Darum geht dieser Lemgoer vom Ruhestand zurück an die Tafel

Lemgo. Mehr als 900 ältere Lehrerinnen und Lehrer haben 2018 ihren Ruhestand verschoben oder sind aus den Gärten und Wohnmobilen zurück an die Tafel gekehrt aus ihrem Rentner-Dasein. In der Lemgoer Realschule ist Schulleiter Norbert Fischer froh, dass einer davon Mathelehrer ist. Fischer konnte Wolfgang Künkler (69) im Oktober 2018 überzeugen, die &bdquo;Mathelücke" an der Kleiststraße zu schließen. Offiziell endet Künklers Rückkehr in diesem Monat.

&bdquo;Wir haben uns allerdings unterhalten und wollen die Betreuung der drei Klassen, die Wolfgang Künkler mit zwölf Wochenstunden übernommen hat, bis zum Januar 2020 fortsetzen", geht Norbert Fischer von einer Verlängerung aus. Es fehle quasi nur noch das &bdquo;Ja" seitens der Bezirksregierung. Künkler, in Lemgo wohnhaft, unterrichtete seit 43 Jahren und war als Perle Künkel auch als Handball-Legende bekannt, bevor er 2015 pensioniert wurde. &bdquo;Mathe, Sport und Erdkunde", sagt der Pensionär. 2017 hatte er bereits einmal für einige Monate als Sportlehrer ausgeholfen. Jetzt ging es ausschließlich um Mathe, wo der Lehrermangel neben den naturwissenschaftlichen Fächern besonders zum Tragen kommt.

Neben Seiteneinsteigern und Studenten zwischen den Staatsexamen versuchen die Schulen in NRW daher, die Lücken mit Rückkehrern zu besetzen. Offiziell hat die Landesregierung in Form des Schulministeriums dazu auch finanzielle Anreize in Aussicht gestellt. Norbert Fischer: &bdquo;Die Rückkehrer müssen das zusätzliche Einkommen nicht auf die Pension anrechnen lassen." Das, so Fischer, sei allerdings im Fall Künkler ausgesprochen komplex verlaufen. Bisweilen hätte der Lehrer in aufeinanderfolgenden Monaten immer wieder verschiedene Auf- und Abschläge auf dem Gehaltszettel gehabt. Kontakte zur Bezirksregierung und nach Düsseldorf konnten noch keine Abhilfe schaffen. Künkler selbst war mehrfach irritiert, will aber weitermachen. &bdquo;Verstehen kann ich das Hin und Her beim Gehalt allerdings nicht."

Derzeit unterrichtet der 69-Jährige zwei achte und eine neunte Klasse. Angesichts seiner langjährigen Erfahrung kann er die Entwicklungsschritte der Schüler gut mit der Vergangenheit ohne Internet vergleichen. Künkler: &bdquo;Die Fähigkeit, sich zu konzentrieren und den Unterricht morgens im Fokus zu haben, hat fraglos abgenommen." Schulleiter Fischer ergänzt: &bdquo;Die Lernstandserhebung in den achten Klassen ist für unsere Realschule trotzdem besser abgelaufen als der Durchschnittswert in NRW vermuten lässt."

Künkler wird das freuen. Er legt heute wie schon in den 40 Jahren zuvor Wert auf Grundkenntnisse in der Prozent- und Zinsrechnung und will stets dafür sorgen, dass die Kinder auch beim Dreisatz alles im Griff haben. &bdquo;Mehrwertsteuer drauf und wieder runter, das ist Alltagswissen", so der Lehrer. Schwierigkeiten treten oft bei Themen wie Stochastik auf. Künkler: &bdquo;Und auch Regeln, dass man einen Bruch durch einen weiteren Bruch teilt, indem man den Bruch mit dem Kehrwert des anderen Bruchs multipliziert, kennt heute nicht mehr jeder auswendig."

Was sich ebenfalls über Jahre an Unterrichtsmethoden und bei den Strukturen verändert hat, sei das Verhältnis zu den Hausaufgaben. &bdquo;Früher waren Hausaufgaben ganz normaler Bestandteil des Schulsystems, bei dem heutigen Konzept des Ganztags darf ich an vielen Tagen, an denen Unterricht bis 15 Uhr ist, gar keine Hausaufgaben mehr aufgeben", so der Rückkehrer.

Zudem, ergänzt Schulleiter Fischer, hätten viele Eltern nicht mehr die Zeit, Hausaufgaben überhaupt zu kontrollieren. Norbert Fischer: &bdquo;Dabei steht seit Jahren fest, dass die Schulen grundsätzlich nicht alle Feinheiten der Erziehung für die Eltern übernehmen können. Wir registrieren aber mehr und mehr, dass wir auf Eltern als Instrument des Controllings nicht hoffen können."

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