Jamaika-Koalition möchte Politik in Lage digitaler gestalten

Lage. Die Pandemie und der damit verbundene Lockdown haben gezeigt, wie schnell das öffentliche Leben plötzlich eingeschränkt sein kann. Veranstaltungen werden abgesagt, Schulen und Kindergärten und andere öffentliche Gebäude geschlossen, private Besuche oder Feiern sind wegen der Ansteckungsgefahr verboten.

Auch die politischen Sitzungen konnten lange Zeit nicht wie gewohnt stattfinden. Und weil nicht absehbar ist, ob sich diese Situation möglicherweise wiederholt, bittet die Jamaika-Koalition, bestehend aus CDU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, die Stadt, zu prüfen, ob in dieser Ausnahmesituation Sitzungen auch online möglich sind.

&bdquo;Wir beauftragen die Verwaltung, sich mit den Möglichkeiten, die sich aus dem ,Gesetz zur Einführung digitaler Sitzungen für kommunale Gremien und zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften' künftig ergeben, auseinanderzusetzen und dem Rat vorzustellen. Außerdem soll ein Meinungsbild eingeholt werden, ob und wenn ja in welchem Umfang von den neuen Möglichkeiten Gebrauch gemacht werden soll“, werden die Fraktionsvorsitzenden Michael Biermann (CDU), Frank Drexhage (Bündnis 90/Die Grünen) und Martina Hannen (FDP) in einer Pressemitteilung zitiert.

Direkter Kontakt fehlt Letztere betont auf Nachfrage aber auch: "Online-Sitzungen sollen eine Vorbereitung auf den Notfall sein." Immerhin fehle im Digitalen der direkte Kontakt. Zudem wisse man nicht, wer möglicherweise Sitzungen mitschneidet und vielleicht im Nachhinein anders zusammengestellt im Internet hochlädt. Eine Meinung, die übrigens auch Hans Hofste, Fraktionsvorsitzender der SPD, teilt: "Ich bin ein Freund davon, sich in die Augen schauen zu können." Daher gehe es der Jamaika-Koalition viel mehr darum, im Vorfeld für den Ernstfall gerüstet zu sein.

Die Vorsitzenden weiter: &bdquo;Das am 6. April beschlossene Gesetz der NRW-Landesregierung sieht vor, dass in besonderen Ausnahmefällen wie Katastrophen, einer epidemischen Lage oder anderen außergewöhnlichen Notsituationen die Durchführung von Sitzungen des Rates und der Ausschüsse in digitaler Form erfolgen kann – insofern denn die dafür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind.“

Hohe Kosten Aber welche Voraussetzungen sind das überhaupt? "Rechtliche und logistische", fassen Bürgermeister Matthias Kalkreuter und Frank Rayczik, Fachbereichsleiter Allgemeine Verwaltung und Ordnung zusammen. Alle Ratsmitglieder seien inzwischen mit Tablets ausgestattet worden. Sollen künftig alle Sitzungen digital möglich sein, müssten zudem sowohl alle Ausschussmitglieder sowie alle sachkundigen Bürger ebenfalls ein Endgerät bekommen - ein enormer Kostenfaktor.

Die Endgeräte wiederum müssten mit zugelassenen Programmen bespielt werden und da sieht Frank Rayczik zumindest momentan noch ein großes Hindernis: "Die Gemeindeprüfungsanstalt hat zwar welche in der Testung, aber bisher sind meines Wissens nach erst zwei in der Antragstellung." Hinzu kämen dann auch noch jeweils Verträge für die Endgeräte und ein Live-Stream. Immerhin muss auch die Öffentlichkeit die Möglichkeit haben, teilnehmen zu können.

Verwaltung möchte sich nicht verschließen "Letztlich muss natürlich der Rat auch zustimmen", ergänzt Matthias Kalkreuter. Denn der Übergang zu hybriden Sitzungen würde auch eine Änderung der Geschäftsordnung mit sich bringen. Außerdem sei gerade bei Ausschüssen, die seltener tagen, die Vorlaufzeit möglicherweise ein Problem. "Da muss ich ja schon bei der Einladung, also Wochen vorher wissen, ob die Sitzung nun digital oder analog stattfindet", so der Bürgermeister. "Zudem lebt die Demokratie eben auch von einem Plenum, dass sich austauscht. Wichtiges könnte im Digitalen auch untergehen."

Trotz der Voraussetzungen, die noch zu schaffen sind, möchte sich die Verwaltung dem Thema aber keinesfalls verschließen. "Das wird die Zukunft sein, vieles eben auch digital zu ermöglichen", sagt Frank Rayczik. "Allerdings wohl nicht schon 2023." Es benötige eben eine gewisse Vorlaufzeit, um die Voraussetzungen erfüllen und letztlich eine sichere Plattform anbieten zu können.

Und auch Matthias Kalkreuter begrüßt grundsätzlich die Möglichkeit, wichtige Entscheidungen, sollte es analog nicht möglich sein, zumindest digital besprechen zu können. "Zunächst geht es aber erst einmal darum, ein Meinungsbild einzuholen", so der Bürgermeister. "Im Dezember werden wir dann im Hauptausschuss darüber sprechen."

Rat stellt Ausnahmefall fest Der NRW-Landtag hat im April das &bdquo;Gesetz zur Einführung digitaler Sitzungen für kommunale Gremien und zur Änderung kommunalrechtlicher Vorschriften“ in der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen beschlossen. Damit wurde dauerhaft die Möglichkeit von digitalen und hybriden Sitzungen des Rates, der Ausschüsse und der Bezirksvertretung geschaffen.

Mit diesen neuen Regelungen soll die Handlungsfähigkeit der kommunalen Ebene auch in kritischen Notfalllagen über einen längeren Zeitraum hinweg sichergestellt werden. Darüber hinaus gewährt der Gesetzgeber den Kommunen auch die Möglichkeit, außerhalb von besonderen Ausnahmefällen hybride Sitzungen durchzuführen. Grundsätzlich liegt die Entscheidung über die Durchführung solcher Sitzungen aber bei den gewählten Vertretungen. Auch die Umsetzung unterliegt nach wie vor dem Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung.

Voraussetzung sind aber dennoch technische, organisatorische und datenschutzrechtliche Aspekte, die der Landesgesetzgeber vorgibt. Ob die erfüllt sind, kontrolliert die Gemeindeprüfungsanstalt NRW.

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