"Müllstreik": In einigen Rathäusern laufen die Telefone heiß

Kreis Lippe. Seit dem "Müllstreik" beim Entsorgungsunternehmen "PreZero" laufen in den Bürgerämtern der lippischen Kommunen die Telefone heiß. Die Reaktionen der Lipper schwanken zwischen Zorn über teils mehrfach verschobene Abholtermine oder gleich komplett ausfallende Papierabfuhren und der Verzweiflung über überquellende Rest- und Biomülltonnen. Derweil feiert die Fliege im Frühstadium den Sieg über die Nahrungsmittelreste - als Made. Und dann ist da noch die Fraktion der stillen Dulder, die die Misere erträgt. Vielleicht auch angesichts eines eigenen Komposts oder genügend Stauraum fürs Altpapier. Doch diese Stoiker hat Christoph Nölker nicht am Apparat.

Aufklärung tut Not

Stattdessen besteht die Arbeit seiner Bürgerberatung, der Lemgoer, momentan viel aus Aufklären und Beschwichtigen. "Der Informationsbedarf ist in der Tat hoch, weil wir ja alle Haushalte erreichen müssen." Denn: Nachdem in Lemgo der Biomüll wegen des Streiks der Müllwerker stehen geblieben war, "ist es nun das Wichtigste, dass der Kompostabfall als Nächstes abgefahren wird", sagt Nölker. Nahrungsmittelreste sind zeitkritisch, Papierstapel dagegen nicht.

Laut Abfuhrplan wäre - wegen Pfingsten ausnahmsweise jeweils einen Tag später - am Freitag und Samstag in Lemgo Papier dran. Ist es aber nicht, sondern die seit nun bis zu drei Wochen gärende Biotonne. "Die Verschiebung stand in der LZ und im Internet, sie kam im Radio - wir hoffen, dass alle informiert sind", betont der Chef der Bürgerberatung. Nicht ohne die Hoffnung, dass Nachbarschaftshilfe und Zaungespräche den Rest erledigen.

Beschwerden mischen sich währenddessen reichlich zwischen die üblichen Telefonate um Reisepässe, Grundbesitzabgaben und Kitagebühren, die die Bürgerberatung führen muss. In der Tat kursieren, nicht nur in Lemgo, in den sozialen Netzwerken Überlegungen der Lipper, die Müllgebühren anteilig zurückzufordern oder zurückzuhalten. Andere wiederum betonen das Streikrecht, das im Fall der Fälle wohl als höhere Gewalt gewertet würde.

Keine Chance, Gebühren zu kürzen

Ohnehin muss Christoph Nölker den "Gebührenkürzern" den Zahn ziehen: Durch die verschobenen Termine sei schließlich gewährleistet, dass der Müll abgeholt würde. "Er verschwindet ja nicht, er verschiebt sich nur." Dazu kommt: Ausgerechnet die blaue Tonne, die in Lemgo ein Mal ausfallen muss, kostet gar keine Gebühren für die Abholung. Klartext: Was man nicht bezahlt hat, kann man auch nicht zurückfordern.

Die Fraktion "Die Linke" schlägt dem Stadtrat in Lemgo trotzdem vor, auf der Internetseite der Stadt sogar ein Formular bereit zu stellen, mit dem die Bürger die Müllgebühr anteilig zurückfordern können. Die Linke meint: "Die Einwohner der Stadt sind nicht verantwortlich für die Blockadehaltung der Geschäftsführung von ,PreZero', die nach Ansicht der Fraktion verantwortlich sei für die Streiks. Mit den Beschäftigten des Müllentsorgers, die angesichts der Rekordinflation sieben Prozent mehr Lohnt forderten, erkläre man sich hingegen solidarisch, so Frank Redelberger, Linken-Mitglied im Lemgoer Stadtrat.

100 Nachfragen - meist sachlich-friedlich

Seines Wissens nach hole "PreZero" nur in Horn-Bad Meinberg auch Sperrmüll ab, sagt der städtische Pressesprecher Sebastian Vogt. Lästig für alle Bürger, die alte Tische, Fernseher und Lampen an die Straße gestellt hatten und das Zeug wieder 'reinschleppen mussten, weil der Streik so kurzfristig kam. Der Termin wurde dann am Dienstag nachgeholt. Überhaupt sei die Kommunikation der springende Punkt gewesen, sagt Voigt - nicht alle hätten den Müllstreik mitbekommen. Im Rathaus seien etwa 100 Nachfragen aufgelaufen, größtenteils sachlich-friedlicher Natur.

Die Möglichkeit, überschüssigen Müll einfach in den nächsten Tagen und Wochen der Tonne beizustellen, erlauben nicht alle Kommunen. Augustdorf macht es beim Bioabfall - und so den Reißtest, denn vorgeschrieben sind Papiertüten. In Dörentrup und Lage gilt das für Papier.

Seitenlader vs. Beistell-Pack

Warum nicht in allen Kommunen so? Die Antwort: Teils sind die Bezirke zu groß und daher personell und zeitlich auf Kante genäht. Außerdem macht der Einsatz von Seitenladern, den Müllfahrzeugen mit Hubarm an der rechten Seite, einen Strich durch die Rechnung: Hier müsste der Fahrer, der allein unterwegs ist, aussteigen, den Extra-Müll in die gerade geleerte Tonne packen und diese erneut kippen. Zeitlich der Todesstoß für jeden Dienstplan.

Geradezu die Qual der Wahl haben da die Dörentruper, die deswegen vermutlich auch gar nicht so zahlreich im Rathaus durchklingeln, wie Bürgermeister Friso Veldink bestätigt. Sie können entweder gebündelt Altpapier extra neben die Tonne stellen oder selbst bei Remondis in Humfeld oder an der Maibolte auf dem Rieperberg abgeben. Auch die Zwischenlagerung sei im ländlichen Dörentrup für die meisten kein Problem, so das Gemeindeoberhaupt mit Blick auf Gartenlauben und Garagen.

Für den Standort Detmold bestätigt "PreZero", dass bereits zahlreiche Bürger von der Möglichkeit der Altpapier-Abgabe am Betriebshof Gebrauch gemacht haben.

Viele lassen die Tonne einfach stehen

An Mutmaßungen, nicht in den Tonnen unterzubringender Müll, könnte nun vermehrt in der Landschaft landen, oder wild durcheinander geworfen werden, möchten sich die Bürgerämter nicht beteiligen. Bestätigen können sie allerdings, dass viele Bürger ihre Tonnen einfach an der Straße stehen gelassen haben. Ob aus Trotz oder aus Unsicherheit ... die Antwort ist so individuell wie der Hausmüll.

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