Als die NPD im Lemgoer Stadtrat saß

Lemgo . Ein Lemgoer Ortsteil, der den Rat der Stadt nicht mitgewählt hat und hierin nicht vertreten ist? Eigentlich undenkbar – vor 50 Jahren jedoch Realität. Weil Hörstmar und Trophagen erst zum 1. Januar 1970 der Stadt Lemgo beitraten, waren die Neubürger im äußersten Südwesten der Großgemeinde plötzlich ohne politischen Vertreter. Es kam zu Neuwahlen – das Aus für die NPD in Lemgo.

Die neue Großgemeinde Lemgo war erst im Zuge der Kommunalreform mit ihren zehn neuen Ortsteilen wie Brake oder Lieme ein Jahr zuvor gebildet worden und hatte im März 1969 bereits einen neuen Stadtrat gewählt. Eine sofortige Neuwahl wollte die Stadt Lemgo wegen der hohen Kosten vermeiden, zumal Hörstmar und Trophagen nach dem Scheitern der Pläne zu einer Bildung der Großgemeinde Heiden eigentlich zu Lage gehören sollten.

Die Bürger der beiden zuvor selbstständigen Gemeinden wollten jedoch nicht bloß beratend, sondern auch mit einer eigenen Stimme dabei sein. Schließlich klagten die Hörstmaraner – und das Landesverfassungsgericht gab ihnen Anfang Juli 1970 – also vor fast genau 50 Jahren – recht: Neuwahlen mussten her, was im Frühjahr 1971 auch geschah.

Damit beendeten die Hörstmaraner ein kurzes Intermezzo der NPD im Stadtrat, die 1969 acht Prozent der Stimmen in Lemgo erhalten hatte. Vorangegangen waren Wahlerfolge in Niedersachsen und Baden-Württemberg, nicht jedoch in Nordrhein-Westfalen. Lemgo gehörte vielmehr nach den Worten des ehemaligen Lemgoer Museumsleiters Jürgen Scheffler &bdquo;zu den wenigen Städten in NRW, in denen die NPD im Rat vertreten war."

Die Kommunalreform selbst wurde, nach Ansicht von Stadtarchivar Marcel Oeben, von der Partei jedoch nicht bekämpft. Im Wahlkampf 1969 hatte die NPD vielmehr intensiv vor der &bdquo;roten Gefahr" gewarnt. Hierunter fasste die NPD sowohl Kommunisten als auch die im Bund und Land mitregierenden Sozialdemokraten, demonstrierende Studenten sowie &bdquo;protestierende Jugendliche" ganz allgemein.

"Echte Demokraten wählen Nationaldemokraten" Sie plakatierte mit &bdquo;echte Demokraten wählen Nationaldemokraten" und &bdquo;Sicherheit durch Recht und Ordnung." Was dies bedeutete, daran erinnerte sich der spätere lippische Landrat Hans Pohl (SPD) in einem LZ-Interview von 1999 eindringlich. Nach einem Zwischenruf auf einer NPD-Wahlkampfveranstaltung des NPD-Vorsitzenden Adolf von Thadden im Lemgoer Schützenhaus sei er &bdquo;von Ordnern fast verprügelt" worden. Ungeachtet des Hasses, den die Partei im Wahlkampf gestreut hatte, ist es bemerkenswert, dass die NPD kaum öffentlich thematisiert wurde, die lokalen Zeitungen Presseerklärungen der Partei im Wortlaut abdruckten und sie im Stadtrat durchaus mitspielen durfte.

Eine Mehrheit nach der Wahl von 1969 hatten nämlich weder die SPD, noch CDU und FDP. Mit den Stimmen von NPD, FDP und einigen älteren Sozialdemokraten wurde so der CDU-Kandidat Krüger anstelle des jungen Helmut Holländers zum Bürgermeister gewählt. So verhinderte die NPD mit ihren Stimmen auch den SPD-Vorschlag zur Wahl von Ortsvorstehern. Umgekehrt votierte die Partei jedoch wenig später mit der SPD für die Schließung zahlreicher, sehr kleiner, dörflicher Volksschulen.

Die NPD-Stadtratsmitglieder waren in Lemgo durchaus gesellschaftlich verankert. Ihr Kreisvorsitzender, der Ingenieur Herbert Hutter, lehrte als Dozent am Lemgoer Technikum, dem Vorgänger der heutigen Hochschule. Daneben stachen vor allem der Gastwirt Dietrich Wesemann, Inhaber des &bdquo;Weißen Ross" am Ostertor, sowie der Braker Landwirt Albert Schüte als Aushängeschilder der lokalen NPD hervor.

Woher die Wähler der Partei kamen, lässt sich heute zwar nicht mehr herausfinden, doch verlor bei der Kommunalwahl vor allem die FDP stark an Stimmen. Auch bei der Wahl zum Bundestag und zum Kreistag erreichte die NPD in Lemgo sowie in Kalletal und Extertal mehr als fünf Prozent der Stimmen, verpasste jedoch bundesweit wie auch in den lippischen Landkreisen mit 4,3 Prozent den Einzug in die Sitzungssäle.

Nach internen Querelen in der Bundespartei verlor die NPD 1970 bei den Landtagswahlen im Juni in NRW wie in Lemgo drastisch an Stimmen. In der Alten Hansestadt, in der das Wahlwochenende mehr vom Schützenfest und dem Tod von Heinrich Drake überlagert wurde, erreichte sie nur noch 2,3 Prozent (ein Prozent in NRW). Von diesem Doppelschlag aus verlorener Landtagswahl und Auflösung des Stadtrates erholte sich die NPD in Lemgo nicht, so dass sie nach der Neuwahl 1971 auch nicht mehr im Lemgoer Stadtrat saß.

Turbulent ging es dennoch weiter, denn in der entscheidenden Ratssitzung im Frühjahr 1971 wechselte nun die FDP auch in Lemgo das Lager, und die mehr als 28-jährige Ära von Reinhard Wilmbusse (SPD) als Bürgermeister begann.

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