Gut frisiert und ohne Tipps: Satire im Bad Meinberger Kurtheater

Horn-Bad Meinberg. In der ZDF-&bdquo;heute-show“ ist er Stammgast, schlüpft regelmäßig in die Rolle eines Nachrichtensprechers, der stets gut frisiert skurrile Meldungen im Beisein von Olli Welke verkündet. Doch Christian Ehring spricht nicht nur, er schreibt auch: Und zwar regelmäßig Tagebuch. Und er stellt sich zudem den unbequemen Fragen des Lebens: Warum mag ich keine Hunde? 300 Gäste im Bad Meinberger Kurtheater ließ er am Samstagabend an seinen Gedankenströmen teilhaben. Mit Erfolg.

Das politische Kabarett ist seit den Spitzenzeiten mit Dieter Hildebrandt (&bdquo;Schreibenwischer“, starb schon 2013) etwas dünn besetzt. Die meisten Kabarettisten verstehen sich auf Witze und Bahnschelte. Ehring hingegen hat ernste Absichten und bleibt trotzdem der Entertainer, der ganz nebenbei - das macht er im Fernsehen nicht so oft - Klavier spielt. Bereits 2019 erhielt er den &bdquo;Deutschen Kleinkunstpreis“ in der Sparte &bdquo;Kabarett“. Der Moderator von &bdquo;extra3“ gab in Bad Meinberg folglich den vielseitigen Bühnenkünstler. Einer, der eines nicht will, weil er es selbst nicht mag: Tipps geben.

Stand jetzt Sein neues Solo heißt: &bdquo;Stand jetzt“. In der Polykrise eine allgegenwärtige Floskel. Ehring: &bdquo;Stand jetzt weiß man nichts Genaueres.“ Und weil die Zukunft immer weniger planbar erscheint, Ehring aber gern die Kontrolle behält, eskaliert der wohnhafte Düsseldorfer vor allem, wenn seine Nachbarn Chantal und Rolf sich von der Realität abwenden und ihn zum Yoga oder Loslassen animieren. In Zeiten, in denen man sich behaglich zwischen Ikea und Amazon eingerichtet hat, mag Ehring das &bdquo;Handfeste“.

Das Publikum in Bad Meinberg erlebte einen Mann, Anfang 50, im taubenblauen Anzug, ausgestattet mit einem Glas Wasser, einem Stehtisch, einer Pause nach 60 Minuten, der in seiner Garderobe sogar noch Zeit fand, die LZ zu lesen. Um mit dem Publikum mal in zehn Minuten die Samstagsausgabe kurz durchzugehen; und sei es nur, damit alle auf dem gleichen Informationsstand sind.

Dabei nimmt er die deutsche Sprache auseinander, um sie sofort wieder anders zusammenzusetzen. Was ihm missfällt? Englische Vokabeln, vermeintlich zeitgeistig und modern: Wording, Mindset oder Learning. Ehring: &bdquo;Ich bin es leid.“

Deutsch kärchern gern! Ein Kabarettist wäre kein Entertainer, wenn er keine größere Nerv-Liste parat hätte. Die Spackos in der Politik - natürlich - oder einfach der Mainstream, der ihn an den Rand treibt. &bdquo;Irgendjemand schwört immer auf Ingwer, eine wirklich breit aufgestellte Knolle.“ Sie ahnen es: Ehring will keine Tipps rund um den Ingwer. Gleichermaßen verwirrend findet er Gold, Weihrauch und Myrrhe - die Gaben, die die Weisen aus dem Morgenland Jesus Christus darbrachten. Ehring fragt sich: Warum schenkt man das dem Erlöser? Und ist überhaupt immer dann frustriert, wenn die Welt um ihn herum in eine benutzerfreundliche Oberflächlichkeit abdriftet.

Am Ende ist eine Kabarett-Veranstaltung stets eine Art Parforceritt durch die Gegenwart. Kaum hat man die eine intellektuelle Privatinsolvenz verstanden und abgelacht, kommt schon die nächste Sau, die durchs Dorf getrieben wird. Mal ist es der Entspannungs-Imperativ (&bdquo;Jetzt entspann dich mal!“), dann der Achtsamkeitswahn. Und ganz gewöhnlich wird es von selbst, denn auch Ehring stellt fest: &bdquo;Keine Nation kärchert so gern Moos aus den Fugen wie die Deutschen.“

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