Lügde-Biesterfeld. Als Vorsitzender des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge in Bad Pyrmont ist es Helmut Eichmann ein Anliegen, Schicksale von Opfern des Zweiten Weltkrieges aufzuklären. Aktuell beschäftigt sich der 71-Jährige mit dem Rätsel um den verstorbenen Soldaten, der im Wald bei Biesterfeld begraben liegt.
„Es haben sich nun weitere Zeitzeugen gemeldet", freut sich Eichmann über die Resonanz auf den Bericht in der Lippischen Landes-Zeitung. Zwar konnte die Identität des offenbar sowjetischen Kriegsgefangenen noch nicht geklärt werden, jedoch haben die Zeitzeugen neue Erkenntnisse in den Fall gebracht. Eine Spur führt in den Blomberger Ortsteil Tintrup.
„Ein Zeitzeuge, der namentlich nicht erwähnt werden möchte, erzählte mir von vier sowjetischen Kriegsgefangenen – drei von ihnen wurden 1945 von SS-Soldaten in Tintrup erschossen", berichtet Eichmann von dem Wissen des Tintrupers. Laut des Zeitzeugens habe der vierte Gefangene die Toten auf einer Wiese im Dorf beerdigen müssen. Anschließend sei ihm die Flucht gelungen. „Es ist möglich, dass es sich dabei um den in Biesterfeld begrabenen Soldaten handelt", sagt der Bad Pyrmonter, der hofft, dazu noch weitere Informationen von Menschen aus Tintrup und Umgebung zu erhalten.
Auch die Stadt Blomberg wird Eichmann bei seinen Recherchen unterstützen und ihm umfassende Einblicke in die Archivunterlagen gewähren, wie Bürgermeister Christoph Dolle erklärt. „Die Aufarbeitung unserer Vergangenheit ist mir persönlich sehr wichtig", so das Stadtoberhaupt.
Identität des Soldaten bleibt ungeklärt
Der Soldat, dessen Geschichte Eichmann aufzuklären versucht, ist im Sommer 1945 tot im Wald bei Biesterfeld entdeckt und an Ort und Stelle von drei jungen Männern beerdigt worden. Mit dabei war auch der erst vor einigen Tagen verstorbene Friedel Hecker aus Biesterfeld. „Ich hatte ihm noch die Erkennungsmarke abgenommen und sie bei Bürgermeister Franz Klocke in Rischenau abgegeben", erinnerte sich der Zeitzeuge im April dieses Jahres im Gespräch mit der LZ. Die Marke, die Auskunft über die Identität des Soldaten geben kann, ist jedoch aktuell nicht auffindbar. „Die Stadt Lügde ist aber sehr bemüht und steht in Kontakt mit dem Kreisarchiv", weiß Eichmann.
Von Stacheldraht umzäunte Häuser und Wachen vor den Türen: Daran erinnert sich eine weitere Zeitzeugin, die Kontakt mit Helmut Eichmann aufgenommen hat. Die Niesenerin berichtete ihm von zwei Gefangenenlager in Elbrinxen – ein russisches sowie ein französisches. Die Russen seien jedoch weitaus schlechter dran gewesen, erzählte die Zeitzeugin in einem Gespräch mit Helmut Eichmann, das im Internet zu finden ist. Sie hätten den ganzen Tag im Wald arbeiten müssen und nur sehr wenig Nahrung bekommen.
Die Franzosen hätten hingegen bei den Familien, auf deren Bauernhöfen sie arbeiteten, essen können. Gemeinsam mit ihrer Schwester habe die Zeitzeugin damals im Auftrag ihres Vaters zwei Mal einen Korb voll Kartoffeln und Speck in das Russenlager gebracht. Die Wachen hätten dies geduldet, erinnert sich die Niesenerin, die damals zehn Jahre alt gewesen ist. Sie vermutet, dass der in Biesterfeld begrabene Soldat möglicherweise aus dem Russenlager in Elbrinxen geflohen ist.
Helmut Eichmann hofft, dass sich noch weitere Zeitzeugen melden und sich die einzelnen Puzzleteile bald zu einem Bild zusammenfügen. Der NRW-Landesverband des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge lobt das Engagement des Bad Pyrmonters. „Dass Herr Eichmann sich um die Klärung der Identität des Toten bemüht, ist sehr bemerkens- und dankenswert", erklärt Landesgeschäftsführer Stefan Schmidt auf Anfrage der LZ. Dies lenke allerdings auch den Blick darauf, dass der Tote kein Einzelfall ist. Die Zahl der Kriegsgefangenen, die – sowohl auf ehemals sowjetischer als auch auf deutscher Seite – als Unbekannte oder ohne Grabzeichen begraben sind, liege mindestens im hohen sechsstelligen, wohl eher im siebenstelligen Bereich.
Bislang keine Umbettung des Soldatengrabes
Über das Soldatengrab in Biesterfeld sei der Volksbund im Jahr 2016 informiert worden, wie Schmidt berichtet. Damals seien Mitarbeiter des Landesverbandes mit Vertretern verantwortlicher Behörden sowie einem Ansprechpartner der Russischen Botschaft vor Ort gewesen. Es sei vereinbart worden, dass das Grab auf eine Kriegsgräberstätte umgebettet werden soll. Der Grund: Es ist derzeit so abseitig gelegen, dass eine regelmäßige Betreuung kaum durchführbar ist. „Warum die Umbettung bislang nicht erfolgt ist, versuchen wir aktuell zu klären", so der Landesgeschäftsführer. Dafür zuständig seien die Stadt Lügde und der Kreis Lippe.
„Von den mehr als 3,3 Millionen in Osteuropa gefallenen Soldaten konnte der Volksbund seit 1991 über 950.000 finden, umbetten und zu etwa einem Drittel identifizieren", berichtet Schmidt. In der Datenbank des Volksbundes, die unter www.graebersuche-online.de zu finden ist, könne jeder selbst nach Angehörigen recherchieren. Für Verwandte stelle die Information über den Fund, nach Jahrzehnten der Ungewissheit, meist eine große Beruhigung dar, weiß der Landesgeschäftsführer. Dies gehe Deutschen genauso, wie den Menschen in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Deshalb sei der Volksbund – im Interesse der Versöhnung und Verständigung – weiter um Schicksalsklärung bemüht.
Auch Helmut Eichmann wird sich weiter engagieren, das Rätsel um den verstorbenen Soldaten von Biesterfeld zu lösen. Seine Nachforschungen hält er in Videos fest. Diese sind auf dem YouTube-Kanal „Bad Pyrmont Active" zu finden. Weitere Hiweise nimmt Eichmann telefonisch unter (05281) 621692 oder per E-Mail an helmut.eichmann@t-online.de entgegen.
Recherche möglich
Von den mehr als 3,3 Millionen in Osteuropa gefallenen Soldaten konnte der Volksbund seit 1991 über 950.000 finden, umbetten und zu etwa einem Drittel identifizieren, erklärt Landesgeschäftsführer Stefan Schmidt. In diesem Jahr werden es etwa 10.000 sein. In der Datenbank des Volksbund finden sich fast fünf Millionen Einträge. Unter www.graebersuche-online.de kann jeder selbst nach Angehörigen recherchieren. Für Verwandte stelle die Information über den Fund, nach Jahrzehnten der Ungewissheit, meist eine große Beruhigung dar, so Schmidt.