Darum verbringen drei lippische Rinder den Sommer im Oberallgäu

Horn Bad-Meinberg/Bolsterlang. Auch wenn ihre Namen klingen, als seien sie dort heimisch: Für Heidi, Sissi und Zenzi sind die vier, fünf Monate in Bolsterlang im Oberallgäu Urlaub. Die Voralpen, grüne Wiesen, im breiten Tal die Iller ... für die drei ist all das neu. &bdquo;Wir wollen schauen, wie es ihnen in den Bergen geht", sagt Martin Schlue.

Im Herbst, zum Viehscheid, kommen Heidi, Sissi und Zenzi dann zurück ins Lippische. Über den Sommer hat sie Schlue, Rinderhalter in Fromhausen und Berlebeck, bei einem Freund untergebracht: dem Senn Erwin Höchenberger, der auf der Alpe Ornach oberhalb von Bolsterlang unter anderem Allgäuer Bergkäse produziert und verkauft.

Freundschaft seit dem Almabtrieb 2019 2019, beim Almabtrieb in der Nähe von Oberstdorf, entstand die Freundschaft zwischen den beiden Rinderhaltern: Martin Schlue aus Horn-Bad Meinberg und Erwin Höchenberger aus Bolsterlang. Kein Jahr später folgt schon das &bdquo;Experiment": Schlues Fleischrasse, der Pinzgauer, mischt sich unter das für seine Milch bekannte Braunvieh Höchenbergers. &bdquo;Ein spannender Versuch", sagt Martin Schlue.

Da ist die soziale Komponente: An Christi Himmelfahrt hat der Lipper seine Tiere runtergebracht, da standen dann plötzlich etwa 20 Tiere mit Schelle um den Hals den drei Neuankömmlingen aus dem Flachland gegenüber. Schlue mit Blick auf Videos, die ihm vorliegen: &bdquo;Sie mussten sich beschnuppern – aber nun sind unsere Tiere integriert."

Kuhschellen könnten auch in Lippe sinnvoll werden An das Thema &bdquo;Kuhschelle" hat der Horn-Bad Meinberger seine Viecher bereits zu Hause langsam herangeführt. Einige Tiere der Herde tragen eine Glocke. &bdquo;Den Gurt um den Hals und das Bimmeln – daran müssen sich auch Rinder erst gewöhnen", ist er überzeugt. In den Bergen dient der weit hörbare Klang dazu, die Tiere an den nicht eingezäunten Hängen wiederzufinden. Ein Aspekt, der auch bei Schlue am Rande des Teuto noch eine Rolle spielen könnte.

So rechnet der Landwirt damit, dass Wölfe peu à peu auch in der Nähe seiner Weiden wieder Fuß fassen. Wenn dann ein Wolf ein Kalb reiße, sei der wirtschaftliche Schaden das eine. Gerät sie aber aufgrund des Angriffs in Panik, drohe die Herde selbst den Elektrozaun niederzureißen und voller Angst auszubüxen. Aufgrund der Lage seiner Weiden könne der Fluchtweg die Herde dann direkt in den Teutoburger Wald führen, fürchtet Schlue. Dort gehe dann das Suchen los. Immerhin bleibe eine Herde normalerweise zusammen – trügen dann nur einige Tiere eine Schelle, könne das beim Wiederfinden durchaus helfen. Martin Schlue weiß, wovon er spricht. Eine Suche mit Wärmebildkamera und anderer Ausrüstung habe er bereits hinter sich.

Das soziale Gefüge einer gemischten Herde mit Braun- und Grauvieh, dazu das Schellen-Thema ... das Bolsterlang-Experiment hat für den Rinderhalter aus Horn-Bad Meinberg, der die Erzeugnisse der artgerecht und halbjährig auf lippischen Weiden gehaltenen Tiere bundesweit per Expresspaket vertreibt, noch einen dritten Aspekt: das Fleisch.

Klettern und mehr Bewegung haben Auswirkung auf die Fleischqualität Seine Pinzgauer sind das lippisch-flache Geläuf gewohnt. &bdquo;In den Voralpen müssen die Tiere deutlich mehr für ihr Futter tun, sie müssen richtig kraxeln. Und die Böden sind auch nicht so fett wie bei uns", sagt Martin Schlue mit Blick auf den von der Natur vorgegebenen anderen Futter-Mix. &bdquo;Beides – die Bewegung und die andere Nahrung – werden Auswirkungen auf Struktur und Qualität des Fleisches haben", ist der Horn-Bad Meinberger sicher.

Oberallgäuer Rinder stehen unterhalb des Rolfschen Hofs Im Gegenzug hat der Lipper einige Original-Milchviecher aus dem Oberallgäu erworben, die nun an seinen Hängen unterhalb des Rolfschen Hofs in Berlebeck stehen. Kühe mit Schelle, grüne Weiden mit ordentlich Gefälle: ein Panorama, wie man es sonst nur aus den Voralpen kennt. &bdquo;Die vielen Spaziergänger und Wanderer bleiben gerne stehen", sagt Schlue. &bdquo;Sie zücken die Kamera und genießen."

Und darum geht es dem Züchter auch: &bdquo;Die Bevölkerung muss wieder eine positive Einstellung zur Landwirtschaft entwickeln." Mit Massentierhaltung und Dumpingpreisen gehe das aber nicht. Tierwohl und Qualität seienwichtig. &bdquo;Wir müssen eben auch unseren Teil dazu beitragen", sagt der Horn-Bad Meinberger mit überzeugt-festem Blick auf seine Zunft.

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