Explodierende Energiepreise belasten Bäcker und Fleischer in OWL

Kreis Lippe. Die Stimmung war angespannt. Am vergangenen Donnerstag haben sich mehrere Bäcker- und Fleischermeister aus Lippe und dem Kreis Paderborn in den Räumen der Kreishandwerkerschaft mit den Grünen-Abgeordneten Julia Eisentraut und Robin Wagener getroffen. Die Handwerker schilderten den Abgeordneten ihre aktuelle Lage.

Steigende Material- und Energiekosten sowie die Erhöhung des Mindestlohns bringen die Betriebe ins Wanken. Ihre Botschaft gegenüber den Politikern war glasklar: Wenn jetzt nicht gehandelt wird, werden einige Betriebe schließen müssen.&bdquo;Uns interessiert Ihre Haltung", eröffnet Michael Lutter, der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Paderborn Lippe, das Gespräch. Die Bäcker und Fleischer seien die Gewerke, die über allen Maße von der aktuellen Preisentwicklung betroffen seien.

Insgesamt seien im Kreis rund 40 Bäcker- und 25 Fleischerunternehmen ansässig, fügt er hinzu. Die Vertreter der Grünen signalisierten gleich zu Beginn den politischen Willen, den energieintensiven Betrieben unter die Arme zugreifen. &bdquo;Die Absicherung der großen und kleinen Unternehmen, insbesondere in der Lebensmittelerzeugung, haben für uns hohe Priorität", bekräftigt der Bundestagsabgeordnete Robin Wagener.

Betriebe leiden unter Energiepreisen Derweil leiden die Betriebe schon jetzt unter den stark gestiegenen Preisen. &bdquo;In einem gut aufgestellten Betrieb betragen die Energiekosten eigentlich vier bis sechs Prozent des Umsatzes. Mittlerweile hat sich das verdoppelt" , berichtet Thorsten Schröder, Vorstandsmitglied der Kreishandwerkerschaft. Hinzu kommen die stark steigenden Materialkosten. &bdquo;Es ist noch nicht lange her, da habe ich für 100 Kilogramm Weizenmehl etwa 25 Euro bezahlt. Jetzt zahlen wir 60 Euro. Der gesamte Sektor ist für uns teurer geworden", betont Obermeister Bernd Austerschmidt aus dem Innungsbezirk Kreis Paderborn. &bdquo;Wenn wir die aktuellen Zahlen mal spielen, dann macht ein Musterbetrieb, der zuletzt noch 300.000 Euro Umsatz gemacht hat, im nächsten Jahr rund 500.000 Euro minus", berichtet Bäckermeister Carsten Jüde aus Hövelhof.

Entlastungspaket greift nicht bei Sonderverträgen der Bäcker Hinzu komme, dass die in den geplanten Entlastungspacketen vorgesehene Strompreisbremse, laut den Bäckern, bei ihnen nicht greife. &bdquo;Diese Strompreisbremse hilft uns nicht, da zum Beispiel wir Bäcker gesonderte Verträge mit den Versorgern haben", erklärt Kreishandwerksmeister Mickel Biere. Hier würde man teilweise eine Verzehnfachung der Preise sehen, so Biere. Darüber hinaus hätten diese Verträge eine maximale Laufzeit von drei Jahren, weiß Jüde.

&bdquo;Wer jetzt seine Energieverträge neu verhandelt, bekommt unter Umständen keine neuen Verträge von den Versorgern angeboten. Die betroffenen Betriebe müssen dann ihre Energie am Spotmarkt kaufen. Dort liegen die Preise noch einmal höher", berichtet Jüde weiter.Mit den Sorgen der energieintensiven Gewerken konfrontiert, fragten die Abgeordneten die Anwesenden nach konkreten Lösungen. &bdquo;Was braucht es, Ihrer Meinung nach, für Entlastungen?", fragte die Landtagsabgeordnete Eisentraut in die Runde. &bdquo;Einen Energiepreisdeckel, der auch für kleine und mittelständische Unternehmen greift", entgegnet Austerschmidt sofort.

Darüber hinaus müsse es &bdquo;schnellstmögliche Lösungen" geben, so Biere. Beide Abgeordnete versprachen, die Forderungen mit in die Fraktionen und in die Verhandlungen um die Entlastungen zu nehmen.

CDU kritisiert das Handeln der Ampelregierung In der Diskussion rund um die steigenden Energiepreise und den entsprechenden Entlastungen zeigt sich, dass die Regierungsparteien nicht mit einer Stimme sprechen. Eine Gemengelage, die der CDU sauer aufstößt.

So appellierte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Robin Wagener in seinem Gespräch bei der Kreishandwerkerschaft an die Handwerksmeister auch auf die Vertreter anderer Parteien aus dem Bundestag zuzugehen. &bdquo;Das ist jetzt eine bewusst grüne Sicht. Wir haben momentan eine außergewöhnliche Haushaltssituation. Eine Lockerung der Schuldenbremse ist hier unbedingt notwendig. Die nötigen Entlastungsmaßnahmen sind sonst nicht stemmbar", sagt Wagener.

So hätte, laut Wagener, beispielsweise die Rettung der Gasunternehmen anders finanziert werden können. Leider sähen das nicht alle Politiker so, ergänzt er.Auch wenn Wagner es nicht explizit sagte, ist klar, wer gemeint ist. Seit Beginn der Debatte um die Entlastungspakete pocht die FDP auf die Einhaltung der Schuldenbremse. Zuletzt verteidigte der Finanzminister Christian Lindner selbst diese Position in einem Interview mit der &bdquo;Tagesschau". Der lippische FDP-Bundestagsabgeordnete Christian Sauter gibt zu bedenken, dass die Gestaltung der Gasumlage ein Vorschlag des Bundeswirtschaftsministers gewesen wäre. Darüber hinaus bekräftigt er ebenfalls die Position der FDP.

&bdquo;'Anders ' finanziert meint hier eine Haushaltsfinanzierung. Eine Haushaltsfinanzierung bedeutet aber nicht, dass dann die Kosten nicht vorhanden wären. Sie würden dann von den Gas-Kunden auf die Steuerzahler verschoben", so Sauter . Dies stehe aber mit Einhaltung der Schuldenbremse im Konflikt. &bdquo;Die Schuldenbremse steht im Grundgesetz und ich stehe zur Einhaltung der Schuldenbremse", betont Sauter weiter.

Die Folge weiterer Schulden wären voraussichtlich Steuererhöhungen, so der FDPler. Insgesamt betrachtet bleibe aber auch für ihn die jetzige Version der Gasumlage zweifelhaft. Hier müsse der Wirtschaftsminister dringend nachschärfen, sagt Sauter.

Wirtschaftsfaktor mit Innovationsfähigkeit Die öffentliche Auseinandersetzung der Ampel stößt bei der Opposition sauer auf. Es wird befürchtet, dass die Regierung Zeit verspielt. &bdquo;Hier wurde und wird eine Menge Zeit verschwendet, die die Handwerksbetriebe aber nicht haben. Die Betriebe nicht, ihre Mitarbeiter nicht, ihre Zulieferer nicht, wir alle nicht", betont die CDU Bundestagsabgeordnete Kerstin Vieregge. Darüber hinaus bemängelt sie, dass die Ampel zu wenig tue und das Handwerk vernachlässige. &bdquo;Der Mittelstand fällt aus meiner Sicht völlig durchs Raster.

Gerade das Handwerk ist ein immenser Wirtschaftsfaktor, der sich vor allem durch Leidenschaft, Innovationsfreude und -fähigkeit auszeichnet. Statt gelebter Wertschätzung scheint die Ampel auf diesem Auge blind", so Vieregge.Konkret fordert Vieregge eine Rücknahme der Gasumlage und unbürokratische Soforthilfe für betroffene Betriebe.

Dies beinhalte laut der Abgeordneten eine Senkung der Stromsteuer auf das EU-weit zulässige Mindestmaß, sowie die Mehrwertsteuersenkung für Energie und Kraftstoffe. Darüber hinaus schließt sie sich der Forderung des Spitzenkandidaten der niedersächsischen CDU Bernd Althusmann an, der ein Hilfsprogramm fordert, welches betroffene Unternehmen Zuschüsse von bis zu 500.000 Euro gewähren soll.

"Die Ampel kleckert statt zu klotzen" Ein Kommentar von Philipp Kersten

Die über Jahrzehnte verkorkste Energiepolitik hat uns eingeholt. Durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine schnellen die Energiepreise nach oben und sorgen für einen Nachfrageschock. Handwerksbetriebe wie Bäcker oder Fleischer müssten eigentlich die Mehrkosten an ihre Kunden weitergeben. Doch die sehen sich selbst mit einem realen Lohnverlust und saftigen Nebenkostenabrechnungen konfrontiert. Und wer sich zwischen dem Heizen und den frischen Brötchen entscheiden muss, greift dann eben zu billigen Aufbackbrötchen.

Ein Teufelskreis: Die Kaufkraft schwindet und die, die mehr denn je auf eine kauffreudige und kaufkräftige Kundschaft angewiesen sind, müssen um ihre Existenz bangen. Währenddessen verfängt sich die Ampel im Kleinklein. Ein ganzer Maßnahmen-Dschungel, inklusive des Chaos bei der Gasumlage, lässt jeden außerhalb der Berliner Politikblase den Durchblick verlieren.

Unterm Strich brüstet sich die Ampel jetzt mit den insgesamt 95 Milliarden schweren Entlastungspaketen. Dabei stößt das Wort &bdquo;Entlastung" besonders bitter auf. Denn was die Ampel bei dem ganzen Schulterklopfen unter den Tisch fallen lässt ist, dass gerade der Staat in Inflationszeiten ordentliche &bdquo;Übergewinne" einfährt. Allein im ersten Halbjahr vermeldete das Bundesfinanzministerium ein Plus von 17,5 Prozent bei den Steuereinnahmen. Sowohl die Linke als auch die CDU gehen davon aus, dass der Staat in diesem Jahr allein durch die Mehrwertsteuer 50 bis 60 Milliarden Euro Mehreinnahmen einstreichen wird.

Mit anderen Worten: Die Ampel betreibt ein Nullsummenspiel, indem sie in den Entlastungspaketen nur das ausgleicht, was sie krisenbedingt mehr eingenommen hat. Am Ende fehlen so die nötigen Mittel, um betroffene Bürger und Betriebe zu unterstützen. Zielgerichtete, schnelle und wirksame Entlastungsmaßnahmen sehen anders aus.

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