Wie Azubis aus Kamerun helfen, etwas gegen den Pflegenotstand zu tun

Kreis Lippe. Ihr Deutsch ist sehr gut, ein Wort ist ihnen allerdings fremd: Heimweh. Davon könne nicht die Rede sein, beteuern Grace-Ingrid Kameni und Jean-Baptiste Ongolo. Dabei leben ihre Familien satte 5000 Kilometer entfernt: in Kamerun. Von dort sind die beiden 26-Jährigen mit zwei weiteren Landsleuten vor wenigen Monaten nach Lippe aufgebrochen, um eine Ausbildung zur Pflegefachkraft bei der AWO zu beginnen. Die LZ berichtete und fragte nun nach, wie es ihnen denn so gefalle und welche Erfahrungen die AWO gemacht hat.

Ein breites, freundliches Lächeln ist die spontane Antwort: &bdquo;Ich fühle mich sehr wohl“, sagt Grace-Ingrid Kameni. Die Menschen seien sehr nett, der erste Eindruck sei &bdquo;begeisternd.“ Nach den einführenden Unterrichtswochen hat sie die ersten Praxiswochen hinter sich. &bdquo;Seit dem 17. Juni“, erklärt sie genauer. &bdquo;Und alle sind sehr freundlich. Dabei hatte ich erst ein wenig Angst.“ Wovor denn? Vor der Pflegearbeit mit fremden Menschen in einem fremden Land? &bdquo;Nein“, sagt die junge Frau, &bdquo;dass meine Sprache nicht gut genug ist. Vor Missverständnissen.“ Die Arbeit sei zwar ein bisschen anders als zuhause, aber sie mache ihr große Freude, und die Kollegen seien nett. Ongolo erzählt davon, in Lage ab und zu ein wenig Fußball zu spielen, will das intensivieren. Anscheinend kann er ein bisschen kicken: &bdquo;Sie nennen mich Mbappé“, erzählt er und lacht von ganzem Herzen.

AWO zieht Personalberater hinzu In Lippe gelandet sind die beiden ein wenig durch Zufall; in den Lehrbüchern, die sie in der Heimat gewälzt hatten, um das Deutsch-B2-Level zu schaffen, war vom Kölner Dom die Rede, auch von anderen Sehenswürdigkeiten in NRW. &bdquo;Ich wollte alles darüber lesen, alles sehen“, sagt die junge Frau – und gab im Stellenportal der AWO &bdquo;Nordrhein-Westfalen“ als gewünschten Arbeitsort an. Bei Ongolo war es ähnlich. Jens Schickel, stellvertretender Geschäftsführer des AWO-Kreisverbandes Lippe, entdeckte die vier Bewerbungen – und schaltete Dr. Bertrand Toumi ein, der eine Personalberatung in Lage führt und Unternehmen aus der Region und Fachkräfte aus dem Nicht-EU-Ausland zusammenbringt. &bdquo;Ich begleite Bewerbungen dieser Art von vorne bis hinten“, erklärt er. Sortiert erste Bewerbungen aus, verifiziert offizielle Dokumente, überprüft die Sprachschulen, die das B2-Zertifikat ausgestellt haben. Kommuniziert mit den Konsulaten, beantragt Visa, regelt Dinge mit dem Ausländeramt oder der Agentur für Arbeit. Er hat schon reichlich Erfahrung: &bdquo;Gefälschte Zeugnisse erkenne ich sofort.“

Für die AWO war es ein Muss, Dr. Toumi einzuschalten. &bdquo;Wir wollen zum Beispiel ausschließen, dass Schleuserbanden gefälschte Bewerbungen ins Portal einstellen“, sagt Schickel, entsprechendes finde die AWO bundesweit immer wieder. Wichtig sei: &bdquo;Wir bezahlen Dr. Toumi. Die Menschen müssen nicht bei ihm in Vorleistung gehen.“ Toumi gibt den jungen Leuten aus Afrika ein Gefühl von Heimat, lädt sie zum Grillen ein, organisiert Ausflüge. &bdquo;Und wir sprechen über Ergebnisse von Prüfungen oder ob sich Erwartungen erfüllen. Wir dürfen die Fachkräfte nicht alleinlassen.“ Und am Ende habe Integration zwei Seiten. &bdquo;Wir müssen uns gegenseitig anpassen. Die Einstellung ist wichtig. Und wenn eine Fachkraft aus dem Ausland mal ein Verb vergisst, tut das keinem weh.“

Heimweh? Unbekannt AWO-Geschäftsführer Rainer Klessmann ergänzt, dass die Fachkräfte aus Kamerun nicht von der AWO abhängig seien, &bdquo;sie wohnen ganz normal zur Miete und machen ihre Pflegeausbildung. Sie werden ordentlich bezahlt - und wir hoffen natürlich, dass sie nach den drei Jahren bei uns bleiben.“ Ausdrücklich bedankt er sich bei der Stadt Lage für die Hilfe bei der Wohnungssuche. &bdquo;Wohnungssuchende, die nicht Heinz Müller heißen und farbig sind, haben es doppelt schwer.“ Grace-Ingrid Kameni hat tolle Erfahrungen gemacht: &bdquo;Ein Nachbar stand vor der Tür, gab mir einen USB-Stick - darauf viele Sehenswürdigkeiten in Lippe, die besuche ich jetzt.“ Und feiern waren sie auch schon, zum &bdquo;Treppentanz“ in Bielefeld.

Und gibt es wirklich kein Heimweh? Grace-Ingrid Kameni - wie sollte es anders sein - lacht wieder: &bdquo;Das ist jetzt hier meine Familie. Und mit der in Kamerun, Geschwistern, Eltern, halte ich Kontakt etwa über WhatsApp. Wir sehen uns ja irgendwann wieder.“ Bei Jean-Baptiste Ongolo ist es etwas schwieriger, im Heimatdorf gibt es so gut wie nie Internet. &bdquo;Aber wenn ich die Chance habe, dann nutze ich sie“, grinst er über beide Ohren. Übrigens, versichert Schickel: &bdquo;Die beiden sind immer so. Die haben immer gute Laune. Jeder merkt: Das sind junge Leute, die den Job wirklich wollen.“

Keine Erfahrungen mit Rassismus Am Ende bleibt ein weiteres deutsches Wort, das bislang noch gar keine Rolle gespielt hat: Rassismus-Erfahrungen. Der Reporter muss diese Frage ja leider immer noch stellen. Aber: Das Wort kennen sie ebenfalls nicht. &bdquo;Wir haben wirklich keine schlechten Erlebnisse gehabt“, sagen die beiden und versprechen Schickel, etwaige Anfeindungen sofort zu melden. Der stellt klar: &bdquo;Wenn einer unserer Kunden rassistisch wird, kündigen wir den Pflegevertrag sofort.“ Schon jetzt arbeiteten Pflegekräfte aus aller Welt in Deutschland und OWL, &bdquo;wir brauchen sie. Und die Pflegeschulen könnten sonst zumachen.“ Im Herbst kommen Azubis aus dem Iran, Dr. Toumi ist engagiert.

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