmälern in der Gegenwart
Dr. Matthias Frese (LWL-Institut für Regionalgeschichte, Münster): Das Hermannsdenkmal als touristisches Ziel - Werbung und Wahrnehmung
Roland Linde (Historiker, Detmold): Hiddesen - Dorf unterm Hermann. Der Einfluss des Denkmals auf die Entwicklung des Luftkurortes