Alexander Baer (SPD): „Wir müssen in Lemgo einfach mehr wagen“

Lemgo. Als Lieblingsort hat sich Alexander Baer das Schloss Brake ausgesucht. Im angrenzenden Restaurant hat er seine Frau kennengelernt, den Heiratsantrag später bei einer Party in der Schlossscheune gestellt und im Standesamt geheiratet. &bdquo;Ein für mich wirklich ganz besonderer Ort“, wie der 50-Jährige erzählt und sich dann konzentriert und locker auf das Interview einlässt.

Herr Baer, warum sollten die Lemgoer Sie wählen?

Alexander Baer: Ich komme aus Lemgo, bin hier groß geworden, wohne hier. Ich weiß einfach, wo der Schuh drückt. Und ich höre den Menschen zu. Eine meiner Stärken ist, dass ich Entscheidungen treffe. Auch, wenn es manchmal weh tut. Und ich glaube (lacht), ich bin schneller als andere.

Stichwort Entscheidungen: Wenn Sie Bürgermeister werden, welche Entscheidungen würden Sie als erstes treffen?

Auf jeden Fall das kostenlose Schülerticket wieder einführen. Natürlich braucht man dafür Mehrheiten, aber es ist extrem wichtig: Nicht nur, weil Schüler umsonst fahren, sondern es entlastet auch die Straßen. Und dann die Wallschule: Da muss es endlich vorangehen. Dritte Sache, ich würde mich um einen kommunalen Ordnungsdienst kümmern, der 24/7 da ist. Da gibt es ja schon kommunale Kooperationen in Lippe, also Kommunen, die ihr Personal im Ordnungsdienst teilweise teilen. Dann wäre auch in Lemgo jemand da, der nach 18 Uhr nach dem Rechten schauen könnte.

Das Thema Verkehr ist den Lemgoern sehr wichtig, ein absoluter Knackpunkt, wie es auch der Lippe-Check der LZ zeigt. Wie stehen Sie eigentlich zur Nordumgehung?

Ich bin ein großer Befürworter. Schon immer gewesen, auch wenn die SPD das Thema teilweise früher umgangen ist. Stau auf den Straßen ist in Lemgo ein Riesenproblem. Da geht es aber auch um Baustellenplanung: An Lagescher, Schuhstraße und Breiten Straße zum Beispiel wurde zeitgleich gearbeitet. Das kann man schlauer koordinieren. Wir sollten in Kooperation mit der TH OWL stärker auf intelligente Ampelschaltung setzen. Und der Stadtbus, der müsste nach 19 Uhr noch fahren.

Problemfeld Innenstadt: Was tun Sie gegen den Leerstand?

Innenstädte müssen neu gedacht werden. Gucken wir nach Hamm oder in die Niederlande, da gibt es innovative Wege. Wir müssen Frequenz reinbringen, zum Beispiel städtische Betriebe wie Musikschule, VHS oder auch Verwaltung in die Stadt bringen.

Doch noch scheint es nicht so recht voranzugehen?

Es gibt zu langwierige Entscheidungen, bis man Baugenehmigungen bekommt. Verwaltung muss da mehr Dienstleister sein. Auch in anderen Bereichen. Die Menschen sind gefrustet. Das muss einfach schneller gehen. Also nicht erst nach dem Problem gucken und sich fragen, warum es nicht gehen könnte, sondern andersrum gucken, warum es funktionieren könnte.

Schnellere Abläufe, also auch mehr Personal bei der Verwaltung?

Nein, aber umstrukturieren. Die vorhandenen Personalressourcen anders einsetzen und andere Prioritäten setzen. Man muss im Zweifelsfall auch mal mit einem Fehler leben können.

Gewohnte Strukturen aufbrechen, dafür braucht es Durchsetzungsvermögen.

Ich bin ein Teamplayer, diskutiere gerne, nehme Gedanken auf. Aber am Ende des Tages entscheide ich auch. Ich komme eben nicht aus der Verwaltung, war im Dienstleistungsbereich tätig und habe damit vielleicht auch einen anderen Blick auf das Vorgehen. Ich glaube aber auch, wenn man die Leute lässt, dann haben sie mehr Lust an der Arbeit. Meine fehlende Verwaltungserfahrung sehe ich da durchaus als Stärke.

Kämmerer Frank Limpke sieht finanziell düstere Zeiten für Lemgo. Heißt das für Sie, eher verwalten als machen?

Seit 2019 bin ich Fraktionsvorsitzender in Lemgo und mittlerweile auch finanzpolitischer Sprecher der SPD im Landtag. Schauen wir doch auf die Eigenkapitalquote von Lemgo, wir sind eine der reichsten Kommunen in NRW. Seit 2015 prognostizieren die Kämmerer mit gut 40 Millionen Euro Verlust, in der Tat aber haben wir 28 Millionen Gewinn gemacht. Für dieses Jahr standen knapp 9 Millionen Euro Verlustandrohung im Raum, wir haben bislang 6 Millionen Gewinn. Wir müssen in Infrastruktur investieren, das kommt der Kommune doch letztlich wieder zugute.

Was ist Ihrer Ansicht nach in den vergangenen fünf Jahren falsch gelaufen?

Die Innenstadtentwicklung. Da wurde zu lange zugeguckt und abgewartet. Wir haben 30 Prozent Einzelhandelsrückgang in Lemgo. Der Chef von Lemgo Marketing ist überraschend gegangen, das hätte der Bürgermeister doch zur Chefsache machen müssen. Generell müssen wir uns mehr trauen, mehr zulassen. Jeder Punkt kann weiterführen.

Auch beim Thema Wohnen?

Klar, da geht es einerseits wieder um die Bauordnung und um schnellere Entscheidungen. Aber wie kann mehr Neubau entstehen, auch im Gewerbe? Da muss man wohl auch darüber nachdenken: Kann ich in die Höhe gehen? Das wird nicht jedem gefallen. Auch Neues sollten wir andenken: In Hamburg zum Beispiel können Studenten, Wohnungen in alten Bürogebäuden beziehen.

Haben Sie ein politisches Vorbild?

Helmut Schmidt und ja, das klingt vielleicht komisch: den langjährigen CDU-Bürgermeister Reiner Austermann, und das vor allem in einer Hinsicht: Ihm ist es immer wieder gelungen, alle an einen Tisch zu holen. Das hat mir imponiert.

Fehlt dieses Miteinander aktuell?

Tja, Menschen über die Fraktionen hinweg an einen Tisch zu holen, das klappt momentan nicht so gut.

Wann sagt Alexander Baer am Ende eines Tages: &bdquo;Das war ein guter Tag“?

(lacht) Interessante Herausforderungen zählen für mich dazu. Dass ich abends um 18 Uhr sage, wie schon 18 Uhr? Jeden Tag ein Erfolgserlebnis, ob privat oder beruflich.

Können Sie abends gut abschließen?

Das gelingt mir meistens. Streitgespräche kann ich gut abschließen, aber in Punkten, um die ich mir Sorgen mache, gelingt mir das nicht immer.

Welche Sorgen treiben Sie da um?

Wie wird der künftige Rat aussehen, welche Fraktionen sind vertreten? Ich sehe da mit der AfD durchaus auch die Demokratie gefährdet und das macht mir Angst.

Persönlich Alexander Baer ist gebürtiger Lemgoer, wohnt in Brake, ist verheiratet und hat zwei Töchter. Der 50-Jährige ist gelernter Sparkassenkaufmann, absolvierte parallel ein Studium zum Sparkassenbetriebswirt und arbeitete im Immobiliengeschäft, bevor er 2022 für die SPD in den Landtag zog. Dort ist er mittlerweile der finanzpolitische Sprecher der Fraktion. In Lemgo ist er seit 2019 Fraktionschef der Sozialdemokraten.

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