Im Lemgoer Kastanienhaus geben die jungen Alten den Ton an

Lemgo. Es war eine schwierige Zeit. Feuchtigkeit hatte sich im Altbau des Kastanienhauses am Wall breitgemacht, ein ganzer Trakt musste gesperrt werden. Die Nutzer rückten zusammen - und machten aus der Not eine Tugend: Gemeinsam entwickelten sie neue Ideen für das offene Angebot.

Mittlerweile sind die Bauarbeiten fast abgeschlossen. Hatte man zunächst gehofft, es nur vereinzelt mit nassen Stellen zu tun zu haben, so stellte sich bei den Kontrollen schnell heraus, dass fast der ganze Fachwerkanbau betroffen war . Gut eineinhalb Jahre dauerten die Arbeiten. Die Räume mussten komplett entkernt, die Fußböden neu aufgebaut, das Ganze gedämmt und saniert werden. Gut 125.000 Euro lässt sich die AWO OWL die Maßnahme kosten; noch stehen letzte Arbeiten an, doch seit dem Sommer sind die Räume wieder geöffnet. "Keine einfache Zeit", wie Einrichtungsleiterin Petra Junghans rückblickend erklärt, zumal das Haus, das zusammen mit dem angeschlossenen Jugendzentrum Angebote für alle Generationen bietet, sich nach Corona gerade wieder neu aufzustellen begann.

Spontan am Billardtisch getroffen Doch die Gäste der AWO-Einrichtung wussten die Zeit zu nutzen. In neuen Gruppen und Konstellationen kamen sie zusammen und so entstanden auch ganz unerwartete Gespräche und Ideen. Zum Beispiel die für eine offene Gruppe, die Menschen ab 60 die Möglichkeit bietet, sich zu treffen und neue Kontakte zu knüpfen, ohne, dass sie sich anmelden oder festlegen müssten. Immer freitags, von 10 bis 14 Uhr, soll es diese Gruppe jetzt im Kastanienhaus unter dem Motto "Erleben, Mitmachen, Weitersagen" geben. Das Programm ist dabei noch offen und kann nach Lust und Laune erweitert werden. "Gesellschaftsspiele, Billard, zusammen Kochen oder auch Lemgo entdecken", zählt Jutta Schumann nur einige der Möglichkeiten auf.

Die Lemgoerin ist selbst erst seit Kurzem dabei, frisch in Rente kam sie zunächst über den Literaturtreff ins Haus, entdeckte dann den Billardtisch ("ich habe schon immer gerne Billard gespielt, damals noch in Kneipen") und suchte nach Gleichgesinnten. Zunächst musste der FSJ-ler mit ran, bis sich dann schnell noch weitere Billardfreunde fanden, die sich mittlerweile regelmäßig am grünen Tisch treffen. Unter ihnen ist auch Klaus Deerberg, der ebenfalls noch nicht lange aus dem Arbeitsleben ausgeschieden ist. Auch er will sich in der neuen Freitagsgruppe engagieren, "vielleicht auch mit einem gemeinsamen Mittagessen", so wie es sie auch früher im Haus gegeben hat. Ideen gebe es viele, fällt auch Monika Bahlo von der AWO-Ortsgruppe ein, letztlich gehe es jetzt darum, was sich gemeinsam realisieren lasse.

"Bist du dafür nicht zu jung?" Denn eines ist klar: Die Freitagsgruppe ist eine Gruppe auf eigenständiger Basis. "Die Teilnehmer sollen sich nach Möglichkeit selbst organisieren, bei Fragen stehen natürlich die Hauptamtlichen bereit", erklärt Petra Junghans und freut sich auf neue Inspirationen. Nach Corona seien offene Angebote gefragt und wer Interesse hat, der möge doch einfach mal hineinschauen in das Begegnungszentrum am Wall, in dem sich nicht nur über 40 Vereine, sondern auch viele Einzelpersonen regelmäßig treffen.

Das, erklärt auch Jutta Schumann, sei längst noch nicht in allen Köpfen verankert. "Was? Du gehst ins Kastanienhaus?", sei sie von Bekannten angesprochen worden. "Bist du dafür nicht zu jung?" Nein, ist sie nicht. Denn obwohl das Begegnungszentrum offensichtlich noch mit reiner Seniorenarbeit in Verbindung gebracht wird, fänden sich im AWO-Haus am Wall alle Generationen bei Treffs und unterschiedlichen Angeboten wieder.

Wer sich davon überzeugen möchte, der sollte vorbeikommen - und soweit 60+ - sich auch Zeit nehmen, die neue Freitagsgruppe kennenzulernen. Wann? Immer freitags, ab 6. Oktober, von 10 bis 14 Uhr, im AWO-Kastanienhaus am Wall.

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