Lemgo. Der Applaus aus dem Frühjahr 2020 ist verklungen, die gespendete Familienpizza für die Doppelschicht kommt nur selten. Und trotzdem: Tizian Meyer und Jan-Gerrit Hörnlein fühlen noch immer die Sympathiewelle, die ihrem Berufsstand seit dem Corona-Ausbruch entgegen kommt. Auf dieser Welle reiten die beiden Hobby-Musiker aus Lemgo jetzt – mit ihrem Krankenpfleger-Rap.
Der Hip-Hop-Song der beiden Klinikumsmitarbeiter schafft binnen weniger Tage Tausende Klicks bei Instagram, Youtube und Facebook. „Diese Wertschätzung fühlt sich toll an", freuen sich die jungen Pfleger über das Ergebnis wochenlanger Arbeit.

Apropos Arbeit: Tatsächlich sind die Jobs im Krankenhaus seit nunmehr einem Jahr eine besondere Herausforderung", bestätigt Pressesprecher Christian Ritterbach vom Klinikum. Die Gründe: Das Corona-Virus, die davon ausgehende Gefahr und Vorsichtsmaßnahmen, damit sich Personal und Patienten nicht anstecken. Trotzdem wollen Jan-Gerrit Hörnlein und Tizian Mayer keinen anderen Beruf. Das macht jede einzelne ihrer Textzeilen mit einem Mix aus Stolz, Humor und dem Blick fürs Detail deutlich.
Gut, Musik – das wäre vielleicht eine Alternative. „Doch dafür muss man millionenfach gestreamt werden", weiß Hörnlein, der sein eigenes, kleines Tonstudio zu Hause sein Eigen nennt. Immerhin: Einen Bruchteil der ersten Million hat das Duo seit dem Wochenende schon geschafft.
"Mal was Positives, mal was zum Schmunzeln"
„Pflege ist cool und ein toller Beruf, der Spaß machen kann", sagt Tizian Mayer über die Gründe, ihrem Job ein Lied zu widmen. Wort um Wort, Wortspiel um Wortspiel ringen die Lemgoer mit den vielen kleinen Details des Alltags in der Krankenpflege. „Mal was Positives, und mal was zum Schmunzeln", sagt Jan-Gerrit Hörnlein in Anbetracht vieler Negativschlagzeilen.
Der Text, den Mayer und Hörnlein gereimt haben, fand einen Fürsprecher: Pflegedienstdirektor Andreas Zeisberg, selbst „überhaupt kein Fan der Rap-Musik", wie er sagt. Trotzdem sah er die beiden Hobby-Sängers als „lebendes Beispiel", wie man mit der Corona-Krise auch umgehen kann: nämlich positiv gestimmt. Bei Zeisberg kam der Rap so gut an, dass er den Weg in die Chefetage des Klinikums fand. Und das sorgte schließlich für den professionellen Videodreh, dessen Ergebnis nun auf Youtube zu sehen ist. Auch über Spotify & Co. ist der Song zu streamen, weil Jan-Gerrit Hörnlein dort schon vorher aktiv war.
Auch „auf Station", bei den Kollegen, kommen Musik, Text und Video gut an, verweisen die Hobby-Rapper auf das Feedback. Unter den Fans sei selbst der ein oder andere Chefarzt. „Im Nachhinein ärgert sich der ein oder andere nun sogar, dass er bei unserer Anfrage, im Video mitzuspielen, zu lange gezögert hat", betont Jan-Gerrit Hörnlein.
Dreharbeiten auf einer leeren Station
Gedreht wurde nach Worten von Pressesprecher Christian Ritterbach und Pflegedienstdirektor Andreas Zeisberg übrigens nach Dienstschluss – und unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen: Tests auf Corona vor jedem Drehtag, und all das auch nur auf einer Station, die wegen der Pandemie momentan ohnehin nicht in Betrieb ist, wie Zeisberg betont. „Trotzdem durfte es nicht nach einer leeren Station aussehen", beschreibt Tizian Mayer die besondere Herausforderung.
Das Gegenteil von gähnender Leere soll übrigens eines Tages auf dem wegen Corona bereits zwei Mal verschobenen Betriebsfest des Klinikums herrschen: Dann sollen Tizian Mayer und Jan-Gerrit Hörnlein mit ihrem Krankenpfleger-Rap vor versammelter Mannschaft auftreten. „Perfekt", freuen sich beide. „Rap ist einfach Live-Musik."
Neben dem musikalischen Gewinn sieht Pressesprecher Ritterbach auch einen Imagegewinn für den Pflegeberuf. Nachwuchskampagnen haben Kliniken landauf, landab einige gefahren – doch der Zugang über eine Musik, die ausgerechnet das Lebensgefühl vieler junger Menschen widerspiegelt, das dürfte ziemlich einmalig sein, sind sich die Verantwortlichen sicher.
Nach vier Drehtagen ist alles im Kasten
„Wir erreichen den Nachwuchs außerdem genau da, wo er momentan zwangsläufig viel Zeit verbringt: zu Hause", unterstreicht der Chef des Pflegedienstes, Andreas Zeisberg. Nachwuchswerbung in 4:27 statt Hochglanzbroschüren.
Vier Videodrehtage brauchte das Team, bis alle notwendigen Aufnahmen im Kasten waren. „Wenn dann alles fertig ist, kann man sein Lied eigentlich schon selbst nicht mehr hören", sagt Hörnlein. Gut, dass die Zwei schon die nächsten musikalischen Pfeile im Köcher haben: einen Lemgo-Song und einen Rap für die Zeit nach Corona.
Eine Gesangsausbildung haben weder Hörnlein noch Mayer. „Aber Talent zum Texten." Alles andere sind Erfahrung und harte Arbeit. So wie in der Krankenpflege.