In Erder gibt es einen Ort für Märchen und Geschichten

Kalletal-Erder. Ob die Gebrüder Grimm oder Hans Christian Andersen: Viele Märchen kenn wir aus unserer Kindheit. Lothar Schröer ist Geschichten- und Märchenerzähler, doch durch die Pandemie kam sein Geschäft zu erliegen, er musste er sich neue Wege suchen. Nun hat er die Erderaner Erzähldeele gegründet.

Lothar Schröer lebt mit seiner Frau Elke Dießner in einem alten Fachwerkhaus in Erder. Von hier aus fuhr er bislang zu seinen Terminen raus, erzählte Geschichten bei Veranstaltungen oder hielt auch mal Hochzeitszeremonien ab. Doch durch Corona war damit von jetzt auf gleich Schluss. Und das, wo er 2020 doch nach einem schweren Unfall ein Jahr zuvor, nachdem er zehn Monate lag und wieder laufen lernen musste, wieder richtig durchstarten wollte. &bdquo;Die Auftragsbücher waren voll", sagt er.

Seine eigenen vier Wände, in denen sonst beruflich nur Verwaltungsaufgaben auf ihn warteten, wurde zum Studio: Schröer fing an, Geschichten aufzunehmen, Videos mit Erzähltem zu erstellen, besprach Telefonschleifen und synchronisierte Kinderfilme. Im Sommer konnte er dann in seiner ausgebauten Deele nebenan Seminare abhalten, sowohl online, als auch Dank der Größe des Gebäudes in Präsenz.

Die Idee entstand im zweiten Lockdown Dann kam der nächste Lockdown, doch Schröer hatte eine Idee: Die Deele zur Erzähldeele machen. Hier soll in Zukunft Kultur stattfinden, Veranstaltungen, Lesungen, eine offene Erzählbühne etwa. Vieles auch in Zusammenarbeit mit dem neu gestalteten Campingplatz nebenan, wie Inhaberin Julia Enns bestätigt (siehe Kasten). Denn auch hier sollen kulturelle Veranstaltungen in Kooperation mit der Erzähldeele etabliert werden.

In seiner Deele will Lothar Schröer aber auch Aufnahmen für Synchronisationsarbeiten und ähnliches machen können. Und auch Seminare sollen weiterhin stattfinden, bei denen Geschichtenerzähler ausgebildet werden, aber auch Gesprächsrunden etwa in Grimm-Sprache abgehalten werden, &bdquo;damit die diese alte Sprache besser verstehen", erklärt er. Auch für Leute, die an Mittelalterfesten teilnehmen, sei das interessant. Und auch solche Gruppen jeder kulturellen Couleur, auch Musiker, könnten sich in der Erzähldeele zusammen finden, ist Schröers Wunsch. Das ganze habe der Märchenerzähler aus eigener Tasche bezahlt, 3500 Euro Förderung gab das Land als Starthilfe für die Technik dazu.

Lothar Schröer ist seit rund 20 Jahren Geschichten- und Märchenerzähler, seit 15 Jahren macht er das Ganze hauptberuflich. &bdquo;Ich hatte jemanden kennengelernt, der sich zum Märchenerzähler hat ausbilden lassen. Da bin ich neugierig geworden", erzählt Schröer. In Nürnberg absolvierte er dann selbst in der dortigen Erzählschule eine Ausbildung.

Geschichten erzählen und hören regt die Fantasie an Doch warum ist das Erzählen so wichtig? &bdquo;Beim Film wird einem alles vorgekaut, selbst die Stimmung. Beim Hörspiel hat man zumindest schon mal eigene Bilder vor Augen, doch ein Erzähler berichtet neutral. Stimmung, Bilder, das alles regt den Kopf und die Fantasie an", sagt er und die Begeisterung für seine Arbeit wird deutlich. &bdquo;Jeder sieht so seinen eigenen Film in seiner eigenen Bestbesetzung. Darin liegt die Faszination des Erzählens."

Kalletals Bürgermeister Mario Hecker begrüßt das Konzept, um der Sprache wieder eine größere Bedeutung beizumessen. So habe Lothar Schröer ihm berichtet von Erfahrungen aus seinen Terminen in Kindergärten und dass Eltern häufig in einzelnen Worten mit ihren Kindern kommunizierten, sich aber gleichzeitig darüber beklagen, dass ihre Kinder nicht in vollen Sätzen sprechen. Die Nutzung der digitalen Medien füge ihr Übriges hinzu. &bdquo;Als Vorsitzender des Beirates der Finke-Stiftung weiß ich über die Arbeit Lothar Schröers in den Senioreneinrichtungen zu berichten. Märchen wecken Erinnerungen bei den Seniorinnen und Senioren, lassen Gedanken an alte Zeiten wieder aufleben. Das ist schön zu beobachten."

Auch die lippische CDU-Bundestagsabgeordnete Kerstin Vieregge hat sich vor Ort ein Bild vom Konzept gemacht. &bdquo;Seit 2016 gehört das Märchenerzählen zum immateriellen Kulturerbe in Deutschland. Und es ist wunderbar, dass Lothar Schröer und seine Frau Elke Dießner diese identitätsstiftende kulturelle Praxis auch in Lippe lebendig halten und bewahren wollen", sagt sie. &bdquo;Das Märchenerzählen sei eine Kunst, die sich an alle Altersschichten, Bevölkerungsschichten und Bildungsniveaus richtet. Märchen zu hören bedarf keiner Vorkenntnisse, Märchen haben einen verbindenden Charakter und helfen, einander zu verstehen."

Kooperation mit "Julianna" nebenan

Die Schwestern Julia Enns und Anna Decker sind seit November Eigentümerinnen des Campingplatzes in Erder direkt an der Weser und führen die ehemalige &bdquo;Weserfreizeit Erder" unter dem Namen &bdquo;Julianna". In Kooperation mit der Erderaner Erzähldeele von Lothar Schröer und Elke Dießner soll hier auch ein Kulturprogramm etabliert werden. Etwa 70 Plätze stehen Dauercampern und Tagesgästen zur Verfügung . Für dieses Jahr haben sich die Schwestern eigenen Angaben zufolge vorgenommen, den Platz familienfreundlicher zu gestalten, weitere Sitz- und Liegegelegenheiten, ein Mini-Markt und ein Foodtruck sollen folgen . Ebenso sollen die Bootsstege vergrößert werden.

www.campingplatz-weser-kalletal.de

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