Lemgo. Der Advent ist die besinnlichste Zeit des Jahres. Doch hinter all dem Schein und Glitzer verbirgt sich für viele Menschen auch Leid und Einsamkeit. In der Kirche St. Marien will man dem entgegenwirken.
„Leid und Einsamkeit“ heißt die Lichtinstallation des Künstlers Jan Philip Scheibe, die in der Adventszeit Helligkeit in den Raum tragen soll. Dabei handelt es sich um ein großes Werbeschild mit vielen bunten Lampen, so wie man es vom Jahrmarkt kennt, das den sakralen Raum mit bunten, schillernden Lichtern erhellt. In der Mitte positionieren sich in großen Lettern die Wörter „Leid und Einsamkeit“.
Bezug zu Pogromen
Jedes Jahr zur Adventszeit stellen regionale Künstler ihre Exponate in der Kirche St. Marien aus, erklärt Pfarrer Matthias Altevogt zu Beginn des Künstlergesprächs, zu dem er gemeinsam mit dem Lichtvirtuosen und gebürtigem Lemgoer Jan Philip Scheibe eingeladen hatte. Über die Lichtinstallation von Jan Philip Scheibe aber freue er sich besonders. Zum einen, weil die beiden sich aus ihren Schultagen kennen und zum anderen, weil die Aussage, die die Installation wiedergebe, nicht treffender sein könnte. „Wir dürfen nicht vergessen, was war, gerade in der heutigen Zeit“, so der Theologe und wies dabei auf die judenfeindlichen Kunstwerke hin, die an zwei Stellen in der Kirche zu finden sind.
Auf Informationstafeln erhalten die Besucher Auskunft über die Geschichte dieser Figuren. Wichtig sei dabei auch die zeitliche Einordnung der Entstehung. Denn die Figuren stammen aus dem 14. Jahrhundert, also aus jener Zeit, als die Kirche erbaut wurde. „Wir distanzieren uns von dieser Ideologie und den damit einhergehenden Gewaltfantasien dieser Zeit“, erläuterte Matthias Altevogt, „doch wir wollen gegen das Vergessen handeln und auf die Geschichte aufmerksam machen“.
Und das führe letztlich wieder zu der Lichtinstallation „Leid und Einsamkeit“. „Die Zeiten der Pogrome waren erfüllt von Leid und Einsamkeit“. Worte, die die Installation widerspiegelt. Doch an die blinkende Installation mussten sich die Kirchgänger erst gewöhnen. Anfangs seien viele doch sehr verwundert gewesen, so Pastor Altevogt. Doch vor allem, nachdem sie mehr über die Hintergründe und die Botschaft des Kunstwerkes erfahren hatten, würden sie sich zunehmend an dem Kunstobjekt erfreuen.
Lichter reagieren auf Menschen
Besonders auch bei den jungen Besuchern komme das Lichtkunstwerk gut an. „Besucher können mit dem Exponat in Interaktion treten“, erklärte Jan Philip Scheibe, „denn es reagiert auf Geräusche, wie Klatschen oder lautes Sprechen, mit einem Farbwechsel des Lichtes“. Zudem solle die leuchtende Installation die Menschen auch anregen, darüber nachzudenken, was in den Schatten gestellt werde und was echt sei, so der Künstler. Dass die Lichtspielerei bunte Lichter in den sakralen Raum werfe, stehe dabei auch im Zusammenhang mit der lichterfüllten Adventszeit oder auch dem bunten Kläschenmarkt; aber gleichzeitig auch mit den Schatten, die diese Zeit auf manche Menschen werfe.
In seinem ersten „Artistalk“, wie der Künstler es nennt, ging Jan Philip Scheibe mit den Zuschauern ins Gespräch. Er erzählte von seinen künstlerischen Projekten, von seinen Ambitionen und davon, wie es zu dieser Lichtinstallation in der St. Marien Kirche gekommen ist. Die künstlerische Arbeit von Jan Philip Scheibe wird im Wesentlichen geprägt von Installationen und Performances im öffentlichen Raum und in der freien Landschaft, oft verbunden mit Licht. Dabei analysiere er die Rezeption und romantische Verklärung von Natur und die Rolle, die der Mensch in der Gestaltung von Landschaft spiele.