Kreis Lippe. Was für ein Chaos zum Wochenstart: Gefährlich glatt ist es am Montag auf Lippes Straßen gewesen. Rettungswagen und Polizei waren im Dauereinsatz, Streudienste bis in den Nachmittag hinein unterwegs und teilweise wusste auch die Müllabfuhr nicht mehr weiter. 54 Verkehrsunfälle und mehr als 100 Patienten in den Notaufnahmen des Klinikums Lippe sind die Bilanz des Blitzeises.
Bei den Autounfällen handelte es sich überwiegend um kleinere Blechschäden, nur bei drei Zusammenstößen wurden laut Polizei insgesamt vier Menschen leicht verletzt. Im Klinikum Lippe herrschte trotzdem Ausnahmezustand – zeitweise standen bis zu 30 Krankenwagen gleichzeitig vor den Notaufnahmen.
Mehr als 100 Patienten mussten laut Klinikumssprecher Christian Ritterbach nach Stürzen auf den vereisten Gehwegen in Detmold und Lemgo behandelt werden. „Wir mussten improvisieren, für so viele Menschen auf einmal ist das System nicht ausgerichtet", sagt Christian Ritterbach.
Im Wartezimmer der Notaufnahme staute es sich und die Kapazitäten mussten umgehend erweitert werden. Dazu zählte auch ein weiterer OP, um chirurgische Verletzungen zu behandeln. Trotz der angespannten Pandemie-Lage habe das Klinikum die Situation im Griff gehabt, so Ritterbach.
Winterdienste seit 3.30 Uhr im Einsatz
Währenddessen waren alle Winterdienste auf Lippes Straßen im Einsatz. Dabei ging es schon früh los. „Um 3.30 Uhr haben unsere Streudienste begonnen", sagt Sven Johanning, Pressesprecher beim Landesbetrieb Straßen NRW. Dieser ist zuständig für Landes- und Bundesstraßen. Hier seien sie auf diese Situation vorbereitet gewesen, und als der Berufsverkehr losging, seien die Strecken weitestgehend frei gewesen.
„Gleichwohl war es an einigen Stellen glatt", so Johanning.
Als die ersten Regentropfen fielen, startete laut Christian Sollgan vom Bauhof in Lemgo der Winterdienst in der alten Hansestadt. Dabei habe es zu Beginn nicht so schlimm ausgesehen. Erst später hätte der Eisregen eingesetzt. „Die Hauptstraßen waren zum Berufsverkehr soweit frei. Nur die Nebenstraßen waren nicht so schnell zu schaffen", so Sollgan. Insgesamt seien sie mit der aktiven Bereitschaft gut vorbereitet gewesen, auch wenn dies eine extreme und nicht alltägliche Wetterlage gewesen sei.
Auch in Bad Salzuflen seien die Mitarbeiter des Bauhofs vorbereitet gewesen, heißt es in einer E-Mail von Pressesprecherin Lea Schmidt. Insgesamt 36 Mitarbeiter seien hier im Einsatz gewesen und hätten gegen 11 Uhr den Einsatz beendet. Glätteregen sei tückisch, da sich direkt eine Eisschicht bilde. Ein schnelles Handeln sei gefragt, weshalb die Mitarbeiter zügig und konzentriert hätten arbeiten müssen, heißt es weiter.
Rutschiges Pflaster
Besonders glatt war es auf gepflasterten Wegen und Straßen, da die Steine die Kälte länger speichern. Sie mussten noch öfter abgefahren und vom Eis befreit werden. „Solche Flächen waren ein Problem", fasst Mario Bezjak, Leiter des Bauhofs in Schieder-Schwalenberg, zusammen. Besonders betroffen war hier die Schwalenberger Altstadt.
Dieses Problem zeigte sich auch in Schlangen. Hier mussten laut Bauhofleiter Andreas Glatthor ebenfalls einige Stellen mehrfach abgefahren werden. Alles in allem hätten sie die Situation aber gut im Griff gehabt. Es habe zwar eine Beschwerde bezüglich der Nebenstraßen gegeben, doch unterm Strich sei der Bauhof zufrieden.
„Die Hauptverkehrsstraßen waren zu Beginn des Berufsverkehrs erstmalig gestreut und mussten nach erneutem Zufrieren nachgestreut werden", teilt Ina Paulfeuerborn, Pressesprecherin der Stadt Detmold, schriftlich mit. Nebenstraßen seien erst später dran gewesen. Ab vier Uhr morgens waren hier drei Großfahrzeuge und vier Kleinfahrzeuge im Einsatz. Um 6.30 Uhr begann zusätzlich die Handstreuung. Später kamen noch weitere Fahrzeuge dazu. Am Nachmittag ging die Stadt davon aus, dass die Räumungsarbeiten noch bis in die Nacht hinein andauern würden.
Mülltonnen stehen lassen
Wegen der starken Glätte insbesondere in Nebenstraßen konnte kreisweit Müll nur eingeschränkt abgeholt werden.
„Es gibt Straßen, in die wir nicht reingekommen sind", fasst René Filla, Niederlassungsleiter des Abfallunternehmens PreZero in Lemgo, zusammen. Doch die betroffenen Straßen sollen noch nachgefahren werden. Bei der Firma Remondis stellte sich das Team ebenfalls auf einen langen Tag ein. Bei der Abfuhr der Gelben Tonne in Lemgo sei es laut Disponent Marcus Beckmann ebenfalls zu Problemen gekommen.
„Auf manchen Straßen sind wir stehen geblieben, doch inzwischen sind wir wieder unterwegs." Kurz hätten sie überlegt, abzubrechen, doch dann sei es wieder gegangen.
In Detmold verzögert sich die Abholung der Grünen Tonne, teilt die Stadt mit. Am Montag wurden nur die Hauptstraßen von der Detmolder Abfallwirtschaft abgefahren, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Nebenstraßen sollen im Laufe der Woche nachgeholt werden. Es wird darum gebeten, die Tonnen einfach bis zu ihrer Leerung am Straßenrand stehen zu lassen.
Eisregen kann gefährlich sein
Gefährlicher Eisregen kommt glücklicherweise nicht allzu oft vor. Dazu müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Wetterexperte Sebastian Keßler, der in Detmold eine eigene Wetterstation hat, erklärt, welche das sind.
„Das ist eine ganz spezielle Wetterlage", fasst Keßler zusammen.
Den Ausgangspunkt bildete in den Frühstunden ein Regengebiet. Der Niederschlag traf auf den kalten Boden und gefror dabei sofort. Was genau passiert ist, erklärt der Experte so: „Es gab quasi einen Kampf der Luftmassen." Eine warme Luftschicht hat sich in eine kalte gedrängt. Das führte dazu, dass der Niederschlag von der warmen Luft erwärmt wird, eine Schneeflocke würde beispielsweise tauen, in Bodennähe durch die Kaltluft wieder abkühlen und als „unterkühlter Regen" auf die Erde fällt.
Damit der Regen abkühlt, muss die kalte Luftschicht hoch genug über dem Boden liegen. Zeit zum Gefrieren hat er aber nicht. Liegt die Bodentemperatur dann um den Gefrierpunkt, wie am Montagmorgen in Detmold mit -0,5 Grad, gefriert die Feuchtigkeit sofort. Das mache diese Wetterlage so gefährlich.
„Am Sonntag war es zwar sonnig, aber an vielen Stellen blieb die Temperatur unter dem Gefrierpunkt – zum zweiten Mal in diesem Jahr. Früher gab es das viel häufiger. 2010 zum Beispiel fast im gesamten Januar", teilt Naturfilmer und Hobby Meteorologe Robin Jähne mit.
Er beobachtet das Wetter ebenfalls ganz genau und führt Statistiken. Auch an Ästen, Laub und Gras bildete sich eine dünne Eisschicht. Doch der Eispanzer blieb relativ dünn. Es könne aber vorkommen, dass bei Eisregen die Eisschichten um Gras und Zweige zentimeterdick würden. „Solche starken Eisregenereignisse kommen aber selten vor, in Lippe vielleicht einmal in zehn Jahren", so Jähne.
Chaos in OWL
Auch bei den Nachbarn im Rest von OWL hat das Blitzeis zu etlichen Einsätzen geführt. Die Polizei Paderborn meldet rund 70 Unfälle (bis 12 Uhr) wegen der gefährlichen Glätte. Zwei Personen wurden verletzt. Ein Radfahrer (89) erlitt schwere, ein Autofahrer (23) leichte Verletzungen. In allen anderen Fällen blieb es laut Polizei teils bei hohem Sachschaden. Am frühen Morgen war zum Beispiel die B64 gesperrt, dort hatte es einen Glätteunfall mit sieben beteiligten Fahrzeugen gegeben.
❄‼ Achtung, wir warnen dringend vor Blitzeis im gesamten Kreisgebiet und in den anschließenden Kreisen. Es gibt bereits...
Gepostet von Polizei NRW Paderborn am Sonntag, 31. Januar 2021