Detmolder Fleischer Grämmel sieht Chancen für familiäre Betriebe

Detmold. Die Probleme mit dem Nachwuchs in vielen Handwerksberufen sind hinlänglich bekannt. 2022 legten in Lippe nur noch vier Fachkräfte die Gesellenprüfung zum Metzger ab. In Lippe ist der Detmolder Andreas Grämmel seit Juni Obermeister der Fleischer-Innung.

Er tauschte den Posten mit dem Schlänger Thorsten Schröder. Gerade mal drei Monate im Amt, sprach die LZ mit dem Fleischermeister aus Leidenschaft.

Das Handwerk hatte einst den sprichwörtlich goldenen Boden. Mittlerweile suchen diverse Branchen die neuen Azubis mit der Lupe. Es geht den Fleischereien kaum anders. Müssen Sie das Berufsbild moderner darstellen?

Andreas Grämmel: Durchaus. In den vergangenen 30 Jahren hat sich das Berufsbild in den frei wählbaren Fachrichtungen grundsätzlich geändert. Die erste Novelle kam bereits in den 80er Jahren. Ein Beispiel: Der Schlachtvorgang muss seit den 70er Jahren nicht mehr erlernt werden.

Worum geht es im Alltag?

Andreas Grämmel: Es geht mittlerweile um Feinarbeit, beispielsweise die Fleischstücke zum Grillen herrichten. Oder das Kochen für den Mittagstisch und im Partyservice die Wurst-Schinkenplatten fein belegen und dekorieren können. Zudem sollte man die aufkommende digitale Technik beherrschen. Sollte jemand also gern mit neuer Technologie umgehen wollen, dann wäre unser Beruf bestimmt ein interessantes Feld.

Die Karrierechancen sind also gut?

Andreas Grämmel: Sicherlich. Schulabgänger mit entsprechender Qualifikation können die Lehrzeit verkürzen. Das würde sich schon anbieten, wenn jemand auf einen Studienplatz wartet. Nach der Lehrzeit kann man sofort die Meisterprüfung anstreben, früher war das erst nach drei bis fünf Jahren möglich. Auch Fachverkäuferinnen können eine Verkaufsleiterprüfung absolvieren.

Und der Studiengang in Lemgo ist nicht weit

Andreas Grämmel: Ja, die Lebensmitteltechnologie an der Technischen Hochschule genießt mit der Fleischtechnologie einen erstklassigen Ruf.

Allerdings hat das Lehrjahr 2022 bereits begonnen

Andreas Grämmel: Ein Lehrvertrag ist sogar nach dem 1. August noch abschließbar.

Interessieren sich zumindest noch die Söhne und Töchter für die Übernahme der heimischen Fleischerei?

Andreas Grämmel: Klar, meine Schwester und ich haben uns dafür entschieden. Mein Schulpraktikum, alles lange her, absolvierte ich schon im Handwerk und entschied mich später dafür, Fleischer zu lernen.

Herr Grämmel, gleichzeitig ändert sich gerade die Esskultur in den Familien. Selbst große Konzerne wie die Rügenwalder Mühle bieten vegetarische Wurst an. Früher gehörte Fleisch täglich auf den klassischen Mittagstisch. Wie schätzen Sie die Trends der Zukunft ein?

Andreas Grämmel: Gegenfrage: Kocht noch jemand den klassischen Mittagstisch? Trends ändern sich alle paar Jahre, in den letzten Jahren ist das Grillen stark thematisiert worden. Wir haben eine Anzahl an Kunden, die sich spezielle Zuschnitte und Teilstücke wünschen.

Hat die Pandemie vielleicht auch die Sicht auf die Dinge verändert?

Andreas Grämmel: Das private Kochen hat einen ganz anderen Stellenwert bekommen. Es wird oft als Event in den Familien oder im Freundeskreis gesehen. Hier werden nicht selten aufwändige Gerichte zubereitet.

Und was kommt sonst noch auf den Verbraucher zu?

Andreas Grämmel: Ich empfehle weiter hochwertiges Fleisch. Neu entwickelt werden gerade sogenannte Hybrid-Würste. Das ist ein Anteil an magerem Fleisch, das um hochwertiges Gemüse ergänzt wird. Die ersten Versuche laufen, sicherlich eine interessante Alternative.

Etwas in den Fokus gerückt ist beim Verbraucher die Regionalität: Kurze Wege, Produkte, die nicht zehn Stunden im LKW lagen. Hilft das Bewusstsein des Verbrauchers dem Ladengeschäft in einer Metzgerei?

Andreas Grämmel: Ja. Es hilft. Kurze Wege sind immer hilfreich. Es spart Ressourcen, nicht nur Energie. Fleischerfachgeschäfte haben die Regionalität seit mehr als einem Jahrzehnt im Blick.

Gleichzeitig sorgen Preisexplosionen bei der Energie oder in der Logistikbranche für steigende Rohstoffkosten. Kunden schauen – nicht nur in Lippe – gleichermaßen auf den Preis? Machen Sie sich Gedanken, wo das enden soll, wenn der Strom wie auch der Futterweizen immer teurer werden?

Andreas Grämmel: Letzte Woche war ich erst auf einer Veranstaltung der Kreishandwerkerschaft. Fachleute prognostizieren einen Energiepreisanstieg um rund 40 Prozent. Vielleicht sogar mehr. Leider müssen alle Lebensmittelgewerke Energie lastig arbeiten, zudem kommt die Rohstoffverteuerung in allen Bereichen dazu. Verpackungen sind teurer. Ich finde beispielsweise, dass 50 Gramm Wurst nun wirklich nicht mehr aufwändig verpackt werden müssen.

Gibt es einen Lichtstreif am Horizont?

Andreas Grämmel: Allenfalls, wenn die Rind- und Schweinefleischnotierungen stark fallen.

Die großen Medien lancieren immer wieder die Meldung, dass das Interesse an Biofleisch steige. Merken Sie in Detmold oder auf Ihren Wochenmarktständen in Lage und Horn etwas von der Entwicklung?

Andreas Grämmel: Ja und Nein. Das Prinzip &bdquo;Bio“ ist natürlich sehr umfangreich. Vom Biofutter bis hin zu Biogewürzen. Aufwändige Zertifizierungen und auch steigende Kosten folgen – wie überall.

Automaten sind schwer in Mode. Direktvermarkter, lokale Metzger – alle Welt bietet Waren ohne Fleischereifachverkäuferin an. Ein Trend?

Andreas Grämmel: Ein Megatrend! Hauptargument ist natürlich die Abkoppelung von den Ladenöffnungszeiten. Fleischereifachgeschäfte haben nicht so lange Öffnungszeiten. Durch die Automaten können Erzeugnisse nach 18 Uhr und am Wochenende angeboten werden. Natürlich nicht das ganze Sortiment einer Theke, aber genug Auswahl, um eine Grillparty steigen zu lassen.

Also kein Nachteil für das Ladengeschäft?

Andreas Grämmel: Ich würde es als Entlastung für die Fachverkäuferinnen sehen. Sie müssen abends nicht mehr im Betrieb sein.

Andreas Grämmel persönlich Die Geschwister Alexandra und Andreas Grämmel haben in ihrem Betrieb in Detmold zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das Ladengeschäft ist eine Frauendomäne. In der Produktion arbeiten vorwiegend Männer. Neben dem Innenstadt nahen Standort an der Lageschen Straße tummelt man sich auch auf zwei Wochenmärkten in den Nachbarstädten Lage und Horn. Zudem produziere man für andere Unternehmen, Erzeugnisse nach Vorgaben.

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