Von Rotorblatt erschlagen? Spaziergänger entdeckt toten Rotmilan an Detmolder Windrad

Kreis Lippe/ Detmold. Heinz Walter (76) liebt es, mit seinem Kleinen Münsterländer Frodo durch die Weiten und das satte Grün am Windpark Nienhagen zu spazieren. Er fährt dafür extra aus dem benachbarten Hörste mit dem Auto her. Bei einer Gassirunde vergangenen Donnerstag hat der Rentner allerdings einen grausigen Fund gemacht. Ein toter Rotmilan liegt direkt an einem der gigantischen Windräder im hohen Gras. Die Vermutung liegt nahe: Der tote Greifvogel könnte ein so genanntes "Schlagopfer" sein. Nicht mal den Kopf des Tieres kann der Spaziergänger entdecken, sagt er. "Es kann sein, dass er abgeschlagen wurde."

Ganz sicher kann sich Heinz Walter nicht sein, er fasst das tote Tier nicht an und hat die mutmaßliche Todesszene selbst nicht beobachtet. Er fotografiert das Tier mit den ausgebreiteten Flügeln aber, ruft beim Naturschutzbund Lippe an und informiert daraufhin die Umweltschutzbehörde des Kreises Lippe. "Es war ein richtiger Schock, als ich den Rotmilan da liegen sah", sagt Walter. "Diese Vögel kann man doch so wunderbar in der Luft beobachten." Genau dieser Schock ist es auch, der ihn veranlasst, seinen Fund öffentlich zu machen.

Klima- und Artenschutz kollidieren miteinander "Offenbar prallen hier zwei Welten, Klima- und Artenschutz, aufeinander", sagt der ehemalige Lehrer. "Und die können offenbar nicht ohne Konflikte existieren." Genau diese Diskrepanzen müsse man offen ansprechen und aushalten können. Er selbst sei kein Windkraftgegner, stellt er klar. Im Gegenteil: Aus seiner Sicht liegt hier die Zukunft erneuerbarer Energien. Allerdings dürfe das Gefahrenpotenzial für Greifvögel nicht einfach verschwiegen werden.

Vier Tage nach seinem Fund liegen nur noch zwei Federn im Gras am Windrad, der Kadaver ist längst weg. Der Kreis Lippe hat den toten Vogel nach dem Hinweis eingesammelt und noch am Freitag an das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt Ostwestfalen-Lippe (CVUA) in Detmold übergeben. Hier wird der Kadaver nach Knochenbrüchen und Mageninhalt untersucht, teilt Karolina Schmidt von der Pressestelle des Kreises mit. Die Todesursache stehe noch nicht fest.

Vereinzelt habe das Umweltamt des Kreis Lippe in den vergangen Jahren "Meldungen zu toten Rotmilanen" bekommen. Manche Fälle gingen auf Vergiftungen durch Mäuse zurück, die selbst Nagetiergift gefressen hätten, andere Rotmilane verendeten durch die Kollision mit Fahrzeugen. "Trotz aller Prüfungen und Ausgleichsmaßnahmen kann jedoch auch eine vereinzelte Kollision mit Windenergieanlagen nicht 100-prozentig verhindert werden", heißt es vom Kreis. Eine Statistik dazu gibt es nicht.

Grundstückbesitzer spricht von zwei Fällen in 15 Jahren Reiterhofbesitzer Martin Akemeier, der das Land besitzt, auf dem die Windkraftanlagen stehen, hat erst im Nachhinein von dem Fund des toten Rotmilans erfahren und das Tier selbst nicht mehr gesehen. Er bedauert den Verlust, allerdings seien diese Vorfälle äußerst selten. Seit dem Jahr 2008 gebe es den Windpark, seitdem seien ein toter Bussard und jetzt der tote Rotmilan in unmittelbarer Nähe eines der vier Windräder gefunden worden. "Diese toten Tiere sind nicht zu leugnen, allerdings ist in 15 Jahren kaum etwas passiert", sagt Akemeier. Oft seien seine Pensionspferde auf der Strecke unterwegs, Reiterinnen und Reiter kämen daher regelmäßig an den Anlagen vorbei und würden viel mitbekommen.

Wer einen toten oder schwer verletzten Greifvogel an einem Windkraftanlage entdeckt, kann generell über die Polizei den zuständigen Jagdpächter informieren, der dann rausfährt, rät Akemeier. Die Polizei bestätigt das. "Wenn das Tier akut leidet, kümmern wir uns auch direkt", sagt Polizeisprecher Yannick Thelaner. Ansonsten habe die Polizei eine Übersicht der für die jeweiligen Gebiete zuständigen Jagdpächter. Verletzte Greifvögel, wie etwa Rotmilane, würden dann auch auf der Adlerwarte Berlebeck aufgepäppelt.

Allerdings überlebten Schlagopfer von Rotorblättern eher selten, sagt der langjährige Falkner und ehemalige Adlerwartenleiter Klaus Hansen, der jetzt als lippischer CDU-Landtagsabgeordneter im Umweltausschuss sitzt. Windräder seien für alle Greifvogelarten gefährlich, die auf mittlerere Höhe unterwegs seien, dazu zähle auch der Rotmilan. "Schlagopfer findet man allerdings selten", sagt Hansen. Nicht etwa, weil sie nicht existierten. "Das liegt daran, dass der Fuchs diese Anlagen kennt und als Nahrungsstrecke abläuft."

Studien könnten Rotoren-Unfälle mit Rotmilanen sichtbar machen 80 Prozent der weltweiten Rotmilan-Population ist in Deutschland zu finden, sagt Hansen. Da Ostwestfalen-Lippe hierzulande zu den zweitgrößten Verbreitungsgebieten zählte, müsse ihr Artenschutz aus Falknersicht besonders groß geschrieben werden. Es könnte beispielsweise helfen, eine Studie umzusetzen, bei der Windräder eingezäunt und somit Schlagopfer statistisch verlässlich erfasst werden könnten. "Windkraftenergie ist wichtig, aber natürlich darf der Artenschutz dabei nicht auf der Strecke bleiben", sagt Hansen.

Eine wachsame und vor allem offene Diskussion, um die beiden Welten gleichermaßen zu berücksichtigen, wünscht sich auch Heinz Walter aus Hörste. Der Tod des "herrlichen Greifvogels" hat ihn erschüttert, sagt er. Der Windparkbetreiber Dunoair selbst hat von dem Fund bisher nichts mitbekommen.

Auf Anfrage heißt es vom Unternehmen, dass seit dem Start des Windparks 2008 "keine derartigen Meldungen" eingegangen seien. Zu eventuellen Artenschutz-Maßnahmen gebe es darüber hinaus keine Auflagen im Bundes-Immissionsschutzgesetz.

Von Rotorblatt erschlagen? Spaziergänger entdeckt toten Rotmilan an Detmolder Windrad

Mehrere tote Füchse und andere Tiere im Dörentruper Wald gefunden - was steckt dahinter?

Windräder-Streit: Ex-Chef der Adlerwarte wirft Detmolds Bürgermeister Amtsmissbrauch vor

Naturschützer kritisieren Windrad-Genehmigung im Kreis Lippe

Windpark an der Gauseköte: Westfalenwind verteidigt Pläne

Toter Wal auf unbewohnter Nordseeinsel entdeckt

Der Detmolder Rat muss das Okay für ein weiteres Windrad auf der Gauseköte geben

Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Weiterlesen mit LZplus

0,99 € im ersten Monat

Angebot: Jahresabo nur 99 €