„Keine Jäger“: Tierschützer fordern nach Vorfall in Lemgo neue Waschbärbeauftragte

Kreis Lippe/Lemgo. Mit der Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen den Waschbärbeauftragten , der in der Lemgoer Innenstadt ein Jungtier mit einer Eisenstange getötet hatte, wurde seitens der Staatsanwaltschaft Detmold vorerst ein Schlusspunkt in der Angelegenheit gesetzt. Für die Tierschutzorganisation &bdquo;Unsere Hände für viele Pfoten“ ein falsches Signal. &bdquo;Es ist ein bedrückendes Beispiel dafür, wie gering der Schutz von Wildtieren in Deutschland noch immer gewichtet wird“, heißt es seitens des Vereins mit Sitz in Lage. Die Tierschützer fordern als Konsequenz die zukünftige Besetzung des Postens des Waschbärbeauftragten mit Nicht-Jägern.

Stelle mit Tierschützern besetzen Dass das Tier laut Staatsanwaltschaft verletzt gewesen sei, ist aus Sicht der Tierschützer kein belastbarer Grund für das Vorgehen. &bdquo;Ohne tierärztliche Untersuchung oder Einbindung fachkundiger Stellen kann keine Rede von einer notwendigen Tötung sein. Das Tier hätte in eine Wildtierauffangstation oder in tierärztliche Obhut gebracht werden müssen“, argumentiert die Vorsitzende Marianne Rautenberg. Daher fordere der Verein jetzt gemeinsam mit weiteren lippischen Tierschützern eine unabhängige Überprüfung der Tötung in Lemgo durch das zuständige Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz.

Ein Zielkonflikt? Dass die Funktion des Waschbärbeauftragten im Kreis Lippe mit einem Jäger besetzt ist, stößt bei den Tierschützern ebenfalls auf Unverständnis. &bdquo;Wie soll jemand, dessen Aufgabe das Töten ist, objektiv über das Leben entscheiden?“, fragt die stellvertretende Vorsitzende Daniela Klöpperpiper. Sie fordert, dass die Aufgabe an &bdquo;fachkundige Personen aus dem Bereich Wildtierpflege oder Tierschutz“ übergeben werde und somit &bdquo;an Menschen, die Tiere als Mitgeschöpfe und nicht als Zielscheiben betrachten“.

Offiziell geht es bei der Funktion eines Waschbärbeauftragten um Beobachtung, Aufklärung und Beratung. In der Praxis übernehmen diese Aufgabe jedoch fast immer Jägerinnen und Jäger – schlicht, weil sie die einzigen sind, die rechtlich eingreifen dürfen. Befürworter argumentieren, dass Jäger über das nötige Wissen, die Ausrüstung und Erfahrung verfügen, um Populationen fachgerecht zu erfassen und – wo nötig – zu reduzieren.

&bdquo;Nicht behördlich bestellt“

Mit den Forderungen der Tierschützer konfrontiert, reagiert der Kreis Lippe mit einer Klarstellung: &bdquo;Die ,Waschbärbeauftragten’ des Landesjagdverbandes NRW sind ehrenamtlich tätig, sie werden nicht behördlich bestellt“, so Pressesprecher Patrick Bockwinkel. Insofern habe die Untere Jagdbehörde keinen direkten Einfluss darauf, wen die Landes- bzw. Kreisjägerschaft zum &bdquo;Waschbärbeauftragten“ ernenne.

Die &bdquo;Beauftragten“, die es auch für den Marder gebe, seien hauptsächlich beratend tätig, etwa, wenn sich Waschbären auf Dachböden einnisten oder für Schäden an Gebäuden und Grundstücken sorgen. &bdquo;Sie können aber auch Waschbären in befriedeten Bezirken, beispielsweise Hausgärten, Hofstellen, Sport- und Spielplätzen, fangen und bejagen, wenn dies notwendig ist“, erklärt Bockwinkel. Dafür sei wiederum eine Ausnahmegenehmigung erforderlich, die bei der Unteren Jagdbehörde beantragt und nach erfolgreicher Überprüfung ausgestellt werden könne. Die &bdquo;Beauftragten“ hätten neben ihrem Jagdschein auch eine Befähigung zur Ausübung der Fangjagd in NRW absolviert.

Jagd sei keine Lösung Dass die Zahl der Waschbärenabschüsse im Kreis Lippe weiter steigt, wie zuletzt in einem LZ-Artikel berichtet , ist aus Sicht des Tierschutzvereins auch eine Folge der &bdquo;einseitigen Fokussierung auf die Jagd als Mittel der Populationskontrolle“. Vor dem Hintergrund der vermehrten Meldungen und steigenden Abschusszahlen erscheine es naheliegend, dass auch Kastrationsprogramme als ergänzende Maßnahme in Betracht gezogen werden“, sagt Michaela Latzel, Sprecherin des Vereins. &bdquo;Die Jagd reduziert Waschbärenbestände nicht, sie fördert sie.“ Grund dafür sei der sogenannte kompensatorische Fortpflanzungseffekt. So bekämen Waschbären nach Verlusten früher und häufiger Nachwuchs.

&bdquo;Enormer Aufwand“

Laut Kreis Lippe ist eine Verordnung der Europäischen Union Grundlage für den Umgang mit invasiven Tierarten wie dem Waschbären. Laut Sprecher Bockwinkel baut das Landesjagdgesetz NRW darauf auf, in dem es die Bejagung von Waschbären als Mittel zur Populationsbegrenzung vorsieht. Ein Kastrationsprogramm sei dabei bisher nicht berücksichtigt. &bdquo;Der Wunsch nach einem solchen Programm ist aus Sicht bestimmter Zielgruppen sicherlich nachvollziehbar“, so Bockwinkel, &bdquo;allerdings in der Praxis wohl nur schwer, beziehungsweise nur mit einem enormen Aufwand an Personal und finanziellen Mitteln umsetzbar.“

&bdquo;Von Jägerschaft blockiert“

Für die Tierschützer stehen auch Teile der Jägerschaft diesen Ideen im Wege. &bdquo;Die Stadt Kassel will es vormachen, doch nun wird dieses Projekt seit Wochen von der Jägerschaft blockiert“, so die deutliche Kritik. Zwar gebe es Jägerinnen und Jäger, die solche Maßnahmen unterstützten - diese äußerten sich derzeit jedoch zurückhaltend oder blieben lieber ganz im Verborgenen. Denn: &bdquo;Nach ihren Angaben herrscht innerhalb der Jägerschaft teils ein rauer Umgangston, und kritische Stimmen berichten von Einschüchterungen oder Drohungen, auch gegenüber kritischen Mitbürgern sowie jagdkritischen Organisationen“, erklärt die Sprecherin weiter.

Die Kreisjägerschaft äußert dazu auf Nachfrage der LZ, sie wolle zu dem Themenkomplex keine weitere Stellung beziehen. &bdquo; Für uns ist die Sache durch die Einstellung des Ermittlungsverfahrens beendet“, sagt der stellvertretende Vorsitzende Dr. Manuel Ermann. Die Argumente seien vermittelt, die juristischen Fragen geklärt. Die Jägerschaft sei zudem gesprächsbereit - während er die Anzeige der Tierschützer &bdquo;nicht als geeignete Grundlage für einen konstruktiven Dialog“ betrachte.

Jägerschaft macht &bdquo;keine Vorgaben“

&bdquo;In der Kreisjägerschaft Lippe gibt es weder Meinungs- noch Schweigekartelle“, so Ermann weiter. Über einzelne Jagdpraktiken gebe es unter den mehr als 2000 Mitgliedern &bdquo;selbstverständlich“ unterschiedliche Meinungen, die zu Anwendung oder Ablehnung führen können. &bdquo;Hier“, so Ermann, &bdquo;machen wir als Verein keine Vorgaben.“

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