Von Kitten und Kaninchen: Lippische Tierheime kurz vor dem Kollaps

Kreis Lippe. Die lippischen Tierheime sind voll, überfüllt, total überbelegt. Wie eigentlich jedes Jahr im Sommer. Und doch ist die Situation für die Tierschützer derzeit mehr als angespannt. Vor allem Katzen und Katzenkinder füllen die Einrichtungen.

&bdquo;Wie jedes Jahr zur Sommerzeit sind auch wir total überbelegt“, sagt Susanne Häger vom Tierschutzverein Franziskushof in Kalletal. Hauptsächlich mit Katzen. Derzeit würden nur Fundtiere aufgenommen, keine Abgabetiere - es fehle einfach der Platz. Ähnliches berichtet Maria Toman vom Tierheim Detmold: &bdquo;Unsere Katzenstation ist mit 115 Tieren, darunter an die 60 Kitten, völlig überfüllt.“ Allerdings würden das ganze Jahr ausgesetzte Tiere gefunden, vor allem Katzen. Fundtiere und dringende Notfälle werden laut Toman derzeit aufgenommen, für Abgabekatzen fehle der Platz. Das Tierheim Detmold biete Noch-Besitzern eine Aufnahme in die Rubrik &bdquo;Privatabgabe“ auf der Webseite an, um auf diesem Weg ein Zuhause zu suchen, ohne dass die Tiere ins Tierheim müssen.

Und auch im Eichenhof in Vlotho laut Kerstin Sanker das gleiche Bild: &bdquo;Wir haben gerade extrem viele Fundkatzen“, aktuell seien 114 Katzen im Eichenhof - es schwanke immer so zwischen 100 und 130. Und zwar vor allem Muttertiere mit Kitten oder nur die Kleinen. Und die müssten dann eine Zeit in der Auffangstation verbringen. &bdquo;Wenn die mit drei bis vier Wochen kommen, müssen sie noch fünf bis sechs Wochen dort bleiben“, erklärt Sanker. Dann erst könnten sie geimpft werden und zu den anderen.

Kastrationspflicht noch ohne spürbare Wirkung Oder die Fundtiere landeten gleich auf der Krankenstation, weil sie Augenprobleme oder andere Leiden hätten. &bdquo;Für die zeitaufwendige Aufzucht und Rundumbetreuung der mutterlosen Flaschenkinder brauchen wir zudem zuverlässige Pflegestellen, die immer schwerer zu finden sind“, ergänzt Toman. Die räumlichen und auch personellen Kapazitäten seien am absoluten Limit.

&bdquo;In Lippe gibt es ja mittlerweile die Kastrationspflicht, aber sie scheint sich, wenn überhaupt, nur sehr zäh durchzusetzen. Katzenkinder, wohin man schaut“, sagt Susanne Häger. Eigentlich sollte die Kastrationspflicht weniger Kitten hervorbringen, doch gerade bei verwilderten Tieren könne das kaum jemand kontrollieren, betont Kerstin Sanker. Viele der Fundkatzen seien scheu und hätten keinen großen Bezug zu Menschen. &bdquo;Eigentlich könnten wir Leute nur für das Einfangen und Kastrieren der verwilderten Katzen einstellen“, so viele seien es.

In Detmold hingegen würden viele Fundkatzen sitzen, an deren Verhalten erkennbar sei, &bdquo;dass es sich bei den meisten nicht um herrenlose, verwilderte Streuner handelt, sondern um verstoßene und sich selbst überlassene, in der Regel unkastrierte Katzen und Kater, die schon einmal ein Zuhause und engen Kontakt zum Menschen hatten“. Viele der erwachsenen Tiere seien verwahrlost, krank, tragend oder verletzt.

Corona-Folgen Viele Tiere würden &bdquo;von Menschen ohne hohe moralische Wertvorstellungen“ ausgesetzt. &bdquo;Ausbaden müssen es die Tierheime, aber in erster Linie die Tiere“, bedauert Susanne Häger. Erschwerend komme hinzu, dass manch einer mit Tieren zu Corona-Zeiten viel Geld durch Nachzüchtungen verdient habe. &bdquo;Jetzt ist der Markt gesättigt, das Geld für die Kastration wird nicht aufgebracht.“ Auch Kerstin Sanker sehe durchaus Corona-Nachwirkungen: Bei vielen Tieren würde es vom Alter her passen. Nun würden Tierhalter die gestiegenen Kosten, auch beim Tierarzt, spüren und Tiere abgeben.

&bdquo;Nach Corona hat leider auch die Zahl ausgesetzter Hunde zugenommen, sehr viele von ihnen zeigen deutliche Erziehungs-, Sozialisations- und Haltungsdefizite“, ergänzt Maria Toman. Laut Häger seien zudem Beschlagnahmungen durch die Veterinärämter an der Tagesordnung, vor allem von Hunden, Katzen und Nagetieren.

Täglich kommen Kaninchen Und laut des Eichenhofes sind seit Beginn der Sommerferien zudem fast täglich Kaninchen gefunden worden. &bdquo;Die Plätze sind voll, wir haben sogar schon einige Hundezwinger umfunktioniert.“ Und: Kaninchen so einfach vergesellschaften gehe nicht, viele müssten in Quarantäne, etwa wegen einer Kastration. Zudem hätten viele Fundtiere Zahnprobleme.

Apropos: Nach Paragraf 3 Absatz 3 und Pargraf 18 Absatz 1 Tierschutzgesetz stellt das Aussetzen oder Zurücklassen von Tieren eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einer Geldbuße von bis zu 25.000 Euro geahndet werden.

Für die Tierheime bedeutet das alles auch eine enorme finanzielle Belastung, denn auch hier sind die Kosten gestiegen. Und es fehlte an Spenden, sowohl an Sach- als auch Geldspenden.

Kastrationsaktion Gerade verwilderte Katzen zu fangen und zu kastrieren sei nicht einfach, wissen Tierschützer. Auch wenn ihnen Hotspots bekannt sind. Der Verein &bdquo;Unsere Hände für viele Pfoten“ teilt auf seiner Internetseite mit, dass in Lemgo-Lüerdissen im Juni mit einer Fang- und Kastrationsaktion begonnen worden sei. Gleich zu Beginn seien den Helfern zahlreiche Würfe von Kleinstkitten aufgefallen, &bdquo;deren ganz junge Katzenmütter mit der Aufzucht überfordert sind“. Es seien 68 Tiere gefangen worden, ein Ende noch nicht absehbar. Viele Tiere seien krank, einige der Jungtiere trotz intensiver Behandlung gestorben.

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