"Obst wird es in diesem Jahr kaum geben"

Lemgo. Seit über 30 Jahren betreut der BUND Lemgo die Streuobstwiesen hinter dem Schloss Brake. Doch so etwas hat Willi Hennebrüder noch nicht erlebt: Egal, auf welchen Baum er zeigt – fast alle weisen deutliche Schäden auf und mit einer Obsternte ist in diesem Jahr kaum zu rechnen.

Der Vorsitzende des BUND Lemgo weist auf einen Apfelbaum, eine Weiße Winterglocke, etwa 70 Jahre alt, doch je höher der Blick nach oben in die Krone schweift, desto karger wird das Gehölz. Dunkel und trocken präsentieren sich dort abgestorbene Äste; Auswirkungen der vergangenen trockenen Jahre, vermutet Willi Hennebrüder. Das weit verteilte Netz der Feinwurzeln, die sich über gut 100 Quadratmeter erstrecken und die Pflanze mit Wasser und Nährstoffen versorgen, sei zum großen Teil abgestorben. Jetzt reicht die Zufuhr nicht mehr für die oberen Äste, erklärt der Umweltexperte, in Folge sterbe der Baum nach und nach ab. Ähnliches ist beim hoch gewachsenen Wallnuss dahinter zu beobachten und auch bei Zwetschge, Birne und Kirsche sieht es nicht viel besser aus.

Bienen sind nicht geflogen Der starke Regen der vergangenen Wochen mag da ein wenig helfen, doch die Schäden der vergangenen trockenen Jahre, die könne auch der nasse Frühling 2021 nicht mehr reparieren. Folgen des Klimawandels ist Willi Hennebrüder überzeugt und der hat nicht nur mit Trockenheit, sondern in diesem Jahr auch mit besonderer Kälte im Frühjahr zugeschlagen. Auch in diesem Fall sind die Folgen auf der Streuobstwiese offensichtlich: &bdquo;Obst werden wir in diesem Jahr wohl kaum ernten", sagt Willi Hennebrüder und hat Konsequenzen gezogen. Den Apfeltag, den der BUND in diesem Jahr am Schloss Brake feiern wollte, hat er bereits abgesagt. &bdquo;Dafür könnten wir gar nicht die Sortenvielfalt bieten."Die geringe Obsternte ist vor allem auf den Frost im April zurückzuführen. Viele Knospen erfroren und die Bienen, die flogen bei den niedrigen Temperaturen gar nicht erst aus, wie auch Horst Müller erklärt. Der Imker hat einige Stöcke mitten auf der Streuobstwiese aufgestellt.

Einen besseren Standort könne es eigentlich gar nicht geben, doch die Frühjahrsernte, die fiel für ihn in diesem Jahr komplett aus. Statt auszufliegen, Blüten zu bestäuben und sich zu vermehren, blieben die Völker im Stock. Etwa 5000 Bienen leben dort im Winter, die sich normalerweise bis zum Sommer auf etwa 40.000 Tiere vermehren – in diesem Jahr seien es gerade mal 20.000 geworden. Im Frühjahr hätten die Völker kaum Honig produziert, der zudem noch einen geringen Reifegrad, also zu viel Wasser hatte, wie der Imker erzählt. &bdquo;Da hat sich da Schleudern einfach nicht gelohnt" – und das, obwohl er zu normalen Zeiten im Frühjahr durchaus um die 100 Kilo Honig gewinnt.

Früchte kommen nicht durch Ähnliches hat er auch von anderen Imkern gehört, einzig Stöcke direkt am Rapsfeld könnten da vielleicht noch eine Ausnahme bilden. Wenig Blüten, Bienen, die aufgrund der Kälte kaum unterwegs waren – für Obstfreunde sieht es in diesem Jahr schlecht aus. Zumal viele Früchte, die sich dennoch entwickelt haben, vorzeitig absterben. Auch hier spielt wieder die Trockenheit eine Rolle, denn Schädlinge und Pilze können sich bei den geschwächten Bäumen deutlich schneller vermehren. Der Splintholzkäfer etwa, erklärt Willi Hennebrüder, der mache innerhalb weniger Wochen ganze Obstfelder platt. Er hofft jetzt, dass sich die Bäume wenigsten zum Teil wieder regenerieren und, dass die Ernte im nächsten Jahr besser ausfällt, wenngleich er sich nichts vormachen mag: &bdquo;Die Folgen des Klimawandels werden sich weiter auswirken."

Eine Wiese mit Geschichte Die Streuobstwiese am Schloss hat ihre Ursprünge im 16. Jahrhundert. Graf Simon VI (1554-1613) legte dort von 1588 bis 1590 einen Lustgarten an, für den er aus den Niederlanden Obstbäume einführen ließ. Weiter ausgebaut wurde der Garten mit Baumhöfen von Graf Casimir zur Lippe (1627-1700). Auf einem Kupferstich von 1726 ist ein Garten mit hochstämmigen Obstbäumen und zwei Plantagen zu sehen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Fläche an die Heil- und Pflegeanstalt Lindenhaus verpachtet, die Fürstin Pauline gegründet hatte. Der Lust- und Nutzgarten umfasste damals etwa vier Hektar. In den Gärten sollten die Kranken körperlich arbeiten, spazieren und Zerstreuung finden.

Hauptziel aber war die Eigenversorgung von Personal und Patienten. Die so genannte Irrenanstalt Lindenhaus existierte bis 1951. Später gelangte das Gelände dann in das Eigentum des Kreises Lippe. Die BUND-Ortsgruppe Lemgo betreut seit 1989 die 2,5 Hektar große Streuobstwiese, auf der ausnahmslos alte Obstsorten stehen. 100 verschiedene Sorten sind mittlerweile vorhanden. 2007 wurde ein Lehrpfad angelegt.

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