Detmold/ Bad Salzuflen. Die Scham steht dem angeklagten Fensterbauer aus Enger ins Gesicht geschrieben. Drei Mal hatte der 42-Jährige im April 2024 kurz hintereinander am Rohbau der neuen Montessori-Kita in Bad Salzuflen Feuer gelegt, um den Bau wegen seiner eigenen Lieferprobleme zu verzögern. „Das schien damals für mich die einzige Lösung“, sagt der Angeklagte sichtlich angefasst bei seinem Prozess vor der Großen Strafkammer des Landgerichts Detmold. „Ich würde heute einiges anders machen.“ Vor einer Gefängnisstrafe bewahrt ihn diese Einsicht nicht. Die Kammer unter dem stellvertretenden Vorsitz von Richterin Daniela Dubbert verurteilt den Angeklagten unter anderem wegen Brandstiftung in Tateinheit mit fahrlässiger Brandstiftung, versuchter Brandstiftung und dem Herstellen von Molotow-Cocktails zu einer Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Der „seltsam klingende“ Tenor des Urteils geht darauf zurück, erklärt die Richterin, dass der Angeklagte den Vollbrand am 11. April absichtlich gelegt hatte, die Kammer aber davon ausgeht, ihm sei die potenzielle Gefahr für das Leben anderer durch vier dort gelagerte Propangasflaschen zwar bekannt, aber in dem Moment nicht bewusst gewesen. Strafschärfend wirkt sich dagegen der hohe Schaden von mehr als einer halben Million Euro sowie die beharrliche Tatbegehung aus, sagt Dubbert. Eine Tat mit Vorgeschichte Die Brandserie hat eine Vorgeschichte. Der Angeklagte hatte von der damals noch am Bau beteiligten Firma einen Vorschuss von knapp 90.000 Euro bekommen, das Geld aber nicht für die Kita-Fenster genutzt, sondern davon anderweite Löcher seiner Selbstständigkeit gestopft. Mit dem Brand habe er die Arbeiten verzögern wollen, um sich Zeit zu verschaffen, bis ihm die Bank einen Kredit bewilligte, sagt der 42-Jährige. Der Druck sei aber immer größer geworden. Einmal hatte er sogar eine Auftragsbestätigung sowie ein Foto von Fenstern mit einem Aufkleber „Montessori-Kita“ gefälscht, um die Bauherren zu beruhigen, gibt er zu. Irgendwann habe er nicht mehr weiter gewusst. „In meinem Kopf ging nichts vor. Da war nur Leere. Und: Du musst etwas tun.“ Am 4. und 8. April 2024 schmiss er daher nachts mehrere selbst gebastelte Molotow-Cocktails an die Fassade des Kita-Neubaus. Das schlechte Wetter verhinderte aber offenbar Schlimmeres. Weil die ersten beiden Versuche schief gingen, änderte der Angeklagte sein Vorgehen. In der Nacht auf den 11. April schlich er ins Gebäude, wartete einige Stunden ab, verteilte im Obergeschoss Benzin auf Grobspannplatten und zündete diese an. Kurz darauf stand der Rohbau in Flammen. Von der Wucht des Feuers sei der Brandstifter dann selbst überrascht gewesen. Deshalb habe er nicht fliehen, sondern nur draußen im Gras liegen können und sich letztendlich von der Polizei widerstandslos festnehmen lassen. Die war sowieso in zivil vor Ort, um das Gelände zu bewachen. „Ich weiß nicht, was ich gedacht habe, ich war bewegungslos“, sagt der Familienvater aus Enger. Verteidiger will Bewährungsstrafe Sein Verteidiger hebt den Punkt später im Plädoyer hervor. „Es ist Ihnen aus den Händen geglitten. Sie wollten auf keinen Fall andere gefährden oder das Gebäude abfackeln“, sagt Salmen. „Das hätte Ihnen objektiv ja selbst geschadet.“ Der vom Verteidiger beantragten zweijährigen Bewährungsstrafe folgt die Kammer trotzdem nicht, sie bleibt aber auch ein Jahr unter der von Staatsanwalt Alexander Görlitz beantragten Haftstrafe. Zumindest die Verteidigung will das Urteil nicht akzeptieren. Im Hinterkopf gäbe es immer noch den Vorwurf, sein Mandant habe auch mit den beiden Bränden ein Jahr zuvor zutun gehabt, sagt Salmen. Die sollen dem Handwerker aber nur als Inspiration für seine eigenen Pläne gedient haben. Sowohl im August als auch im November 2023 hatte der Kita-Rohbau bereits gebrannt, beim Feuer im Winter musste das Gebäude abgerissen werden. Die Staatsanwaltschaft Detmold hatte dem Angeklagten diese Vorfälle nicht nachweisen können - in einem Fall sollen Dachdeckarbeiten schuld gewesen sein. Nicht nur die Brandserie belastet das Bauvorhaben des Montessori-Vereins, das zeigt sich bei der Verhandlung. Daneben geriet ein sich immer weiter hochschaukelnder Konflikt zwischen der verantwortlichen Bauleiterin und dem zunächst beauftragten Bauunternehmen völlig aus den Fugen. Auch der Geschäftsführer der Firma ist als Zeuge geladen. „Der Angeklagte war einer der wenigen im handwerklichen Bereich, für die ich meine Hand ins Feuer gehalten hätte - vielleicht sogar beide“, sagt er. Den Vorschuss habe er bisher nicht zurückgefordert. „Einem nackten Mann in die Tasche zu greifen, bringt doch nichts.“ Montessori-Verein sieht zu viele offene Fragen Auch die verantwortliche Lemgoer Architektin sagt sichtlich angefasst und den Tränen nah aus. In 30 Jahren habe sie kein vergleichbares Projekt erlebt. Der Druck, die steigenden Kosten, der ständige Ärger auf der Baustelle, dazu der Stress mit der Versicherung. Die Wunden heilen nur langsam. Es sei einfach unfassbar gewesen. „Am 11. April habe ich Geburtstag“, sagt die Architektin. „Da kam mein Mann ins Arbeitszimmer und sagte: Herzlichen Glückwunsch, die Kita brennt.“ Im Zuschauerraum sitzen auch Verantwortliche des Montessori-Vereins. Obwohl sie das Urteil selbst nachvollziehen können, könne es den emotionalen Schaden nicht gutmachen, sagt Thorsten Kopsieker, Vorstand des Montessori-Kindergartens. „Das gesamte Verfahren ist unbefriedigend für uns, weil so viele Fragen offengeblieben sind.“ Schließlich seien die Brände im Jahr zuvor noch weiter unaufgeklärt. Insgesamt entstand laut Verein ein Schaden von mehr als zwei Millionen Euro durch Feuer. Die Kita selbst ist nun endlich so gut wie fertig. Im August wird sie eröffnet. Das Gelände wird weiter videoüberwacht.