„Alt Lemgo“ erhöht den Druck: Historische Tankstelle soll bleiben

Lemgo. Jetzt muss die Politik Farbe bekennen, was den geplanten Abriss der alten &bdquo;Tanke" am Regenstor angeht. Waren die Mandatsträger dem Vernehmen nach froh, die Entscheidung bislang nur zur Kenntnis nehmen zu müssen, weil sie durchs Bauamt als notwendiges Übel eingestuft worden war, sind sie nun gezwungen, sich zu positionieren.

Lässt doch &bdquo; Alt Lemgo" , hiesiger Mitgliedsverein im Lippischen Heimatbund mit seinen knapp 1000 Köpfen, der Bürgeranfrage von 2021 einen offiziellen Antrag an den Stadtrat folgen. Darin setzt sich &bdquo;Alt Lemgo" dafür ein, Tankstelle und vor allem ihr Dach zu erhalten und zu sanieren.

Bauamt sieht die Gefahr

Das Bauamt hat den Bereich unterm nicht denkmalgeschützten Dach absperren lassen und argumentiert mit Einsturzgefahr und Sanierungskosten, die in keinem Verhältnis stünden. Zur Demonstration hatte Bau-Chef Karl Wessel sogar vom Dach &bdquo;geborgene" Betonbröckchen im Gepäck. &bdquo;Das Dach zerfällt einem quasi unter den Fingern", warnt Karl Wessel, hat den kurzfristig geplanten Abriss aber wegen des Gegenwindes verschoben.

Bierhenke hat einen Plan

Der Widerstand kommt ursprünglich vom Lemgoer Immobilienmakler Sven-Eric Bierhenke, der die Tankstelle kaufen, sanieren und als Bildungsstandort unter anderem für die TH OWL betreiben möchte. Auch eine Kooperation mit dem künftigen Betreiber des Campingplatzes sei denkbar.

In einem neuen Schreiben an Bürgermeister, Bau- und Immobilienverwaltung, Stadtrat und den Arbeitskreis Campingplatz legt der Makler nach und verspricht eine &bdquo;Sanierung des Schwingendaches in einer vorgegebenen Zeit". Zwei Jahre nach Kauf hält Bierhenke für realistisch. Sogar einen Imagefilm hat der Makler, der selbst Nachrücker für die SPD im Stadtentwicklungsausschuss ist, drehen lassen und auf eine geschaltete Internetseite gestellt. Zum Zustand verweist Bierhenke auf das Angebot eines Bauunternehmens aus Detmold, das ihm die Sanierung unter anderem durch Flüssigkunststoff-Abdichtung für insgesamt 50.000 Euro anbiete.

&bdquo;Alt Lemgo" springt bei

Da das öffentliche Interesse an dem Gebäude offensichtlich groß sei, ist die Rettung auch die Empfehlung von &bdquo;Alt Lemgo", denen die Kostenschätzung Bierhenkes offensichtlich bekannt ist. So ist in dem von Thomas Menking formulierten Antrag ebenfalls von maximal 50.000 Euro Kosten die Rede. Menking weiter: &bdquo;Viele Bürger können sich noch an die Frühzeit der breiten Automobilisierung in unserer Stadt erinnern. Das ehemalige Tankstellenensemble ist ideal als Ort lebendiger Erinnerung geeignet, es hat Potenzial für Ausstellungen, Feiern, Treffs und andere kleine Events", schreibt Thomas Menking im Antrag.

Für den Reiz der &bdquo;Tanke" müsse das Dach bestenfalls stehen bleiben. Wenn das aufgrund einer unerwarteten Kostenexplosion nicht möglich sei, müsse eine filigrane Stahl- oder Holzkonstruktion an die Stelle treten. Ohne Zweifel würden für die Renovierung des Campingareals höhere Kosten entstehen, zieht &bdquo;Alt Lemgo" einen Vergleich.

Dass einer der wichtigsten Vereine Lemgos mit seiner Forderung sowohl Stadt als jetzt auch Politik die Pistole gewissermaßen auf die Brust setzt, möchte Vorsitzender Dr. Hans-Otto Pollmann gar nicht verhehlen. &bdquo;Uns geht es aber nicht darum, Betonstaub festzuhalten – uns geht es um eine öffentliche und transparente Diskussion und am Ende Entscheidung." Dazu gehöre, dass sich der Stadtrat eine Meinung bilde, und all das nicht sang- und klanglos über die Bühne gehe.

Kritik an LWL-Expertise

Dafür setzt sich auch der Lippische Heimatbund ein. Dr. Joachim Kleinmanns, Leiter der Fachstelle Baugestaltung und Denkmalpflege, kommt in seinem Schreiben an Stadtrat und Bürgermeister sogar zu einem anderen Ergebnis als der LWL (Landschaftsverband Westfalen-Lippe), der in Sachen Denkmal abgewunken hatte . Demnach habe die Analyse vor knapp zwei Jahren zweifelsfrei ergeben, dass die Tankstelle gegenüber dem Original zu stark umgebaut worden sei, um als &bdquo;Geschichtszeugnis in Stein" zu gelten.

Für Kleinmanns taugt die alte Tankstelle, insbesondere das Schwingendach, aber sehr wohl zum Denkmal. Er vermutet, dass dem LWL bei seiner Einschätzung das Detailwissen gefehlt habe. Veränderungen, die das Gebäude erfahren habe, seien normal und kein alleiniger Grund, abzulehnen.

Ein neunseitiges Gutachten über die Tankstelle von 1955/56, die bis Mitte der Achtziger im Betrieb war, fügt Kleinmanns an. Darin ist von einer mustergültigen BP-Typentankstelle die Rede, entwickelt vom Architekten Lothar Götz. Das Dach sei Wiedererkennungsmerkmal aller in der BRD gebauten BP-Tankstellen der 60er gewesen, das würdigten auch Veröffentlichungen in vielen Architekturzeitschriften.

Gleichwohl würde der LWL, würde er seine Entscheidung korrigieren, einen Dammbruch herbeiführen: Bislang, so Kleinmanns weiter, wurde noch nie eine BP-Typentankstelle unter Denkmalschutz gestellt. Die Bevölkerung nehme aber immer mehr Anteil an alten Tankstellen, etwa im Detmolder Freilichtmuseum. &bdquo;Unbedingt erhaltenswert", lautet die Schlussfolgerung des Heimatbundes, auch im Vergleich zu der gleichwohl älteren und bereits denkmalgeschützten alten Tankstelle am Steinweg 7 aus der Nazi-Zeit. Sie sollte den jedoch nie realisierten Plänen der Nationalsozialisten später an einer lippischen Autobahn liegen.

Drei wollen den Zeltplatz

Neben dem Bürgerantrag laufen die Verhandlungen bezüglich einer Neuvergabe des Campingplatzes weiter. Sie dürften auch Einfluss auf die Tankstellen-Frage haben: Hat der neue Betreiber überhaupt Interesse am Gebäude und Grundstück? Diese Frage ist wohl erst zu beantworten, wenn aus den verbliebenen drei Bewerbern ausgewählt ist. Hinter verschlossenen Türen stellen sich alle Drei am Monatsende im Betriebsausschuss vor. Eine Entscheidung soll voraussichtlich Mitte März fallen.

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