Sexuelle Belästigung: Psychisch Kranker greift junge Pflegekraft in Horn-Bad Meinberg an

Horn-Bad Meinberg/Detmold. Den Übergriff aufzuarbeiten, hat ihr sehr zugesetzt, gibt die junge Frau im Sitzungssaal 165 zu. Heute, etwa anderthalb Jahre später, ist der Zeugin der Schmerz von damals gar nicht mehr anzumerken. Sie wirkt selbstbewusst, schildert den Vorfall ruhig und abgeklärt. Doch dahinter steckt ein schwieriger Leidensweg, der sie verändert habe. Der Täter selbst ist psychisch krank und wird am Ende vor dem Landgericht Detmold von allen Taten freigesprochen. Freiheit bedeutet das für ihn dennoch nicht. Er muss dauerhaft in die Psychiatrie.

&bdquo;Ich war lange krankgeschrieben, ein halbes Jahr hat meine Therapeutin versucht, das Ganze mit mir aufzudröseln“, sagt die inzwischen 24-jährige Pflegekraft am Montagmorgen vor Gericht. Im September 2022 hatte der angeklagte Bewohner einer Wohnstätte für psychisch Erkrankte in Horn-Bad Meinberg nach einem als wahnhaft beschriebenen Anfall seine Betreuerin während des Nachtdienstes unvermittelt angegriffen, als sie gerade seine Tabletten holen wollte - und sie sexuell belästigt.

Der Angeklagte verfolgte die junge Frau, bedrängte sie körperlich und drückte sie gegen eine Wand. &bdquo;Schlaf mit mir, Baby“, soll er gesagt haben, ihr unters T-Shirt gefasst und sie auf der nackten Haut berührt haben. Irgendwann habe sich die Zeugin unter großem Kraftaufwand lösen, ihn wegstoßen und sich im Dienstzimmer einschließen können. &bdquo;Ich hatte Angst vor ihm.“

Polizei kann laut Zeugin nichts tun Die Polizei habe ihn damals nicht mitnehmen können, dafür wäre &bdquo;zu wenig“ passiert, den Nachtdienst zog die Pflegekraft noch alleine durch, sagt sie vor Gericht. &bdquo;Danach habe ich gekündigt.“ Die 24-Jährige habe nicht mehr mit dem Angreifer im Haus arbeiten können und ihrem Arbeitgeber daher ein Ultimatum gestellt. Die Wohnstätte selbst habe dem Bewohner aber auch nicht sein Zuhause wegnehmen können.

Mit dem Übergriff sei ihre persönliche Grenze überschritten worden, sagt die Pflegekraft im Zeugenstand. Deshalb habe sie den an einer schizophrenen Psychose erkrankten Mann direkt anzeigt. Dass er die Betreuerin in besagter Nacht bedrängt hatte, gibt der Angeklagte vor der Großen Strafkammer bereitwillig zu. &bdquo;Das tut mir leid, was ich ihr angetan habe“, sagt er. &bdquo;Das war nicht ich selbst, ich wollte das nicht.“ Die zwei weiteren angeklagten Taten räumt er ebenfalls ein. Er soll später Mitarbeitende des Gemeindepsychiatrischen Zentrums (GPZ) in Detmold bespuckt haben. Es sei öfter zu solchen Vorfällen gekommen, sobald sich der Angeklagte &bdquo;unwohl“ oder in die &bdquo;Ecke gedrängt“ gefühlt habe.

Laut Landgerichtssprecher Dr. Wolfram Wormuth geht der psychiatrische Gutachter Michael Hintersdorf davon aus, dass der 38-Jährige wegen seiner psychischen Erkrankung während aller Taten vermindert schuldfähig war, wenn nicht sogar überhaupt nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen sei. Die Große Strafkammer unter dem Vorsitz von Richter Karsten Niemeyer spricht den 38-Jährigen daher laut Wormuth am Ende des Prozesstages in allen Anklagepunkten frei und ordnet darüber hinaus an, ihn dauerhaft in einer geschlossenen Psychiatrie unterzubringen. Damit stimmen auch Staatsanwältin Aleida Tappe und Verteidigerin Christina Nesemeier überein.

Vater als gesetzlicher Betreuer ratlos Am Ende ist die offizielle Anordnung des Gerichts vielleicht das Einzige, was dem psychisch erkrankten 38-Jährigen noch helfen kann. Sein Vater schildert als sein gesetzlicher Betreuer vor Gericht, er habe trotz aller Bemühungen bisher keine Einrichtung in der Nähe finden können, die seinen psychisch und inzwischen auch körperlich erkrankten Sohn aufnehmen könnten. Momentan sei er nach einer Reha im GPZ untergebracht. Da könne er aber nicht dauerhaft leben.

Nach einem Zusammenbruch im August 2023 samt Herzstillstand und Koma ist der 38-Jährige inzwischen auf den Rollstuhl angewiesen. Er kann kaum noch laufen, seine Sprache ist undeutlich. &bdquo;Den meisten Einrichtungen ist der pflegerische Aufwand zu viel, sie können ihn nicht leisten“, sagt der Vater. Sein Sohn wolle aber in der Nähe bleiben, weil die Eltern seine einzigen sozialen Kontakte seien. Mit der Entscheidung des Landgerichts könnte nun etwas Dampf dahinter kommen, nicht zuletzt, da alle Prozessbeteiligten sich einig sind.

&bdquo;Sollte das Urteil jetzt bald rechtskräftig werden und davon ist auszugehen, wird er wahrscheinlich recht schnell einen Platz in einer forensischen Psychiatrie bekommen“, erklärt der Landgerichtssprecher. Mit einer Anordnung des Gerichts könne ihn keiner mehr ablehnen.

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