Verbandspräsident: „Mietwohnungen will derzeit keiner bauen“

Kreis Lippe. Er kommt am Montag nach Detmold, um dem örtlichen Verein angesichts seines 75-jährigen Bestehens zu gratulieren und die Festrede zu halten. Im Vorfeld sprach die LZ mit dem Chef des Verbands, in dem 867 Vereine in ganz Deutschland vertreten sind.

Herr Dr. Warnecke, warum sollte ich als Eigentümerin eines Wohnhauses eigentlich einem Haus&Grund-Verein beitreten?

Dr. Kai Warnecke: Wenn ich hier oder da Beratung haben möchte, beispielsweise bei einer energetischen Sanierung meines Hauses, oder wenn ich Informationen zur Wärmeplanung meiner Gemeinde oder Tipps zu Rechtsfragen erhalten möchte, dann bekomme ich hier Rat. Wir haben uns beispielsweise für ein vernünftiges Konzept für die Grundsteuer eingesetzt und haben Musterklagen angestrengt.

Was kostet mich denn die Mitgliedschaft?

Dr. Kai Warnecke: Wir sind basisdemokratisch aufgestellt, das ist von Verein zu Verein verschieden. Zwischen 60 und 120 Euro pro Jahr je nach Größe und Serviceangebot müssen Sie wohl rechnen.

Der Detmolder Verein wird jetzt 75 Jahre alt. Wie hat denn alles angefangen?

Dr. Kai Warnecke: Oh, die ältesten Vereine blicken bereits auf eine 200-jährige Geschichte zurück. Die meisten wurden vor 125 Jahren gegründet, und einige, so wie der Detmolder Ortsverein, vor 75 Jahren. Das war nach dem Zweiten Weltkrieg, als überall große Wohnungsnot herrschte.

Wenn man sich heute die Schlagzeilen anschaut, ist allerorten wieder die Rede von Wohnungsnot. Kann man wirklich davon sprechen?

Dr. Kai Warnecke: Nein, so weit würde ich nicht gehen. Zugegebenermaßen haben wir nicht immer bezahlbaren Mietwohnraum dort, wo manche sich das wünschen. Dabei haben wir einen stetig wachsenden Flächenverbrauch pro Kopf. In manchen Bereichen ist es wirklich mitunter schwierig, günstigen Neuwohnraum zu bekommen.

Ja, es heißt, die Mieten werden immer unbezahlbarer. Wie sehen Sie das?

Dr. Kai Warnecke: Ich sage ihnen mal eine Zahl: Zwischen 2015 und 2020 sind die Löhne in Lippe um 7,9 Prozent gestiegen, also stärker als die Mieten im Bestand. Die Mieten im Kreis Lippe sind also bezahlbarer geworden.

Aber anscheinend gibt es tatsächlich zu wenig Mietwohnungen. Mir hat schon vor zwei Jahren ein Investor erzählt, dass sich der Neubau von Mietwohnungen praktisch gar nicht für ihn rechnet, weil er niemals die erhoffte Rendite bekäme.

Dr. Kai Warnecke: Das Hauptproblem ist zur Zeit das vollkommen einbrechende Bauwesen. Wenn ein Bauherr die Kosten reinbekommen will, müsste er auch hier zwischen 18 und 20 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter nehmen, und da würde er noch nicht mal was dran verdienen. Wir sind nun mal in einer Marktwirtschaft unterwegs.

Was müsste Ihrer Meinung nach passieren, um diese Schieflage zu ändern?

Dr. Kai Warnecke: Es gibt Dutzende von Stellschrauben, wir haben im Rahmen des Bündnisses bezahlbarer Wohnraum 187 Punkte dazu aufgelistet. Ich sage Ihnen nur einige wenige.

Die da wären?

Dr. Kai Warnecke: Erstens, mit Blick auf junge Familien: Man müsste ihnen für die erste selbst genutzte Wohnung die Grunderwerbssteuer erlassen. Diese Steuer verteuert und verhindert, dass sie ein Eigenheim bauen.

Und was wäre zweitens?

Dr. Kai Warnecke: Der Baulandmangel in den Ballungszentren. Wir haben dort extrem hohe Grundstückspreise, und die Kommunen weisen dort keine Baugebiete mehr aus. Stattdessen gehen größere Areale an einen Großinvestor, der dann 200 oder 300 Wohnungen dahin setzt.

Aber wir sind hier ja in einem sehr ländlichen Raum.

Dr. Kai Warnecke: Auf dem Land möchten viele gern ihren Wohntraum verwirklichen und neu bauen. Das führt aber dazu, dass die Dorfkerne ausbluten. Wir haben dann den sogenannten Donut-Effekt, die innerdörflichen Bereiche sterben. Es müsste eine bessere Stärkung der Dorfkerne geben.

Was kann da so ein Verein wie Haus&Grund tun?

Dr. Kai Warnecke: Wir versuchen, den Generationenwechsel zu begleiten, bei der Generalsanierung zu helfen, damit die nächste Generation folgen kann. Dieser Übergang muss rechtssicher vonstattengehen, hier stehen wir beratend zur Seite. Denn für viele Menschen ist die Immobilie ja auch eine Altersvorsorge.

Nun sind unter Ihren Mitgliedern ja auch diverse Vermieter. Sie setzen sich laut Ihrer Internetseite für ein harmonisches Miteinander mit dem Mieter ein, aber in den Medien werden ja häufig Fälle von Messietum gezeigt. Ist das Problem wirklich so groß wie mitunter suggeriert?

Dr. Kai Warnecke: Also, vor 50 Jahren gab es sicher ganz generell eine andere Mentalität beim Umgang mit fremdem Eigentum. Erfahrungsgemäß kommen solche Fälle von Verwahrlosungen eher nicht in den Ballungszentren vor, weil die Leute kaum Chancen haben, eine alternative Wohnung zu finden. Das ist im ländlichen Raum, wo jemand ganz schnell was anderes findet und verschwindet, häufiger der Fall.

Apropos Verwahrlosung: Da gibt es ja auch hier in Lippe die Fälle dieser großen Wohnblocks, um die sich kein Mensch kümmert, ganz egal, ob der Schimmel grassiert oder die Heizung ausfällt. Wie sehen Sie dieses Problem?

Dr. Kai Warnecke: Ja, das ist wirklich schlimm. Diese Einheiten sind häufig in der Hand von Fondsgesellschaften, denen nicht nur die Häuser, sondern auch die Mieter und erst recht die Kommune vollkommen egal sind. Sie kaufen die Blöcke nur als Spekulationsobjekte, und die Eigentümer sind irgendwo im Ausland. Die Globalisierung des Mietwohnungsbestandes ist ein echtes Problem, weil sich leider auch die Gesetze an diesen Extremfällen ausrichten.

Kommen wir mal auf die Zukunft zu sprechen: Was wird den Hauseigentümern und damit auch den Haus&Grund-Vereinen als nächstes ins Haus stehen?

Dr . Kai Warnecke: Fürs nächste Jahr steht erst einmal das Gebäudeenergiegesetz an. Und es wird um die kommunale Wärmeplanung gehen. Das ist für die Hauseigentümer wichtig, um zu wissen, welche Maßnahmen für sie wichtig sind. Es ist hochspannend, weil es natürlich auch um die Förderfrage geht. Außerdem geht es um die Grundsteuer. Da kommen bald die Bescheide, und dann werden in den Kommunen die Hebesätze fällig. Wir sind ja immer noch der Ansicht, dass dieses Modell in NRW nicht verfassungskonform ist, das muss sich noch entscheiden.

Persönlich Kai Warnecke verbrachte Kindheit und Schulzeit in Großburgwedel (Niedersachsen). Nach dem Wehrdienst in Hannover studierte er Rechtswissenschaften in Passau, Kiel und Glasgow. Er ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern. Bei Haus&Grund hat der Jurist zunächst von 2003 an zehn Jahre als Referent und Geschäftsführer, und von 2013 bis 2016 als Hauptgeschäftsführer von Haus & Grund Deutschland gearbeitet. Seit 2016 arbeitet er als Präsident des Verbandes.

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