Was den Streit zwischen SPD und CDU im neuen Kalletaler Rat ausgelöst hat

Kalletal. Bürgermeister Mario Hecker hat in der ersten Sitzung des neu gewählten Gemeinderats ein geschlossenes Auftreten und Einigkeit beschworen. Doch nur wenige Minuten später zeigte sich, dass von Einigkeit derzeit keine Rede sein kann: CDU-Fraktionschef Julian Gerber bezichtigte seinen SPD-Kollegen Manfred Rehse der Lüge. Zuvor war er von Rehse scharf kritisiert worden. Der Streit hatte sich an der Bildung der Ratsausschüsse entzündet.

Die neue Mehrheit aus CDU und Unabhängigen Kalletaler Bürgern (UKB) hat 17 Mandate, CDU und SPD kommen auf 15. Auch wenn CDU und UKB keine Zusammenarbeit vereinbart haben, wie Gerber der LZ auf Anfrage sagte, gebe es doch inhaltliche Überschneidungen. Sie hatten eine Neukonzeption vorgeschlagen: Statt fünf freiwilligen Ausschüssen wie bisher soll es nur noch drei geben – einen &bdquo;Ausschuss für Bildung, Heimat und Digitalisierung“, einen &bdquo;Ausschuss für Infrastruktur und Nachhaltigkeit“ und – wie bisher – einen &bdquo;Ausschuss für Soziales und öffentliche Einrichtungen“. &bdquo;Wir wollen effizienter arbeiten“, sagte Gerber in der konstituierenden Ratssitzung zur Begründung.

Dass es für Digitalisierung und Klimaschutz keine eigenen Ausschüsse mehr geben soll, stieß auf Kritik bei Florian Schön, Fraktionsvorsitzender der Grünen. &bdquo;Zukunftsthemen scheinen der neuen Ratsmehrheit nicht wichtig zu sein“, sagte Schön. Ähnlich äußerte sich Manfred Rehse. Äußerungen und Umgangston von Julian Gerber in E-Mails und im interfraktionellen Gespräch einige Tage zuvor &bdquo;zeigen die Richtung an“. Ein Änderungsantrag zum Thema sei &bdquo;ohne Diskussion abgelehnt“ worden. Rehse warf der CDU eine &bdquo;ideologisch geprägte Haltung“ vor: &bdquo;Der Begriff Heimat ist für uns im Zusammenhang mit politischer Arbeit nicht positiv besetzt“, bezog er sich auf einen Ausschussnamen.

&bdquo;Das ist ein starkes Stück“ Julian Gerber reagierte &bdquo;fast sprachlos“ angesichts dessen, &bdquo;was du mir vorgeworfen hast“. Dass Rehse behauptet habe, Gerber habe im interfraktionellen Gespräch betont, &bdquo;wir haben jetzt das Sagen“, sei es &bdquo;starkes Stück“: &bdquo;Das ist eine Lüge.“ So spreche er nicht mit anderen Fraktionen. Die CDU habe mit der SPD gesprochen, und die genannten Inhalte seien in anderen Ausschüssen aufgegangen. In den bisherigen Ausschüssen für Digitales und Klima habe es oft keine Themen gegeben. Was wiederum Widerspruch bei Jürgen Georgi (Grüne) auslöste, der den Wegfall eines eigenen Klima- und Umweltausschusses als &bdquo;schlimm für die Zukunft“ bezeichnete.

Lars Brakhage (CDU) zeigte sich verwundert, dass Rehse diese Kritik übe, Teile der SPD aber zuvor für den neuen Zuschnitt der Ausschüsse gestimmt hätten. Denn dieser wurde mehrheitlich beschlossen – bei drei Enthaltungen aus den Reihen der SPD. Gegenstimmen gab es nur von den Grünen. Geschlossen Nein sagten SPD und Grüne dann zur Zuständigkeitsordnung der Ausschüsse. Ingo Mühlenmeier (UKB) wünschte sich &bdquo;einen anderen Ton“ und ergänzte: Über das Thema Fairness in der politischen Auseinandersetzung könne sich jeder angesichts dessen, &bdquo;was wir in den letzten Wochen ertragen mussten“, seine eigene Meinung bilden. Damit spielte er auf die Klage des Medizinischen Versorgungszentrum gegen die UKB an, die im Wahlkampf behauptet hatten, das MVZ müsste eigentlich schon insolvent sein.

Siemon und Hartwig als Stellvertreter Der parteilose Bürgermeister Mario Hecker empfahl den Kontrahenten, sich nach der Ratssitzung zusammenzusetzen &bdquo;und zu gucken, wie man das wieder aus der Welt kriegen kann“. Bevor in der Sitzung Manfred Siemon (CDU) zum ersten und Dieter Hartwig (SPD) zum zweiten stellvertretenden Bürgermeister gewählt wurden, hatte Hecker eine programmatische Rede für die nächste Wahlperiode gehalten.

Aus seiner Sicht sind zwei Themen besonders wichtig. Eines ist die zunehmende Unzufriedenheit vieler Bürger und ihre Entfremdung von der Politik. Als Grund macht Hecker wachsende soziale Ungleichheit und die größer werdende Kluft zwischen Stadt und Land aus. Da mache sich das Gefühl der Vernachlässigung durch die Politik breit. Hinzu kämen die sozialen Medien und darin verbreitete Falschinformationen. Das alles sieht Hecker als &bdquo;Aufforderung, die Kommunikation zwischen Bürgern und Politik neu zu gestalten und die Menschen stärker einzubeziehen“. Ziel der nächsten Jahre solle es deshalb sein, in Kalletal Bürgerbeteiligung zu &bdquo;gelebter Praxis“ zu machen: durch Bürgerforen, Bürgerhaushalte und digitale Beteiligungsformate.

Darüber hinaus machen die Krisen dieser Tage nach Überzeugung des Bürgermeisters erforderlich, Maßnahmen zum Bevölkerungsschutz im Krisenfall zu treffen. Wichtig sei es, auf kommunaler Ebene &bdquo;Projekte des gesellschaftlichen Zusammenhalts fördern – etwa interkulturelle Begegnungsstätten, Nachbarschaftsprojekte oder Bildungsinitiativen“. Und es sei wichtig, dass der Rat geeint auftrete und Gemeinwohl über Einzelinteressen stelle.

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