Lotsen des Klinikums helfen Patienten zu Hause

Lemgo. Ein Teil von älteren und chronisch kranken Menschen befindet sich regelmäßig in herausfordernden Situationen: ungeplante Krankenhausaufenthalte mit manchmal komplizierter Nachversorgung, nachlassende Selbstständigkeit im eigenen Zuhause sowie parallele Kontakte zu verschiedenen Einrichtungen des Gesundheitswesens – alles ist dabei. Das sind Situationen, in denen das Klinikum Lippe sowie Haus- oder Fachärzte Patienten beim Regionalen Versorgungskonzept Lippe anmelden können. Snjezana Kukec-Vetter und Emma Smoljanow werden dann als Gesundheitshelferinnen des Klinikums aktiv.

Anja Rethmeier-Hanke von der Stabsstelle Medizinische Steuerung und Entwicklung des Klinikums erzählt im Büro im Medicum Lemgo, wie das wegweisende Projekt zustande kam. In den Jahren 2010 bis 2013 erhielt das Klinikum für das Modellprojekt &bdquo;Regionales Versorgungskonzept Geriatrie – Gesundheitshelfer in Lippe" Fördergeld aus NRW, um gemeinsam mit dem Ärztenetz Lippe ein sogenanntes Case Management für ältere Menschen aufzubauen. Dabei steht als &bdquo;Fall" der Patient und seine Versorgung im Vordergrund, sei es stationär oder ambulant. Diese sektorenübergreifende Zusammenarbeit habe sich bewährt, verdeutlicht Anja Rethmeier-Hanke. Man habe die neu geschaffenen Strukturen als äußerst sinnvoll erachtet und das Klinikum deshalb die eineinhalb Stellenanteile ab 2013 selbst finanziert.

Gesundheitsberaterin Snjezana Kukec-Vetter erzählt, dass sie mit Patienten schon im Krankenhaus spricht und einen Hausbesuch, möglichst im Beisein von Angehörigen oder anderen Vertrauenspersonen, vereinbart. &bdquo;Der Hausbesuch ist wichtig", schildert Rethmeier-Hanke. Anhand eines standardisierten Leitfadens erfolgt eine Einschätzung der Einschränkungen und noch vorhandenen Ressourcen des Patienten und es wird ein gemeinsamer Hilfeplan entwickelt.

Hilfe auf vielfältige Weise

Grundsätzlich beginnen viele Problemkonstellationen mit eingeschränkter Mobilität, begleitet von nachlassender Seh- und Hörfähigkeit. Dem geht die Pflegefachkraft auf den Grund. Zum Beispiel hat jemand die chronische Lungenkrankheit COPD oder eine Herzinsuffizienz mit damit verbundenen Krankenhausaufenthalten. Vor Ort schaut sie sich an, welche Probleme der Patient bei der Bewältigung seines Alltags hat – ob er vielleicht Hilfe zum Einkaufen. benötigt. Oder ein Betagter hat Probleme sich zu duschen. Im Badezimmer seien oft Barrieren, berichtet Emma Smoljanow. Sie kann einen Kontakt zu einer Wohnraumberatung herstellen, die über einen eventuellen Umbau berät. Häufig nehmen Patienten auch die ihnen verordneten Medikamente aus unterschiedlichen Gründen nicht. Der jeweilige Hausarzt erhält anschließend ein kurzes schriftliches Feedback, die notwendigen Leistungen werden durch die Gesundheitshelferin koordiniert.

&bdquo;Es gibt auch Patienten, die gut informiert sind", weiß Snjezana Kukec-Vetter. Manche seien aber auch nicht in der Lage, die gegebenen Informationen zu verarbeiten. Vielfach sei nicht bekannt, dass es in Lippe viele Beratungsangebote gibt. Den Gesundheitshelferinnen sind diese vielfältigen Angebote gut bekannt, &bdquo;und nur aufgrund unseres stabilen Netzwerkes können wir unsere Arbeit gut durchführen", sagt Emma Smoljanow.

Auch die Klinik erhält eine Rückmeldung und kann bei der nächsten Entlassung entsprechend reagieren, weil die Versorgungssituation nun zu Hause bekannt ist. &bdquo;Auch Angehörige können bei erneutem Bedarf die Gesundheitshelferinnen wieder anrufen; sie fühlen sich so unterstützt", erläutert Smoljanow. Patienten wie Angehörige schätzen, dass ihre Ansprechpartnerin zu festen Zeiten erreichbar ist.

Auch Schlaganfall-Lotsen sind am Klinikum aktiv

Es habe sich herauskristallisiert, dass die Patienten von der vorausschauenden Beratung und Koordination sehr profitierten, resümiert Kukec-Vetter. Werde zum richtigen Zeitpunkt eine Gesundheitshelferin eingeschaltet, könne durch kleine Maßnahmen häufig Schlimmeres verhindert und eine Stabilisierung der Versorgungssituation der Patienten mit einem Durchschnittsalter von 83 Jahren erreicht werden. Durch Information, Beratung, Koordination und Kommunikation als Schwerpunkte der Arbeit der Gesundheitsberaterinnen werden zudem die Hausärzte entlastet.

Im Klinikum Lippe sind auch Schlaganfall-Lotsen aktiv, die Patienten nach einem Schlaganfall für zwölf Monate als Case-Managerinnen betreuen. Weitere Gesundheitshelferinnen sind im Ärztenetz Lippe tätig, hier wurde in den vergangenen Jahren das bundesweit viel beachtete Projekt &bdquo;RUBIN" mit auf den Weg gebracht, das ebenfalls auf einem Case Management für ältere Menschen basiert. Ende 2016 gründeten Klinikum Lippe und Ärztenetz Lippe die gemeinsame Gesellschaft Regionales Versorgungskonzept Lippe GmbH.

&bdquo;Wir denken, dass auch Lotsen für Patienten mit COPD sinnvoll wären und bemühen uns um eine Projektfinanzierung", erklärt Rethmeier-Hanke. Erfreulicherweise gebe es außerdem ernstzunehmende Bestrebungen, Patientenlotsen im deutschen Gesundheitssystem als neue Leistung aufzunehmen. Dabei werde auch diskutiert, wo künftige Lotsen sinnvollerweise angesiedelt sind. Kommunen könnten Teile des Systems als kommunale Aufgabe übernehmen. Das Lotsensystem des Klinikums ist jedenfalls bundesweit auf Interesse gestoßen.

Case Management

Fallmanagement oder Case Management in der gesundheitlichen Versorgung ist eine Management-Strategie mit dem Ziel, die Versorgung von Versicherten in einer akuten Krankheitsepisode so zu steuern, dass in einem abgestimmten Prozess die individuell notwendigen Gesundheitsleistungen zeitnah zur Verfügung gestellt werden.

Das Fallmanagement arbeitet laut AOK Bundesverband hierzu mit einem Ablaufschema, um den Versorgungsbedarf eines Patienten in einem bestimmten Zeitraum quer zu unterschiedlichen Zuständigkeiten von Einrichtungen, Ämtern und Dienstleistungen zu planen, koordinieren, implementieren, überwachen und evaluieren. Dabei verfolgt Case Management das Ziel, die Qualität der Versorgung so zu sichern, dass auch langfristig entstehende Kosten gesenkt werden.

Diese Form der Fallführung geschieht durch sogenannte Case Manager, die für die fortlaufende Fallbeobachtung, die Organisation eines optimalen Behandlungsprozesses und die Betreuung des Patienten zuständig sind. Case Manager ist ein neues Berufsbild im Sozial- und Gesundheitswesen und wird in Krankenhäusern, Reha-Einrichtungen, Pflegeheimen und Krankenkassen angewendet.

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