Leopoldshöhe. Als die Herbstferien noch „Kartoffelferien" hießen, waren sie auch ab und an mit auf den Feldern, um eben bei der Ernte mitzuhelfen. Und sind beim Opa oder Vater hinten auf dem Trecker mitgefahren. Diese Erfahrung teilen Alt-Bürgermeister Gerhard Schemmel, der ehemalige Bauamtsleiter der Gemeinde, Hermann Oortman, und Justus Meier zu Döldissen vom Hof Meier zu Döldissen. Und sie teilen die Faszination für die landwirtschaftlichen Fahrzeuge, vor allem für die aus ihrer Kindheit, die heutigen Oldtimer. Und so schrauben sie gemeinsam an ihren Schätzen, reden über Gott und die Welt und die Entwicklung des Dorfes. Sie waren beide noch im Dienst im Rathaus, Schemmel als Bürgermeister, Oortman als Bauamtsleiter. Und sie fragten sich beide, „was machen wir denn, wenn wir mal groß sind?" – also in Rente, erzählt Gerhard Schemmel. Vielleicht Oldtimer restaurieren, das könnte doch was sein. Hermann Oortman lacht und nickt. Er selbst hatte sich kurz vor diesem Gespräch schon mal an eine Zweiradsammlung herangewagt, Mofas, Mopeds. Das war aber nichts, „die standen sich nur eckig". "Zwei Wochen später hatte ich einen Deutz" Beim Sinnieren über Alternativen halfen dann die Kindheitserinnerungen und die Gedanken an die Faszination, die Trecker auf sie beide ausgeübt hatten. Und es immer noch tun. Also sollten es Oldtimer-Trecker sein, die sie wieder herrichten, restaurieren wollten. „Zwei Wochen später hatte ich dann einen Deutz", sagt Hermann Oortman. Das ist knapp 15 Jahre her. Gerhard Schemmel zog ein bisschen später nach. Mit einem Lanz Bulldog. Es ist genau der Lanz, auf dem „ich als Sieben- oder Achtjähriger mitfahren durfte", sagt der heute 68-Jährige. Sein Großvater, der Vater seiner Mutter, hatte ihn immer mitgenommen. Und bevor er auf dem Schrott landete, hat sich Schemmel dann doch lieber dieses Familientreckers angenommen. Apropos Familie. Justus Meier zu Döldissen stieß zur Schraubergemeinschaft dazu, auch weil er mit Fachwissen überzeugte und einen entscheidenden Tipp geben konnte. Und das, obwohl er zu dem Zeitpunkt kaum die Zähne auseinanderbekommen hatte. Nach einem Fahrradunfall lag er mit gebrochenem und nach einer OP frisch verdrahtetem Kiefer im Krankenhaus, als ihn ein Anruf eben von Gerhard Schemmel erreichte. Die Telefonnummer hatte ihm Justus Meier zu Döldissens Bruder Adolf gegeben, der den Treckernotfall mitbekommen hatte und eben wusste, dass sein Bruder doch bestimmt helfen könne – Krankenhaus hin oder her. Der Tipp war Gold wert Die drei Herren lachen über diese Anekdote, frotzeln ein wenig. Er habe ihn ja trotzdem gut verstehen können, sagt Schemmel. Und der Tipp, wie das Problem beim Lanz zu richten sei, war Gold wert. Justus Meier zu Döldissen hat lange Jahre in Köln gelebt, der Maschinenbau-Ingenieur war während seiner Berufstätigkeit oft nur am Wochenende zu Hause in der Gemeinde, den elterlichen Hof hatte sein Bruder übernommen, mittlerweile führt ihn der Neffe. Seit acht Jahren lebt er wieder im Dorf. Und der Weg zur Schraubergemeinschaft sowie zu dem Verein „Treckerfreunde Leopoldshöhe", dem auch Schemmel und Oortman angehören, war geebnet. Seit der vergangenen Vorstandswahl ist Gerhard Schemmel Vorsitzender der Treckerfreunde, Hermann Oortman Schriftführer und Justus Meier zu Döldissen ist Beisitzer. Anfangs war es noch der Samstagmorgen, an dem sich die Herren in ihrer Oldtimer-Werkstatt auf einem Hof in Krentrup getroffen haben, um an ihren Treckern zu schrauben. Für den Bürgermeister war das ein meist terminfreier Tag, zumindest vormittags. Mittlerweile geht es auch wochentags, Zeit und Muße sind im Ruhestand vorhanden. Ein Ritual ist gleich geblieben. Einer der drei Herren ist immer für das Frühstück zuständig, muss Brötchen („für jeden zwei"), lippische Hausmannswurst und Sahnejoghurt besorgen. Und zum Abschluss gibt es auch mal nen Bier, „aber nur eins". Die Fahrzeuge sind in „artgerechter Haltung" auf den Höfen unterwegs Die Schätzchen sind soweit hergerichtet, es sind sechs Lanz Bulldogs, ein John Deere und ein Deutz. Es gibt immer wieder was zu tun. Das hat auch damit zu tun, dass die Fahrzeuge „in artgerechter Haltung" auf den Höfen unterwegs sind, erklärt Gerhard Schemmel. Hier mal ein bisschen was zur Wiese schleppen, da mal Grasschnitt transportieren, „sie müssen noch ein bisschen arbeiten". Museumsstücke, Streichelzoo – nix da. Als Nächstes steht die Restaurierung eines Tiefladers an, der noch hinter der Scheune steht. Wie er mal aussehen könnte, zeigt ein alter Miststreuer, dessen neue, fast moosgrüne Lackierung keine Spuren oder Kratzer mehr vorweist. Wenn es an Ersatzteilen mangelt, geht es auf Tour. Nordhorn sei so ein Markt, wo es Material für ihre Trecker gibt, in den Niederlanden haben sie auch schon oft was gefunden. Ebay-Angebot stellen sich auch mitunter als hilfreich heraus. Und wenn sie so schrauben oder auch schon beim Brötchenschmieren, dann diskutieren sie das Weltgeschehen, tauschen Meinungen und Erinnerungen aus, reden auch über das Neueste aus dem Dorf. Sich einmischen, die Entscheidungen aus Politik und Verwaltung kommentieren, das wollen sie nicht. Klar, sie haben eine Meinung, die Arbeit ihrer Nachfolger aber wollen Schemmel und Oortman nicht bewerten. Das gehört sich für sie nicht. Gleichwohl verfolgen sie die Entwicklung der Gemeinde weiterhin mit Interesse. Die Veränderungen in der Baupolitik zum Beispiel. Richtig überraschend kommt das für sie nicht. Auch zu ihrer Zeit habe es immer mal wieder Pläne für Mehrfamilienhaus- und damit Wohnungsbau gegeben. „Aber wir haben dafür damals keinen Investor gefunden", sagt Hermann Oortmann. "Die Realität hat uns eingeholt" Auch zu seiner Amtszeit habe es schon Befürchtungen gegeben, dass „Leopoldshöhe zu städtisch wird", sagt Gerhard Schemmel. Es sei „heiß diskutiert" worden, ob es vielleicht sinnvoll sein, den Zuzug in die Gemeinde zu deckeln, auf maximal 20.000 Einwohner. Das ließ sich nicht durchsetzen, es wurde gebaut, auch die Infrastruktur wuchs, Schulen mussten ausgebaut werden. „Die Realität hat uns eingeholt." Leopoldshöhe verfüge über „eine besondere Wohnqualität". Daran wollen auch Neubürger teilhaben. Dass die Gemeinde zur Stadt werden könne, sehen sie nicht. „Leopoldshöhe wird ein Dorf bleiben, aber es ist nicht mehr alles so, wie es früher mal war – auch wir verändern uns", sagt Schemmel. Für die drei Herren zählt zum Dorfleben aber auch Zusammenhalt, Engagement, das Miteinander, sich helfen. Wie bei der Schraubergemeinschaft in Krentrup.