Vermeintliche Pflegerin bestiehlt bettlägerige Detmolderin (93) - was die Familie sagt

Detmold. Nach schwerer Krankheit und wochenlangem Klinikaufenthalt wird die 93-jährige Detmolderin Maria M. (Name geändert) im Oktober 2024 als bettlägerig und auf den Rollstuhl angewiesen nach Hause entlassen - für sie geht es daheim nicht mehr allein weiter. &bdquo;Die Familie kümmert sich aufopferungsvoll“, schildert ihr ebenfalls betagter Bruder der LZ. Da die Familie es jedoch nicht länger allein stemmen kann, die Mutter zu versorgen, organisiert sie Hilfe.

Drei Frauen, über eine polnische Organisation vermittelt, arbeiten nacheinander im Haushalt, größtenteils war die Familie mit den Pflegekräften zufrieden. Bis dahin ist dies eine Geschichte, wie sie sich sicherlich hundertfach in Lippe abspielt - bis Anfang Januar die vierte Hilfe kommt, denn die Frauen dürfen ja nur eine bestimmte Zeit bleiben. Die Hilfskraft verschwindet nach anderthalb Tagen spurlos, mit ihr Bargeld und Schmuck. Die Polizei ermittelt.

Der Ehering ist gestohlen Der Bruder erzählt von einem Drama, das seiner Schwester so sehr zusetzt, dass sie noch weiter abbaut, an Ängsten und Schlaflosigkeit leidet und derzeit zur Reha ist. Der Ehering des verstorbenen Mannes ist weg, Erinnerungen an den Urlaub in der Türkei. Die psychische Belastung ist riesig. Die Geschichte der betagten Dame ist nämlich doch keine, wie sie sich hundertfach in Lippe abspielt. Sondern eine außergewöhnliche, machen doch die allermeisten Familien gute Erfahrungen mit Haushaltshilfen, die zumeist aus Polen kommen. Dies bekommt die LZ bei ihrer Recherche von vielen Seiten bestätigt.

Die Agentur sei im Internet top bewertet worden, alle Kosten seien transparent aufgezeigt gewesen, das Aufgabenportfolio habe gepasst, erklärt die Tochter, eine Ärztin: Einkaufen, im Haushalt helfen, motivierende Pflege leisten, bei der Körperhygiene helfen. &bdquo;Die medizinischen Dinge, wie Tabletten zu stellen, habe ich selber übernommen.“ Mit der Agentur sei die Familie zufrieden gewesen. Auch der erste Eindruck der vierten Dame, die sich als &bdquo;Joanna“ vorgestellt hatte, sei &bdquo;absolut positiv“ gewesen. Sie habe sogar WhatsApp-Fotos von ihrer Familie in der Heimat präsentiert.

&bdquo;Am Sonntag gegen 17 Uhr wurde ,Joanna’ mit einem Kleinbus mit Koffer und Tasche vor der Haustür abgesetzt“, berichtet der Bruder. Ihre Vorgängerin weist sie in ihre Aufgaben ein und verabschiedet sich. Von dem, was dann geschehen wird, ist anfangs nichts zu ahnen. Der Montag sei &bdquo;ganz normal“ verlaufen, seine Schwester sei gegen 21.30 Uhr zum Schlafengehen hingelegt worden und die letzten, von der Tochter vorbereiteten Tabletten mit entsprechender Flüssigkeit verabreicht worden.

&bdquo;Der normale Ablauf wäre gewesen, dass sie in der Nacht noch einmal zur Toilette begleitet wird. Doch als sie am Morgen zum ersten Mal aufwachte, war es bereits fast 6 Uhr“, berichtet der Bruder weiter. Vergeblich habe die Seniorin versucht, über eine Klingel die Helferin zu rufen. Allein: Es gab keine Reaktion. Verzweifelt rief sie ihrem Bruder an, um Hilfe zu bekommen. Der 90-Jährige macht sich sofort aus Hagen auf den Weg.

Die Wohnung ist verlassen Die Familie muss schließlich feststellen, dass die im Obergeschoss liegende Wohnung total verlassen und von &bdquo;Joanna“ keine Spur mehr zu sehen ist. &bdquo;Sie muss in der Nacht auf Dienstag bei eisiger Kälte das Haus verlassen haben.“

Erst zwei Tage später stellt die Familie fest, dass nicht nur die Pflegekraft, sondern auch ein größerer dreistelliger Geldbetrag fehlt, und erst 10 Tage darauf, dass Schmuckstücke im Wert von mehreren Tausend Euro verschwunden sind. &bdquo;Was die Tat besonders niederträchtig macht, ist, dass das Opfer schwerbehindert und auf 24-Stunden-Hilfe angewiesen ist“, schreibt der Bruder.

Es bestehe der Verdacht, dass &bdquo;Joanna“ seiner Schwester eine höhere Dosis eines Schlafmittels verabreicht habe, &bdquo;um in hinterhältiger Weise den Diebstahl und die Flucht vorzubereiten“. Möglicherweise befinde sich die vermutliche Täterin selbst in Händen von Kriminellen: &bdquo;Ich wundere mich sehr darüber, dass nach über acht Wochen noch keinerlei Bewegung in dem Fall zu erkennen ist“, endet seine Schilderung. &bdquo;Die vermutliche Täterin ist wie vom Erdboden verschwunden.“

Wenig Hoffnung auf Fahndungserfolg Mit der Agentur sei sie weiter in Kontakt, ergänzt die Tochter, es gehe ja auch um Schadenersatz. Die heimische Versicherung zumindest zahle nicht, da die Diebin ja mit im Haus gewohnt hatte. Die Familie kümmert sich um Ersatz für die verschwundene Pflegerin und organisiert eine fünfte Frau, erneut über die polnische Organisation.

Dort nämlich sei die mutmaßliche Betrügerin vollkommen unbekannt, eine &bdquo;Joanna“ mit diesem Lebenslauf gebe es nicht. &bdquo;Offensichtlich ist die Agentur selber betrogen worden“, vermutet die Tochter, die wenig Hoffnung hat, dass die Ermittlungen der Kripo zum Erfolg führen werden.

Mit dieser fünften Frau klappt es bislang wunderbar, sie wird nach der Rückkehr der Mutter aus der Reha wieder nach Detmold kommen.

Das sagen Polizei und Staatsanwaltschaft Die Staatsanwaltschaft betont, dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien. Staatsanwältin Jacqueline Kleine-Flaßbeck bestätigt lediglich die Angaben der Familie zum Diebstahl des Bargeldes und das Alter der Bestohlenen. Im Moment gebe es keine Spur zu der Pflegerin. Den Verdacht, dass Schlafmittel in höherer Dosis verabreicht sein sollte, bestätigt sie nicht.

Die Polizei spricht von einem seltenen Fall - es gab im vergangenen Jahr lediglich eine einstellige Anzahl vergleichbarer Fälle, darunter allerdings eine unterlassene Hilfeleistung und Körperverletzung. &bdquo;Der Modus Operandi, wie er in diesem speziellen Fall auftritt, ist demnach selten“, betont die Pressestelle. &bdquo;In diesem Jahr hatten wir noch gar keinen weiteren Fall.“

Zur Frage, wie man die Seriosität eines solchen Unternehmens überprüfen könne, könne die Polizei nur an die Pflegestelle des Kreises Lippe verweisen. Es sei jedoch wichtig zu beachten, dass eine Firma grundsätzlich seriös handeln kann, auch wenn sie möglicherweise einen Täter oder eine Täterin beschäftigt habe. &bdquo;Daher ist es schwierig, von einem einzelnen Vorfall auf die gesamte Firma Rückschlüsse zu ziehen.“

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