Grünen-Kandidat Robin Wagener: „Wollen Kanzlerin oder Kanzler stellen“

Er wäre nach Jutta Dümpe-Krüger (2002-2005) und Ute Koczy (2005-2013, beide aus Lemgo) das dritte grüne Bundestagsmitglied aus Lippe. Und seine Chancen könnten besser kaum stehen: Der Bad Salzufler Robin Wagener (40) ist während des virtuellen Landesparteitags der Bündnisgrünen am vergangenen Wochenende auf Platz zehn der Landesliste nominiert worden. Damit ist der grüne Kandidat für den Wahlkreis Lippe I angesichts der aktuellen Umfragewerte nach den Bundestagswahlen im September so gut wie sicher in Berlin vertreteb. Im Interview bezieht der Sozialrichter klar Position, wie die Grünen das Land verändern wollen.

Glückwunsch zum Bundestagseinzug, Herr Wagener!

Robin Wagener: Das kommt für mich noch ein wenig zu früh. Aber klar, meine Chancen sind nicht schlecht.

Angesichts der aktuellen Umfragewerte hat auch der zweite Lipper auf der Landesliste der Grünen, Nik Riesmeier aus Lipperreihe, Chancen. Und der steht auf Platz 54.

Wagener: Stimmt, wir Grünen haben am Wochenende eine Landesliste mit 80 Namen aufgestellt. Eine solch lange Liste hatten wir noch nie.

So viel Selbstbewusstsein ist bemerkenswert, holten die Grünen doch bei den vergangenen Wahlen in NRW und im Bund ja eher bescheidene 6,4 beziehungsweise 8,9 Prozent. Woher kommt der Aufschwung, der sich in aktuellen Umfragewerten von um die 20 Prozent zeigt?

Wagener: In der Tat, hinter uns liegt eine erstaunliche Entwicklung. Eine Rolle dabei spielt sicher die Klimakrise, die nicht nur in entfernten Ecken auf dem Globus zu spüren ist, sondern auch immer mehr bei uns. Und Klimaschutz ist Teil der DNA der Grünen. Dazu aber haben wir als Partei in den vergangenen Jahren deutlich gezeigt, dass wir ernsthafte Politik mit klaren Entscheidungen betreiben und Verantwortung übernehmen wollen. Das lebt unsere Parteispitze mit Annalena Baerbock und Robert Habeck hervorragend vor. Dazu arbeiten die beiden sehr erfolgreich als Team zusammen. Die Menschen haben den Eindruck, von ihnen ernst genommen zu werden.

Sie sprechen Ihre beiden Vorsitzenden an. Ist es richtig, dass die Grünen einen Kanzlerkandidaten stellen wollen?

Wagener: Wir werden eine Spitzenkandidatin oder einen Spitzenkandidaten bestimmen, ja. Und es ist richtig, dass wir im Land eine Führungsrolle einnehmen wollen. Wir wollen gestalten, Dinge ändern. Das geht am besten von der Spitze aus.

Wer soll Ihrer Meinung nach ins Rennen ums Kanzleramt gehen?

Wagener: Beide sind aus meiner Sicht geeignet, und beide haben die Unterstützung der Partei. Bei uns wird es nicht so sein, dass nach der Kandidaten-Entscheidung das andere &bdquo;Lager" enttäuscht ist, weil es einfach kein anderes Lager gibt. Ich gehen davon, dass wir nach der Sitzung des Bundesvorstands am Montag mehr wissen.

Können Sie sich eine schwarz-grüne Koalition unter einem Kanzler Söder vorstellen? Oder wäre Ihnen Rot-Rot-Grün, eine &bdquo;Ampel" mit SPD und FDP oder eine &bdquo;Jamaika-Koalition" mit CDU und FDP lieber?

Wagener: Zum jetzigen Zeitpunkt macht es keinen Sinn, über mögliche Koalitionen zu spekulieren. Erst hat der Wähler das Wort, dann sehen wir, in welcher Konstellation wir unsere Ziele im Bund am besten durchsetzen können. Eines ist aber schon jetzt klar: Wir wollen kein &bdquo;Anhängsel" einer Volkspartei in einer Koalition sein. Wir stehen in Konkurrenz mit der Union um die Regierung im Land. Wir wollen die Kanzlerin oder den Kanzler stellen.

Welche Themen wollen Sie für Lippe in Berlin konkret angehen?

Wagener: Da nenne ich zum einen die Verkehrswende. Lippe ist vom Bundesverkehrswegeplan durch den geplanten Ausbau der B 239 betroffen, und den lehne ich in der Form ab. Und zur möglichen ICE-Neubautrasse durch Bad Salzuflen und Kalletal haben wir im Kreistag gerade erst eine Resolution verabschiedet, die ein offenes Planungsverfahren für die ICE-Strecke möglichst auf Basis der vorhandenen Trasse fordert. Beide Projekte werden im Bund entschieden. Ein weiteres wichtiges Thema für Lippe ist der Breitbandausbau. Auch bei mir zuhause in Wüsten ist die Geschwindigkeit sehr unterschiedlich. Dabei brauchen wir flächendeckend schnelles Internet, auch zum Beispiel für die moderne Landwirtschaft.

Sie sitzen für die Grünen im Salzufler Stadtrat und im Kreistag. Was passiert mit diesen Mandaten, wenn Sie ab Herbst im Bundestag sind?

Wagener : Ich werde versuchen, das alles unter einen Hut zu bringen. Ich halte es für wichtig, dass Bundespolitiker weiter Kontakt zu dem Geschehen vor Ort halten. Allerdings war ich noch nie Mitglied des deutschen Bundestags, deswegen werde ich dann schauen müssen, ob das alles tatsächlich zeitlich miteinander vereinbar ist.

Sie sind junger Familienvater, haben zwei Kinder. Sie dürften auch für Ihre Familie ab Herbst deutlich weniger Zeit haben .

Wagener: Ja, diese Tatsache hatte im Vorfeld der Kandidatur eine große Rolle gespielt. Wir haben das lange innerhalb der Familie besprochen und uns letztlich dann dafür entschieden. Klar wäre es familiär doof, wenn ich künftig für rund 20 Sitzungswochen im Jahr nicht zuhause sein könnte. Aber ich würde den Kontakt in der Zeit zum Beispiel unter anderem über Videotelefonie aufrecht erhalten.

Was muss sich Ihrer Meinung nach in der Nach-Merkel-Ära in der Politik für Deutschland ändern?

Wagener: Wir brauchen eine andere Grundhaltung in der Politik. Kanzlerin Angela Merkel hatte über viele Probleme einen Deckmantel ausgebreitet, der Ruhe und Sicherheit ausstrahlen sollte. Letztlich hat aber genau dies das Vertrauen in politische Entscheidungen angegriffen. Wir müssen die Dinge und Probleme in Deutschland klar benennen, offen mit der Gesellschaft diskutieren und dann vor allem handeln. Sonst können wir die anstehenden dramatischen Veränderungen nicht bewältigen. Dazu gehört, auch wenn er durch Corona aktuell in den Hintergrund gerückt ist, auf jeden Fall der Klimawandel. Das wird die Herausforderung der kommenden Jahre.

Persönlich Robin Wagener ist 40 Jahre alt und seit 23 Jahren in der Kommunalpolitik aktiv. Der Karate-Sportler und auch -Trainer ist Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat von Bad Salzuflen, Mitglied des Kreistags, Chef der Landesverbands-Fraktion und dritter stellvertretender Landrat. Er gehört dem Landesvorstand der Grünen an und ist Sprecher des Kreisverbandes. Privat hat er sich viele Jahre lang ehrenamtlich für das Deutsche Rote Kreuz engagiert und in der Funktion Auslandserfahrung gesammelt. Wagener ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er arbeitet als Richter am Sozialgericht in Detmold.

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