"Kinderklinik Detmold ist und bleibt voll handlungsfähig"

Kreis Lippe. Die Kinderklinik ist auch in Zeiten der Personalknappheit gut aufgestellt. Das betont ihr Chef, Professor Dr. Thomas Brune. Dass Leistungen wie die Betreuung von Risikoschwangerschaften, wie berichtet , zeitweise an andere Kliniken übertragen werden, sei ein normaler Vorgang. Im LZ-Gespräch nimmt Brune auch Stellung zur Stimmung in der Klinik - unter anderem Leserbriefschreiber beäugen diese immer wieder kritisch, und das "Aktionsbündnis Klinikum Lippe" stellt angesichts des Aus für die Unfallchirugie Lemgo die Glaubwürdigkeit des Geschäftsführer Dr. Johannes Hütte in Frage.

Krankenhäuser sind rappelvoll Hütte hatte diese Woche in der LZ - unabhängig von der Lemgo-Entscheidung - bei den Lippern um Verständnis für die Situation in den Krankenhäusern gebeten. Die Corona- und Infektionserkrankungen auch der Mitarbeiter seien hoch, viele Patienten hätten Arztbesuche pandemiebedingt verschoben, obendrauf fehle es an Personal. Konsequenz all dessen: Die Häuser in Detmold und Lemgo sind rappelvoll, unter anderem die Kinderklinik muss Leistungen einschränken. Thomas Brune stimmt Hütte zu: "Er stellt die Situation richtig dar. Niemand darf aber daraus den Schluss ziehen, die Kinderklinik sei nicht handlungsfähig. In der Nacht zu Donnerstag etwa haben wir extrem frühgeborene Zwillinge aus Paderborn hier entbunden." Die Kliniken seien eng vernetzt; auch die Herforder Kinderklinik sei in der ersten Juli-Woche ausgelastet gewesen. "Die Abmeldung von Intensiveinheiten ist ein normaler Vorgang."

Hohe Arbeitsbelastung Auch Brune, seit 2011 Chef der Kinderklinik, weiß um die hohe Arbeitsbelastung auf den Stationen, "und, da ich nicht nur Chefarzt, sondern auch Bürger des Kreises bin, kenne ich die Berichte über die Stimmung hier und möchte nicht verbergen, dass sie nicht gut ist. Dies ist aber wegen der Coronapandemie ein bundesweites Problem." Das Virus habe Lippe überdurchschnittlich getroffen , das Klinikum fahre seit Anfang 2020 unter Volllast, dazu komme etwa die Maskenpflicht, die Belastung durch den Neubau, die Uniklinik-Gründung und ein immenser Kostendruck. "Diese Belastungen müssen wir stemmen." Brune ist selbstkritisch: "Dass unter diesem Druck auch durch uns Vorgesetzte nicht immer der richtige Ton getroffen wird, ist mir klar, und dafür möchte ich mich entschuldigen."

Zur Personalknappheit in der Kinderklinik habe er mit Hütte vereinbart, künftig "auf kurzem Dienstweg unter Umgehung der üblichen Strukturen des öffentlichen Dienstes eng zusammenzuarbeiten, um die fehlenden Stellen ohne Zeitverlust wieder aufzufüllen". Es seien vier Stellen offen, dazu gebe es zwei neue im Zuge der universitären Ausrichtung. Brune ist sich des Rückhalts von Aufsichtsrats- und Gesellschafterversammlungschef Dr. Axel Lehmann sicher: "Er hat mir aus dem Urlaub gemailt, dass die Kinderklinik weiterhin jede Unterstützung bekommt."

Stets besondere Förderung genossen Die Kinderklinik habe immer eine besondere Förderung durch den Kreis genossen. "Insbesondere die Verzahnung der sozialpädiatrischen Strukturen ist ausgebaut worden, etwa zu den Jugendämtern oder zum Kreisgesundheitsamt. Das funktioniert hervorragend." So seien eine Kinderschutzambulanz etabliert und das Interdisziplinäre Frühförderzentrum in Betrieb genommen worden. "So konnten wir, auch dank der interdisziplinären Verzahnung, die Uni Bielefeld davon überzeugen, die Lehrstühle für Neonatologie und Frauenheilkunde/Geburtshilfe trotz starker Konkurrenz nach Detmold zu vergeben."

Ausdrücklich bedankt sich Brune bei jedem einzelnen Mitarbeiter für das Engagement und für die Unterstützung der Geschäftsführung und des Kreises. Dies sei auch deswegen wichtig, weil sich die gesundheitliche Situation von Kindern und Jugendlichen sei 2011 erheblich gewandelt habe. Infektionskrankheiten, schwere Behinderungen oder angeborene Fehlbildungen, die lange Zeit die Hauptaufgabe von Kinderärzten gebildet hätten, seien entscheidend zurückgegangen. Stattdessen sei die Zahl der Risikogeburten gestiegen - Gründe seien das steigende Alter der Mütter und Schwangerschaftsdiabetes. Außerdem sei die Zahl der psychosomatischen und psychischen Erkrankungen erheblich gestiegen. Eine Herausforderung für das Klinikum samt Kinder- und Jugendpsychiatrie. Doch Brune ist optimistisch: "Mit gemeinsamer Kraftanstrengung werden wir das aktuelle Tief überwinden."

Stellen werden bundesweit ausgeschrieben Kreiskämmerer Rainer Grabbe sagt als Vertreter des urlaubenden Landrates Dr. Axel Lehmann für den Klinik-Gesellschafter Kreis Lippe, der Ärtzemangel werde zurzeit für jedermann richtig deutlich. &bdquo;Und wir verlangen dem Personal und den Patienten in Coronazeiten viel ab.“ Ärztestellen würden bundesweit ausgeschrieben. Das Klinikum arbeite auf allerhöchsten Niveau, und da gehöre es sich, Schwierigkeiten wie zurzeit auf der Kinderklinik offen zu kommunizieren. &bdquo;Wir verschweigen nichts.“

Segen und Verpflichtung Kommentar von Martin Hostert

Viele Lipper sorgen sich nach dem Aus der Unfallchirurgie und der Orthopädie in Lemgo um die Versorgung im Nordlippischen, und der Engpass in der Familienklinik schlägt Wellen. Die vergangenen Tage und auch die nun schon zweieinhalb Corona-Jahre zeigen: Es ist das Klinikum der Lipper, es ist ihnen wichtig. Und der Kreis und die Gesundheitsstiftung wissen das, stecken viele Millionen Euro in die Häuser, weil vom Land zu wenig Geld für notwendige Investitionen nach Lippe fließt. Der Neubau in Detmold ist ein ganz aktueller Beleg dafür.Dass das Klinikum zu 100 Prozent in öffentlicher Hand ist, ist zweifellos ein Segen und wird von niemandem in Frage gestellt. Aber es ist auch eine Verpflichtung, nachvollziehbar zu handeln. Entscheidungen wie die, erst das Aus für die Abteilungen in Lemgo und wenige Tage später einen Jahresüberschuss von mehr als zwei Millionen Euro zu verkünden, sind nicht zu verstehen. Und augenscheinlich gibt es dieses Kommunikations-Defizit auch innerhalb des Hauses: Wenn der Chefarzt der Kinderklinik nun sagt, dass er und der Geschäftsführer in Zukunft enger zusammenarbeiten wollen, spricht das Bände. Das sollte unter solchen Führungskräften gerade in schwierigen Zeiten eigentlich selbstverständlich sein – und schadete der Außendarstellung und der Stimmung innerhalb des Hauses gewiss nicht.

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