Von der Küste auf den Kirchberg - Baumversuche in Kalletal

Kreis Lippe . Als sie im Frühjahr 2018 die Bäume auf dem Kirchberg in Kalletal pflanzten, ahnten sie nicht, was dann kommen würde. Etwa 35.000 Bäumchen – besondere Arten – kamen auf zehn Flächen in den Boden, um zu schauen, ob sie dem Klimawandel standhalten. &bdquo;Es war eine glückliche Fügung – oder eine unglückliche, wie man will –, dass sofort drei extreme Sommer folgten", berichtete Hans-Ulrich Braun, Chef der Forstabteilung beim Landesverband Lippe, am Freitag im Wald zwischen Langenholzhausen und Varenholz. Dort haben sich etwa 30 Forst-Fachleute aus ganz Europa die Versuchsflächen angeschaut. Und sahen, dass sich die jungen Bäumchen bislang erstaunlich gut geschlagen haben.

Die zugrundeliegenden Probleme sind allerorten zu besichtigen: große Flächen mit toten Fichten. &bdquo;Die Fichte im Wald hat sich erledigt", sagte denn auch Dr. Norbert Asche vom Landesbetrieb Wald und Holz, Partner des Landesverbands bei dem Projekt. Die Teilnehmer der Exkursion trieb alle die gleiche Frage um: Wie macht man den Wald zukunftsfest, wenn es wärmer und trockener wird?

&bdquo;Im Elsass haben wir ganz ähnliche Probleme", erzählte Pierre Grandadam, Ex-Bürgermeister der Gemeinde Plaine und früherer Chef der Fecof, des europäischen Verbands kommunaler Waldbesitzer. Mit Kollegen aus Deutschland, Spanien und Tschechien war er Teilnehmer einer Fachtagung beim Landesverband in Brake. Viele sind Förster, viele sind Bürgermeister, manche sind beides, sagte Landesverbandsvorsteher Jörg Düning-Gast. Vom Tagungssaal ging es raus in die Natur.

Versuchsflächen gebe es im Elsass ebenfalls, sagte Grandadam. Sie haben die Probleme mit der Trockenheit dort ebenfalls, wissen, was im lippischen Wald los ist, schließlich ist die Fichte auch in den Vogesen einer der dominierenden Bäume. &bdquo;Wir versuchen es jetzt aber mehr mit Eiche, Lärche und Zeder."

In Lippe sind es zehn Baumarten, denen die Fachleute Chancen einräumen, der Hitze und der Trockenheit zu trotzen, unter ihnen der aus Nordamerika stammende Mammutbaum, die Hemlocktanne, die Platane, die Küstentanne, die Atlaszeder, die Douglasie und die Esskastanie. Letztere gebe es im deutschen Wald seit den Römern, sagte Hans-Ulrich Braun. &bdquo;Die haben sie mitgebracht."

Der Wald der Zukunft Und damit war er schon mitten in einer Diskussion, die in die Versuche mit den Baumarten hineinspielt. Denn es sind nicht unbedingt heimische Bäume, die den Wald der Zukunft widerstandsfähig machen sollen. Und mancher sage, er wolle Exoten hier im Wald nicht haben, berichtete Asche. Deshalb spricht er ungern von fremden Arten, sondern lieber von standortgerechten. &bdquo;Wenn Sie es schaffen, solche Baumarten mit sieben bis acht Prozent in Ihre Wälder zu bekommen, haben sie viel erreicht", sagte Asche den Teilnehmern. Zumindest optisch dürfte die Douglasie da Vorteile haben: &bdquo;Sie sieht aus wie die Fichte."

Mischwald ist der Wald der Zukunft, meinen die Förster. Wo heute auf dem Kirchberg kleine Mammutbäume oder Esskastanien wachsen, gab es vorher Monokulturen. Die Flächen hatte der Landesverband für das Projekt roden lassen. Dass dort ausgerechnet Fichten standen, ist ein weiterer Zufall bei dem Projekt, das Revierförster Frank Homuth betreut. &bdquo;Sie wären sowieso abgestorben." Im Leistruper Wald gibt es eine zweite Versuchsfläche, im Sauerland hat der Landesbetrieb eine dritte.

Bei den Versuchen seien viele Faktoren zu berücksichtigen, berichteten die heimischen Fachleute den europäischen Waldexperten: Gibt es Wechselwirkungen zwischen den Bäumen? Welche Auswirkungen haben die Arten auf das Ökosystem, auf Tiere und andere Pflanzen? Es gelte, Erfahrungen zu sammeln, sagte Hans-Ulrich Braun. Und Düning-Gast betonte, das Projekt sei europaweit etwas Besonderes. So systematisch und in so großem Stil werde der Wald der Zukunft nur selten getestet. Dass der Bund das Projekt mit einer Millionensumme förderte, kam nicht von ungefähr, schließlich braucht die Wirtschaft den Rohstoff Holz.

Apropos: Neue Arten anzubauen, soll wirtschaftlich sein – ein weiterer Punkt. Denn zu berücksichtigen seien auch die Pflegekosten für die neuen Bäume, meinte Revierförster Homuth. Auf der anderen Seite geht es um die Speicherung von CO 2 , also um die Frage, wie viel davon die Baumart aufnehmen kann. Hier haben schnell wachsende Arten einen Vorteil.

Nebenbei gibt es in dem Projekt auch neue Erkenntnisse: &bdquo;Entgegen den Aussagen in den Lehrbüchern haben die Küstenmammutbäume in diesem Winter hier oben auf dem Kirchberg sogar die minus 20 Grad überstanden", berichtete Asche.

Von allen Arten tue sich die Platane am schwersten, sagte Homuth. Aber auch hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Denn Braun betonte, bei den Versuchen im Wald müsse man in langen Zeiträumen denken: &bdquo;So richtig wissen wir alles erst in 100 Jahren."

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