Klinikum Lippe: Ein Jahr zwischen Bürgerwillen, Gutachten und politischer Wende

Kreis Lippe. Kaum ein Thema hat die öffentliche Debatte im Kreis Lippe 2025 so nachhaltig geprägt wie das Ringen um die Zukunft des Klinikums Lippe – und insbesondere um den Standort Lemgo. Im Zentrum stand dabei das &bdquo;Aktionsbündnis Klinikum Lippe“, das mit einem Bürgerbegehren den Erhalt des Klinikums in alleiniger öffentlicher Trägerschaft und eine stationäre Grundversorgung mit 24/7-Notfallangebot in Lemgo sichern wollte.

Was folgte, war ein monatelanger Konflikt zwischen Bürgerinitiative, Kreisverwaltung, Politik und Klinikleitung.

Streit um Kosten und Grundlagen Den formalen Startschuss für das Bürgerbegehren bildete Ende Dezember 2024 die Kostenschätzung des Kreises. 157,5 Millionen Euro würde ein erfolgreicher Bürgerentscheid demnach in den kommenden fünf Jahren kosten – unter anderem durch operative Verluste in Lemgo, Investitionen und wegfallende Synergien in Detmold. Das Aktionsbündnis reagierte scharf und bezeichnete die Berechnung als &bdquo;absolut unseriös“. Es fehle eine nachvollziehbare Herleitung, vorhandene Strukturen in Lemgo würden nicht ausreichend berücksichtigt.

Der Kreis hielt dagegen: Die Zahlen seien von externen Fachleuten erarbeitet und sollten den Bürgern eine belastbare Entscheidungsgrundlage liefern. Zugleich warnte die Verwaltung vor dauerhaften Mehrbelastungen für den Kreishaushalt. Diese unterschiedliche Bewertung der Zahlen blieb das ganze Jahr über ein zentraler Streitpunkt.

Unterstützung und Zweifel – auch aus der Politik Rückendeckung erhielt das Aktionsbündnis unter anderem von nordlippischen Bürgermeistern , die die Kostenkalkulation öffentlich infrage stellten und mangelnde Transparenz kritisierten. Gleichzeitig äußerten sich zwei frühere Klinik-Geschäftsführer differenziert: Sie lobten die medizinische Qualität des Klinikums, kritisierten aber vor allem Defizite in Kommunikation, Steuerung und politischer Einbindung – Faktoren, die aus ihrer Sicht maßgeblich zur Eskalation beigetragen hätten.

Parallel wuchs der politische Druck: Während sich einige Parteien inhaltlich nahe bei den Zielen des Aktionsbündnisses sahen, bekannten sich die Kreistagsfraktionen übergreifend zur öffentlichen Trägerschaft und zum Standortkonzept des Klinikums – allerdings ohne den Weg über einen Bürgerentscheid.

Unterschriften, Prüfungen, Unzulässigkeit Im Frühjahr nahm das Bürgerbegehren Fahrt auf. Mehr als 13.000 Unterschriften wurden gesammelt und im Juni offiziell übergeben – deutlich mehr als erforderlich. Doch schon früh zeichnete sich ab, dass die juristische Prüfung zur entscheidenden Hürde werden könnte. Eine vom Kreis beauftragte Kanzlei kam schließlich zu dem Ergebnis, das Bürgerbegehren sei aus mehreren formalen Gründen unzulässig: wegen einer aus Sicht der Prüfer unklaren Fragestellung, zweier unterschiedlicher Regelungsebenen und einer wertenden Kommentierung der Kostenschätzung.

Anfang Oktober folgte der Kreistag dieser Einschätzung und erklärte das Bürgerbegehren für unzulässig. Der Frust beim Aktionsbündnis war groß, dennoch verzichtete es nach interner Beratung bewusst auf eine Klage. Ausschlaggebend dafür war nach eigenen Angaben ein wachsendes Vertrauen in die neue politische und personelle Konstellation an der Spitze von Kreis und Klinikum.

Wechsel an der Spitze und vorsichtige Annäherung Mit dem Amtsantritt von Interims-Geschäftsführer Dr. Niklas Cruse und später des neuen Landrats Meinolf Haase änderte sich der Ton spürbar. Cruse bekannte sich klar zu Lemgo als Standort der Grund- und Regelversorgung mit Notfallangebot, zugleich wurden weitere Konzentrationen von Fachabteilungen in Detmold beschlossen. Parallel begannen Gespräche zwischen Klinikum, Kreisverwaltung und Aktionsbündnis, die erstmals als konstruktiv beschrieben wurden.

Zwar blieb das Bündnis bei seiner grundsätzlichen Kritik an früheren Entscheidungen, erkannte aber zugleich &bdquo;anerkennenswerte Entwicklungen“. Der Verzicht auf eine gerichtliche Auseinandersetzung wurde am Jahresende als Signal für einen Neuanfang gewertet.

Ein Konflikt mit Nachwirkungen Ungeachtet dieser Annäherung blieb das Jahr nicht frei von weiteren Spannungen: juristische Auseinandersetzungen zwischen Klinikum und Aktionsbündnis, Debatten um Vergabeverfahren und Bauprojekte sowie politische Diskussionen über die Rolle von Bürgerinitiativen in beratenden Gremien zeigten, wie tief die Gräben zeitweise waren. Auch die Vertragsverlängerung von Dr. Niklas Cruse wurde ö ffentlich diskutiert, und das sorgte für deutliche Kritik.

Am Ende dieses bewegten Jahres steht kein Bürgerentscheid – aber ein deutliches Signal aus der Bevölkerung, dass die Zukunft der medizinischen Versorgung in Lippe emotional, politisch und finanziell ein zentrales Thema bleibt. Das Aktionsbündnis hat sein Ziel formal nicht erreicht, den Diskurs jedoch maßgeblich geprägt. Wie tragfähig der angekündigte Neuanfang von Politik und Klinikleitung ist, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen.

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