Schlimme Erinnerungen? Wie sich Verschickungskinder beim Kreis Lippe melden können

Kreis Lippe. Erinnerungen an &bdquo;Kinderlandverschickungen“ an die Nordsee, in den Schwarzwald oder sonst wohin können für manche der heute längst Erwachsenen ungut sein, vielleicht schmerzhaft, vielleicht sogar traumatisch. Längst nicht alles lief von den Fünfziger- bis in die Achtzigerjahre astrein, wenn Jungen und Mädchen für drei/vier Wochen &bdquo;verschickt“ wurden, weil sie vielleicht kränklich waren oder sich erholen sollten.

Seit einigen Jahren sind möglicherweise erlittene Erniedrigungen öffentlich ein Thema. Nun hat sich der Kreis Lippe auf Weg gemacht, will wissen, wie die Umstände im ehemaligen Ferienwerk Detmold (heute Inselquartier) auf Norderney waren und ob es dort Zwang und Gewalt gegeben hat. Das Ziel: Den Betroffenen eine Möglichkeit geben, Erfahrungen mitzuteilen und zu teilen - zu verstehen, damals nicht allein gewesen zu sein.

Es sei wichtig, Erfahrungen und das Leid der Betroffenen sichtbar zu machen, sagte Landrat Dr. Axel Lehmann. &bdquo;Dazu will der Kreis seinen Beitrag leisten.“ Rund 50.000 Kinder waren in den etwa 30 Jahren in den Häusern des damaligen Kreises Detmold und späteren Kreises Lippe zur Erholung - in Gunzesried (Allgäu), auf Amrum oder Norderney.

Umfangreiche Recherche Die vom Kreis beauftragten Historiker Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl und Dr. Sascha Topp haben umfangreich recherchiert. Akten der Stadt Norderney, der Archive der Länder NRW und Niedersachsen und des Kreises durchforstet. &bdquo;Dadurch haben wir ein genaues Bild von den Rahmenbedingungen vor Ort, der organisatorischen Aufteilung oder baulichen Veränderungen“, berichtete Prof. Dr. Schmuhl.

Die Auswertung einer vom &bdquo;nexus Institut“ aufgebauten Datenbank, die mehrere Tausend Berichte ehemaliger Verschickungskinder enthalte, habe erste Hinweise auf Missstände im &bdquo;Jugendwerk Detmold“ geliefert. Sicher sei, so Schmuhl: &bdquo;Bis in die Achtzigerjahre hat der Kreis so gut wie nicht auf bekannt gewordene Missstände reagiert“ - auf enge räumliche Verhältnisse; überfordertes Personal; viel zu wenig Spielzeug; den Zwang, den Teller unbedingt leeren zu müssen; gar Erbrochenes erneut essen zu müssen oder bei schönstem Wetter nicht raus gedurft zu haben.

Topp hofft, dass Betroffene - bei Weitem nicht nur aus Lippe -, die bedrückende Erfahrungen, vielleicht sogar sexualisierte Gewalt erlebt haben, diese &bdquo;ohne Scheu und ohne Loyalitätskonflikte“ schildern. Auf einer absolut vertraulichen Seite auf der Homepage des Kreises können sie ihre Erinnerungen vermerken.

Nur die Historiker können die Beiträge lesen, nur die beiden können gegebenenfalls über ein verschlüsseltes Postfach mit den Einsendern kommunizieren, eventuell ein Interview führen, ihnen bei Bedarf psychologische oder therapeutische Hilfen vermitteln. Fachleute aus dem Kreishaus, etwa aus der Schulpsychologie oder der Bildung, bilden ein begleitendes Gremium. &bdquo;Wir fühlen und jetzt für damalige Geschehnisse verantwortlich“, sagte Verwaltungsvorstand Dr. Olaf Peterschröder.

&bdquo;Transparenz ist schon ein Wert für sich“ &bdquo;Transparenz ist schon ein Wert für sich“, unterstrich Lehmann. Es gehe darum, den Menschen ein Ohr zu gönnen. Zwei/drei Namen aus Lippe seien ihm schon bekannt, die teils traumatische Erinnerungen mit sich trügen.

Die Historiker werden die Meldungen auswerten, die Ergebnisse in einen größeren Kontext einordnen. &bdquo;All das soll der Öffentlichkeit sowie der Initiative Verschickungskinder zugänglich gemacht werden“, erklärte Karen Zereike, Leiterin des Eigenbetriebs Schule. Eine Ausstellung oder ein Erinnerungsort in Norderney seien denkbar. &bdquo;Wichtig ist jedenfalls, das Thema wissenschaftlich fundiert aufarbeiten zu lassen. Und dafür haben wir die richtigen Experten an unserer Seite“, ergänzte Dirk Menzel, Leiter des Fachdienstes Bildung.

Betroffene, die Erlebnisse schildern möchten, können dies auf folgender Meldeplattform vornehmen: https://kreisjugendwerk-detmold-norderney.meldeplattform.de

Die Historiker sind per E-Mail an ukerlant@posteo.de sowie der Kreis unter Tel. (05231) 625828 und per E-Mail an verschickungskinder@kreis-lippe.de zu erreichen.

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