Feuerwehrchef Wegener vor dem Abschied: Es geht ein Mann des klaren Wortes

Lemgo. Seit fast drei Jahrzehnten ist Klaus Wegener Stadtbrandinspektor der alten Hansestadt. Für nicht wenige ist der 62-Jährige die Lemgoer Feuerwehr in Person. Anfang Februar macht Wegener die Spitze der Einsatzabteilung mit mehr als 200 aktiven Mitgliedern frei für Nachfolger Lars-Uwe Brede. Ein Abschied im richtigen Moment, sagt der scheidende Chef zum Generationswechsel.

Entschuldigen Sie das Wortspiel, aber ein Klaus Wegener hat immer für sein Amt gebrannt. Geht man da einfach so in Rente?

Klaus Wegener: Nein, es ist auf jeden Fall mehr als das. Die Feuerwehr war ein Teil, nein, sie war mein Leben. Mit acht Jahren war ich beim Vorläufer der Jugendwehr, dann bei Übungen, Festen, Ausbildungswochenenden - ich habe meinen Vater immer begleitet.

Die Karriere wurde Ihnen also in die Wiege gelegt?

Wegener: Zweifelsohne. Mein Vater war Gastwirt und als solcher Bereitschaftskoch für die Feuerwehr, da bin ich mitgefahren. Früher brannte es öfter auf der Maibolte. Tagelang, manchmal wochenlang kokelte der Müll. Die Truppe brauchte was zu essen.

Sie wurden nach der Jugendfeuerwehr aktives Mitglied im Löschzug Lemgo. Was haben Sie in der Feuerwehr gefunden?

Wegener: Kameradschaft, Zusammenhalt und ganz wichtig: das Funktionieren. Gerade das hat mich fasziniert: Es wurde nicht nur, wie anderswo, drumherum geredet, sondern etwas besprochen, geplant und dann auch umgesetzt. 30 Jahre lang war es mein Ziel, immer zwei Schritte voraus zu sein und nichts dem Zufall zu überlassen.

Das klingt nach einem hohen Ziel, wo man doch nie weiß, wie sich ein Einsatz entwickelt.

Wegener: Genau darum geht es. Du musst alle Optionen mitdenken und dann klar und eindeutig führen. Feuerwehr duldet einfach keine Pause, auch nicht nach Niederschlägen und Ärger.

Die haben Sie erlebt?

Wegener: Natürlich, das ist unvermeidlich. Glücklicherweise wurde in der Geschichte der Lemgoer Feuerwehr noch nie jemand im Einsatz tödlich verletzt, aber es gab Unfälle, die man kritisch hinterfragen muss. Auch wenn Kameraden, zum Beispiel bei Verkehrsunfällen, plötzlich persönlich betroffen sind. Dann ist es gute Führung, wenn die Truppe nicht in ein Loch fällt. Wenn die Emotionalität zu sehr mitfährt, kommt es zu Unsicherheiten. Und die bringen die Menschen, die Hilfe brauchen, dich und auch Kameradschaft in Gefahr.

Das klingt ziemlich professionell

Wegener: Ohne Professionalität geht es nicht. 1989, beim Schulbusunfall in der Lütte, hatten wir fast zwei Dutzend verletzte Kinder. Bis genug Ärzte da waren, hat es gedauert. Die Kinder lagen in unseren Einsatzfahrzeugen, wir mussten sie versorgen und betreuen bis ausreichend Rettungswagen und Hubschrauber vor Ort waren. Da darfst du nicht abgelenkt oder angefasst sein. Ein andermal kommst du dann irgendwo hin, wo Leute ihr Hab und Gut oder einen Menschen verloren haben. Ja, man muss helfen. Aber man muss auch akzeptieren lernen.

Sie meinen, wenn es hart auf hart kommt?

Wegener: Ich meine die emotional schwierigen Einsätze. Wenn du von vornherein weißt, hier ist niemand mehr zu retten. Dann achtest du als Chef besonders auf deine Mannschaft. Ich denke an das Feuer 1996 in der Echternstraße: zwei Tote, sieben Verletzte. Als wir kamen, lagen einige Verletzte auf der Fahrbahn, Kinder kletterten zwischen den Häusern runter. Überall aufgebrachte Angehörige, Nachbarn, die helfen wollten. Aber die Drehleiter musste ans Gebäude ran, sonst wäre die halbe Stadt abgefackelt. Professionalität durch gute Ausbildung – das zählt.

Apropos Professionalität: Die Lemgoer Feuerwehr ist, eine Besonderheit bei der Größe der Stadt, eine ehrenamtliche. Sind Sie darauf stolz?

Wegener: Unbedingt, das ist aber ein gemeinsamer Verdienst. Die Stadtverwaltung und der Stadtrat haben es immer geschafft, die Feuerwehr zu stärken – und umgekehrt. Wir liegen heute bei über 500 Einsätzen pro Jahr. Die ehrenamtlich zu schultern, ist nicht selbstverständlich.

Wie sieht die Stärkung aus?

Wegener: Einerseits haben wir die Unterstützung erfahren, sodass wir auf dem Stand der Technik sind. Die Neubauten der Gerätehäuser Lieme und Kirchheide sind im Plan, dazu eine Abstellremise in Voßheide. Aber schöne Einsatzfahrzeuge und schicke Hallen reichen nicht, man muss auch die Menschen haben, die all das mit Herzblut bedienen. Übrigens auch Menschen, die sich für die immer komplexere Ausbildung und Technik interessieren.

Umso mehr vereint die Lemgoer Feuerwehr eine bunt gemischte Truppe

Wegener: bunter denn je. Früher waren viele Handwerker in unseren Reihen. Das sind sie immer noch, aber ihr Anteil sinkt. Auch viele Techniker gehören dazu, vom Hochschulstandort haben wir insofern ohne Zweifel profitiert. Feuerwehr ist und bleibt Handarbeit, mit einem Tablet kann ich nicht löschen. Und dann ist da die Treue – von den mehr als 200 aktiven Mitgliedern sind viele Jahrzehnte dabei. Familie, Arbeitgeber, Freizeitverhalten – ein Spannungsfeld, in dem aber alle mitziehen.

Welche Einsätze werden Ihnen in Erinnerung bleiben?

Wegener: Auf jeden Fall das Pfingsthochwasser 2003, fast wäre die halbe Stadt abgesoffen. Erst nach 36 Stunden war die Lage unter Kontrolle. Beeindruckend waren auch die Elbe-Hochwasser 2002 und 2013, wo wir wochenlang rund um Stendal waren, Deiche gesichert und mit Hochleistungspumpen große Flächen leer gepumpt haben. Alle paar Tage mussten wir die Mannschaft durchwechseln.

In der Stadt gelten Sie als Mann des klaren Wortes.

Wegener: Das hoffe ich. Ein Wehrführer hat in der Stadt auch die Aufgabe, auf vorbeugende Gefahrenabwehr aufmerksam zu machen und nicht nur die Funktion in seiner Truppe.

So macht man sich nicht nur Freunde siehe Ihr Eintreten für die Feuerwehrleute bei der Priorisierung im Corona-Impfzentrum. Oder beim Widerstand gegen das Windrad auf dem Betriebsgelände des Kompostwerks Maibolte.

Wegener: Ich hatte schon immer eine klare Vorstellung, was und wie Feuerwehr ist und sein muss. Es ging mir immer um die Sache und darum, für soliden Einsatz der Feuerwehr oder für den Schutz der Bevölkerung einzutreten.

Was denken Sie, wenn Sie sehen, dass seitens letzterer in Berlin Raketen und Böller auf Einsatzkräfte fliegen?

Wegener: So etwas kennen wir hier nicht und möchte ich hier nicht sehen. Aber ich sehe das auch mit Augenmaß. Ein paar Verrückte, Übermütige oder Betrunkene? – es gibt sie immer und überall. Natürlich darf das nicht sein, aber die viel wichtigere Frage scheint mir eine andere.

Welche ist das?

Wegener: Haben wir, wir alle, aktuell überhaupt Gründe, Böller zu schmeißen, wenn 1500 Kilometer entfernt ein Krieg in Europa stattfindet? Ich denke nicht. Ebenso meine Meinung zur Weihnachtsbeleuchtung: Wir sollen Energie sparen ohne Ende, und spielen dann doch heile Welt? Das passt nicht. Ich habe den Mut gehabt, vor der Feuerwache keinen Weihnachtsbaum aufzustellen.

Mit dem 1. Februar endet die ständige Erreichbarkeit. Fällt da eine Last ab?

Wegener: Das habe ich so nie empfunden. Seit 1976 die ersten Funkalarm-Empfänger aufkamen, trage ich einen, wenn ich in Lemgo bin. Aber diese ständige Bereitschaft war nie ein Problem.

Persönlich Klaus Wegener ist Feuerwehrmann durch und durch. Nach seiner Zeit bei der Jugendwehr, die er mitgründete, wurde er alsbald aktives Mitglied, kümmerte sich um die Feldküche und wurde mit 27 Jahren Brandmeister. Mit 34 wurde er Vize-Chef, 2002 dann Wehrführer. Zehn Jahre lang lebte Wegener mit seiner Frau und drei Kindern in einer Dienstwohnung in der Feuerwache an der Orpingstraße. Bevor der 62-Jährige sich auch beruflich um den Feuerschutz kümmerte, war er Abteilungsleiter beim Lemgoer Kfz-Zulieferer Isringhausen im Muster- und Prototypenbau. 18 Jahre lang war Wegener neben seiner Funktion in Lemgo auch Geschäftsführer des lippischen Feuerwehrverbandes und bestellter Einsatzleiter im Katastrophenschutz für den Kreis Lippe,dazu fast 20 Jahre Ausbilder für Führungsaufgaben am Feuerwehrausbildungszentrum und 15 Jahre im Prüfungsausschuss für Gruppenführer in Münster. Im Verbandsausschuss des Verbandes der Feuerwehren in NRW arbeitete der Lemgoer zwölf Jahre als OWL-Vertreter mit. Als einzige Tätigkeit weiterführen will er nun die in der Sterbekasse für Feuerwehren, Wegener ist Vize-Vorstandschef des Sozialwerks mit Sitz in Bückeburg.

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