Mörderisches Spiel mit vielen Unbekannten in Lügde

Lügde. Familientreffen im Hotel Stadt Lügde. Doch irgendwie schmeckt das Essen nicht so gut wie gewohnt. Der Grund ist schnell geklärt: Köchin Kimmy ist verschwunden, seit ein paar Tagen, spurlos. Was ist mit ihr geschehen? Ist sie tot? War es Mord? Wer ist hier der Täter, wer wird zu Unrecht verdächtigt, wer kann am besten lügen, wer spielt mit offenen Karten? Das neue Krimispiel von Holger Busch feierte am Wochenende Premiere.

Ungewöhnliche Tischdeko Pistole, Handschellen, Lupe – diese Tischdeko lässt nicht auf ein romantisches Dinner schließen. Es ist Valentinstag. Aber die Gäste, die an den drei langen Tischen Platz nehmen, erwarten keine vertraute Zweisamkeit, sondern einen unterhaltsamen Abend in größerer Runde. 30 Personen werden gleich Teil eines Krimispiels mit jeweils zehn Teilnehmern sein. Welche Rolle sie einnehmen, wissen sie noch nicht.

Der Lügder Holger Busch schreibt seit 20 Jahren Krimispiele , diesmal unterstützt von seiner Tochter, die Tipps für die Geschichte gab, und seiner Frau, die das Layout entwarf. Warum nicht einfach normale Romane? Womöglich, weil er als Sozialpädagoge diesen in gewisser Weise therapeutischen Anspruch hat. Es geht um Rollenspiele und ums Interagieren – manchmal mit Menschen, die sich untereinander noch nie begegnet sind.

So wie an Tisch 3 an diesem Abend. Fünf Pärchen nehmen Platz. Sie lernen sich in den kommenden drei Stunden kennen – oder auch nicht. Denn was sie voneinander erfahren, ist reine Fiktion. Einzelne Charaktere des neuen Falls &bdquo;Hassliebe“, die Autor und Spielleiter Holger Busch ihnen zuordnet – und die sie ausfüllen: Ist es ihre Schauspielkunst oder sind sie im echten Leben wirklich eher introvertiert wie der autistische Lennard oder ein bisschen dümmlich wie die 17-jährige Lilly? Zurückhaltend wie die Schauspielerin Nicole oder impulsiv wie Andrea, die auf Influencerin macht?

Die Geheimnisse der anderen Es ist wie im wahren Leben: Jeder hat so seine Geheimnisse. Um die kennenzulernen, verteilen Busch und sein Kollege Klaus (&bdquo;Ich komme aus dem Sauerland – heute habe ich kinderfrei.“) individuelle Zettel mit der Beschreibung jeder einzelnen Rolle. &bdquo;Ein bisschen was zu lesen ist es schon“, schmunzelt Busch und drückt jedem ein mehrseitiges DIN A5-Heftchen in die Hand, passend zur Vorspeise.

Immerhin bekommt jeder ein Namensschild um den Hals. Dennoch gar nicht so einfach, den eigenen Charakter einzustudieren und die Rollen der anderen, ihre persönlichen Eigenschaften und Verbindungen zueinander zu verstehen, wenn man sich im wahren Leben gar nicht kennt: &bdquo;Macht euch ruhig Notizen“, ermuntert Busch und verteilt Kugelschreiber. Die Teilnehmerin gegenüber vermerkt die verwandtschaftlichen Verhältnisse akribisch auf dem Notizblatt – alles nur Fassade, wie sich später herausstellt.

Die nächsten Hinweise finden sich im Internet – hier ist das Smartphone im Restaurant ausnahmsweise nicht nur erwünscht, sondern auch hilfreich. Busch hatte schon in der Einladung darauf hingewiesen.

Die auf dem Rollenzettel angegebene Homepage &bdquo;tratschtante“ existiert wirklich: Der Blog der rumänischen Köchin Kimmy enthüllt so ziemlich jede Missetat der Anwesenden: von der ungewollten Schwangerschaft nach einem Seitensprung bis hin zu Ehemännern, die heimlich eine homosexuelle Affäre haben, Steuerhinterziehung, Drogenmissbrauch und Dealerei, einer erkauften Schauspielkarriere, Werbung für todbringendes Hundefutter bis hin zu rechtsextremer Gesinnung.

Eine Nacht in Lügde Nach dieser anstrengenden Kennenlernphase und so viel Information muss dringend der Hauptgang des Drei-Gänge-Menüs kommen. Es gibt, passenderweise, Räuberspieße.

Und ein bisschen erfährt man von den anderen am Tisch dann doch: Ein Pärchen kommt aus Detmold und Paderborn und hat in der LZ über die Premiere gelesen: &bdquo;Ich hab gleich gedacht: Das klingt interessant und ist doch mal was anders“, sagt die Frau, und ihr Partner nickt zustimmend. Damit die beiden nicht fahren müssen, haben sie sich direkt im Hotel für eine Nacht eingemietet.

Am Kopf sitzen zwei Pärchen, die es nicht so weit haben, beide wohnen nah beieinander in Lügde. Sie haben sich das Krimidinner gegenseitig zu Weihnachten geschenkt – Motto: gemeinsame Zeit verbringen. Das vierte Paar am Tisch stammt aus Sabbenhausen – und an einem Krimidinner nehmen sie nicht zum ersten Mal teil.

Zurück zur Fiktion. Spielleiter Busch enthüllt: Die rumänische Köchin Kimmy, die in ihrem Tratschtanten-Blog all die Fehltritte beim und mit Namen genannt hat, ist definitiv tot. &bdquo;Sie wurde mit dieser Kegelkugel erschlagen“, berichtet er und hält das grüne Mordinstrument in die Höhe, &bdquo;Und ihre Leiche wurde gefunden am Ende der Kegelbahn, hinter dem Bretterverschlag.“

Unter den Spielern wird eifrig spekuliert. An Tisch 2, bestehend aus einer Gruppe Frauen, die sich alle untereinander kennen, wird es zeitweise so laut, dass man die Diskussion am eigenen Tisch nicht mehr versteht. Wer hatte einen triftigen Grund, die Whistleblowerin zu ermorden? Fast alle womöglich. Aber hatten auch alle die Chance?

Die Spielleiter verteilen weitere DIN A5-Heftchen. Ermittlerakten mit belastenden Beweisen und Zeugenaussagen: Post vom Finanzamt und eine Hotelrechnung über ein Doppelzimmer, ein Ultraschallbild sowie Zeitungsartikel über schlechtes Hundefutter und eine zweitrangige Schauspielerin. Wenn es ein bisschen hakt in der Diskussion, greift Klaus ein und wirft ein paar Info-Brocken in die Luft: Warum hat Celine in der Nacht noch mal das Haus verlassen? Wieso hat es so lange gedauert, bis Lennard sein vergessenes Handy aus dem Hotel geholt hatte?

Theorien gibt es viele. &bdquo;Hast du mit meinem Mann geschlafen?“ – &bdquo;Warum nimmst du Chrystal Meth, sogar mit deiner eigenen Tochter?“ – &bdquo;Von wem bist du schwanger?“ &bdquo;Hattet ihr keinen Skrupel, für schlechtes Hundefutter zu werben?“ &bdquo;Worüber hast du mit Kimmy in der Küche diskutiert?“ Hier muss sich jeder vor jedem rechtfertigen, fast wie in einer echten Großfamilie.

Tisch 3 hat sich inzwischen mehrheitlich auf einen als Mörder eingeschossen, der vehement dementiert. Selbst seine eigene Frau stellt bohrende Fragen und hält ihn für den Täter. Nur seine &bdquo;Krimi“-Frau hält sich verdächtig zurück.

Bohrende Fragen Drei Stunden vergehen wie im Fluge. Der Nachtisch wird serviert, &bdquo;Knast-Pudding“. Zeit für die Auflösung. Spielleiter Busch bittet zur Abstimmung. Die Mehrheit, auch an den anderen beiden Tischen, ist für den Mörder, der am Ende keiner ist. Die Auflösung überrascht. Ein recht offensichtliches, aber doch einziges Indiz führte auf die richtige Spur. &bdquo;Es ist wie im echten Krimi, der Täter ist meistens der, der sich im Hintergrund hält“, sagt eine Frau an Tisch 3.

Kurzweilig war’s bei einem Rollenspiel mit Menschen, mit denen man drei Stunden intensiv ins persönliche Gespräch kam, ohne sie wirklich zu kennen – oder jemals kennenzulernen. Und dem Drei-Gang-Menü hat man die tote Köchin definitiv nicht angeschmeckt!

Holger Busch ist zufrieden, denn seine Gäste sind es auch. Ein paar Unstimmigkeiten hat er in seinem neuen Stück entdeckt, da wird er noch nachbessern. Und vielleicht muss er das Motiv noch ein bisschen klarer herausarbeiten: &bdquo;So eine Premiere birgt immer ein paar Überraschungen. Ich bin dankbar für alle Hinweise“, sagt er.Die Runde löst sich langsam auf. Zwei bleiben im Hotel, darunter ein Mörder. Wenn da mal nicht noch was passiert.

Die Krimispiele für zu Hause oder weitere Events gibt es im Internet auf krimispiel-shop.de

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