Druck auf Landrat Dr. Axel Lehmann wächst weiter an

Kreis Lippe. Er wolle in der Politik um Vertrauen für sich werben, hatte Lippes Landrat Dr. Axel Lehmann vor laufenden Kameras unlängst noch versprochen. Doch er macht es ihr schwer. Ein Ski-Urlaub in turbulenten Zeiten und sein Umgang mit Reinhold Harnisch, dem Leiter des Kommunalen Rechenzentrums, fallen dem SPD-Mann auf die Füße.

Bestes Wetter am Wilden Kaiser, herrliche Bedingungen für die Reisegruppe des Ski-Clubs Horn-Bad Meinberg. So stand es im jüngst veröffentlichten Reisebericht des Vereins. Mitten unter den Reisenden: der Chef der Kreisverwaltung. Nicht weiter bemerkenswert, wäre der Landrat nicht vom 8. bis zum 16. Februar auf den Pisten Österreichs unterwegs gewesen. Also zu einer Zeit, in der das Ausmaß des Missbrauch-Skandals in Lügde bekannt war. Und in der klar war, dass die Ermittlungen in seiner Kreispolizeibehörde alles andere als glatt gelaufen waren.

Lehmann steht zu seinem Urlaub und erklärt, dass ihm die am Vorabend der Abfahrt gefällte Entscheidung, die 2018 gebuchte Reise anzutreten, nicht leicht gefallen sei. &bdquo;Ich konnte die Reise machen, weil die Kreispolizeibehörde Lippe seit dem 31. Januar nicht mehr die ermittelnde Behörde war. Die Ermittlungen hatte das Polizeipräsidium Bielefeld übernommen. Der Verlust der Asservate war mir zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt", lässt Lehmann als oberster Dienstherr über die Pressestelle seiner Kreispolizeibehörde mitteilen.

Wäre ihm der Verlust bekannt oder die Polizei in Lippe noch ermittelnde Behörde gewesen, hätte er die Fahrt nicht angetreten, schreibt der Landrat. Lehmann wörtlich: &bdquo;Nach der Übernahme der Ermittlungen durch Bielefeld bestand die Aufgabe der Polizei Lippe darin, Fehlleistungen aufzuarbeiten. In Rede stand zu diesem Zeitpunkt der Umgang mit ersten Missbrauchs-Hinweisen im Jahre 2016.

Dazu hat es am 6. Februar ein Gespräch im Innenministerium NRW gegeben, an dem ich auch persönlich teilgenommen habe. Die Ergebnisse dieses Gespräches sind noch am 7. Februar in meinem Auftrag verschriftlicht worden, so dass die Polizei Lippe von mir eine klare Anweisung über die zu ergreifenden Maßnahmen hatte." Weiterhin seien sein Vertreter sowie der Abteilungsleiter Polizei während seiner Abwesenheit erreichbar gewesen.

Lehmann betont, dass auch er in Österreich erreichbar war. &bdquo;So konnte mich am Donnerstag, 14. Februar, um 21.48 Uhr, die Nachricht vom Verlust der Asservate erreichen. Am Freitag, 15. Februar, habe ich um 8.43 Uhr in einem knapp 20-minütigen Telefonat mit dem Abteilungsleiter Polizei die zu ergreifenden Maßnahmen besprochen. Wäre ich zu diesem Zeitpunkt vor Ort in Lippe gewesen, hätte das keine anderen Handlungsmöglichkeiten eröffnet", lässt Lehmann abschließend ausrichten. Im Protokoll der Sondersitzung des NRW-Innenausschusses findet sich auch die Bestätigung für den von Lehmann geschilderten Ablauf.

&bdquo;Wenn er bereits schon früher davon gewusst haben sollte, dass die Asservate verschwunden sind und er trotzdem in Urlaub gefahren wäre, dann wäre das unverzeihlich", spekuliert Werner Loke, Fraktionsvorsitzender der Bündnisgrünen im Kreistag. Doch auch wenn Lehmann erst am 14. Februar vom Verschwinden der Asservate erfahren habe, hätte er am 15. Februar im Büro sein müssen, meint Loke. Das Ausmaß des Skandals sei zudem im Januar absehbar gewesen.

&bdquo;Wenn die Hütte brennt, muss der Chef vor Ort sein", sagt Andreas Kasper (CDU). Lehmann hätte nach der Info &bdquo;verschwundene Asservate" sofort zurückkehren müssen, um ein Zeichen in Richtung Bevölkerung und der Polizei zu setzen, fügt der CDU-Fraktionschef hinzu. Er finde es irritierend, dass Lippes erster Mann im Urlaub weilte, während immer neue Skandale aufgedeckt worden seien. Als eine &bdquo;sehr unglückliche Entscheidung" bezeichnet Ursula Jakob-Reisinger (Die Linke) den Urlaub des Landrates. &bdquo;Wenn alles um mich herum brennt, kann ich nicht auf Skiern stehen – er hätte hier bleiben sollen", sagt die Fraktionschefin im Kreistag.

Ihr SPD-Kollege Henning Welslau findet die Kritik am Landrat überzogen. &bdquo;Aus meiner Sicht ist es in Ordnung, dass er seinen Urlaub nicht unterbrochen hat. Er war informiert und hat die Sache telefonisch aus dem Urlaub geklärt", so Welslau. Und am Samstag, 16. Februar, sei er wieder vor Ort gewesen.

Lippische Bürgermeister reagieren Der Missbrauchsfall in Lügde und die Versäumnisse der Behörden sind auch in den lippischen Rathäusern Thema. Dazu gehören die Entscheidungen und die Urlaubsreise des Landrats Dr. Axel Lehmann. Die LZ hat bei einigen Bürgermeistern im Kreis nachgefragt.

&bdquo;Von mir gibt’s keinen Kommentar dazu", sagt Lemgos Bürgermeister Reiner Austermann (CDU). Sein Lagenser Amtskollege Christian Liebrecht (CDU): &bdquo;Wenn in meiner Verwaltung so etwas passiert wäre – also ich wäre nicht in den Skiurlaub gefahren."

Blombergs Bürgermeister Klaus Geise (SPD) sagt: &bdquo;Ich gehe davon aus, dass der Landrat seine Entscheidung sorgfältig abgewogen hat." Und Ulrich Knorr (SPD) Bürgermeister in Schlangen: &bdquo;Prioritäten muss jeder für sich selbst setzen. Einen Ratschlag möchte ich nicht geben." Detmolds Bürgermeister Rainer Heller (SPD) antwortete nicht auf die Anfrage der LZ.

Schlechte Amtsführung Ein Kommentar von Dirk Baldus.

Lippes Landrat Axel Lehmann steht mit dem Rücken zur Wand. Der Druck nach zahllosen Fehlern in Jugendamt und Kreispolizeibehörde wächst, doch der SPD-Mann reagiert mit einem katastrophalen Krisenmanagement.

Schön und gut, auch ein Landrat darf Urlaub machen. Aber die acht Tage auf Skiern damit zu begründen, dass die Ermittlungen zu 1000-fachem Kindesmissbrauch zuvor andere übernommen hätten, ist schwach. Richtig schwach. Und: Lehmann äußert sich nur als Polizeichef. Was ist mit den Mitarbeitern im Jugendamt, gegen die ermittelt wird und für die er verantwortlich ist? Kein Wort von ihm dazu.

Noch schwerer wiegt sein Husarenritt gegen den Leiter des Kommunalen Rechenzentrums. Öffentliche Entschuldigung hin, gegenseitige Vorwürfe her: Wenn Besonnenheit wildem Aktionismus weicht, ist ein Behördenleiter schlecht beraten. Noch ist es ein Vorwurf. Aber sollte Lehmann den KRZ-Chef massiv unter Druck gesetzt haben, ist der Landrat politisch erledigt.

Überforderung? Naivität? Oder überhebliche Gelassenheit? Worin die Gründe seines Verhaltens auch immer liegen mögen: Keiner spricht für eine souveräne Amtsführung. Mitarbeiter müssen sich auf ihren Chef verlassen können. Auf seinen Rückhalt, seine Stärke und seine Anwesenheit. Gerade dann, wenn’s brennt. Lichterloh brennt.

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