Wie Oerlinghauser Flugpioniere nach dem Krieg wieder starteten

Oerlinghausen. Segelfliegen der Nachkriegszeit – das bedeutete noch echtes Pioniertum. Klaus Dieter Koch war bereits als Jugendlicher mit dabei. Vor zahlreichen Zuhörern des Heimatvereins berichtete er kürzlich über eine spannende Zeit und viele engagierte Luftsportfreunde – übers Starten und Landen im Heidekraut, über Familientreffs auf dem Segelflugplatz und über Flugurlaube im Allgäu.

Die englische Besatzungsmacht hatte das Fliegen unter deutscher Regie nach dem Weltkrieg generell verboten. Doch in Oerlinghausen regte sich schon Ende der 1940er Jahre das Interesse der Flugbegeisterten an einer Fortführung des 1928 begonnenen Segelfliegens. Die Engländer gaben schließlich grünes Licht. &bdquo;Paul Kardinal ergriff die Initiative und gründete 1951 im Kastanienkrug den neuen Oerlinghauser Segelflugverein“, sagte Klaus Dieter Koch.

Man holte die schon vorher heimlich hergestellten Bauteile nun ohne Bestrafung hervor und baute das erste Segelflugzeug zusammen, den Schulgleiter SG 38. Auch eine Seilwinde gab es bereits. 1952 wurde noch ein weiterer SG 38, jedoch mit &bdquo;Boot“, also mit einer Verkleidung des Pilotensitzes, hergestellt.

Viele Zuschauer hatten sich versammelt, als Ludwig Beckmann unter Begleitung der Feuerwehrkapelle den Flieger auf dem Oerlinghauser Marktplatz auf den Namen &bdquo;Tempo“ taufte, zu Ehren von Fritz &bdquo;Tempo“ Drewes, des unermüdlichen Streiters für die Belange des Segelflugs. Das mit Grün geschmückte Flugzeug rollte anschließend auf einer außergewöhnlichen Startbahn: Mitten durch Oerlinghausen wurde der Flieger über die Haupt- und Holter Straße zum Flugplatz geschoben, wo Paul Kardinal den ersten echten Start absolvierte.

Der Flugplatz allerdings lag seinerzeit noch an anderer Stelle als heute. Am Ende der &bdquo;Bleiche“, dort wo heute die Firma Cutsch ihre Betriebsräume hat, standen der Flugüberwachungsturm und die Hallen. Gelandet wurde damals einfach in der Heide unterhalb des Barkhauser Berges. &bdquo;Zunächst startete man noch mit Gummiseil von den Fliegerkuppen, insbesondere von der sogenannten C-Kuppe. Später dann, als der heutige Flugplatz am Stukenbrocker Weg geebnet worden war, durch eine Seilwinde“, erzählte Klaus Dieter Koch.

Alter Opel leistet wertvolle Dienste Als Seilrückholwagen diente ein alter Opel P4, dem der holperige Platz offenbar nichts ausmachte. &bdquo;Dieses Auto hatte seine Robustheit auch sonntagabends zu beweisen, indem es die Flieger, mit ihren Ehefrauen auf den Kotflügeln und Stoßstangen sitzend, transportieren musste – inklusive Einkehr auf einige Glas Bier in der Gaststätte Wolfseiche oder bei Champion am Freibad.“

Doch immer mehr begann auch das sportliche Leistungsfliegen. Ein weiteres Flugzeug wurde gebaut – das &bdquo;Grunau Baby 2“. &bdquo;Mit dem Baby gelang Günter Montag der erste Fünf-Stunden-Flug bis zum Kamener Kreuz“, berichtete Klaus-Dieter Koch.

Später kaufte man noch einen weiteren Segelflieger, den &bdquo;Spatz“, hinzu. Waghalsige Flüge und Landungen waren gelegentlich dabei. &bdquo;Paul Heidschuster flog am Hang des Barkhauser Berges entlang, kam aber über die Kuppe hinweg und musste hinter dem Berg am Ende des Welschenwegs eine Außenlandung machen“, sagte er. Heidschuster setzte den Flieger so geschickt in die Schonung unterhalb des Naturfreundehauses, dass nichts zu Bruch ging. &bdquo;Dat hädde nich mol Hanna Reitsch ferch brocht“, lautete sein Kommentar auf Plattdeutsch. Hanna Reitsch, das war die bekannte Pilotin aus der NS-Zeit, die aber in der Nachkriegszeit oftmals auf Oerlinghauser Flugtagen zu Gast war und als erstklassige Segelfliegerin galt.

Zum Oerlinghauser Segelfliegen gehörten auch die Sommerurlaube im Allgäu. &bdquo;1964 hielten wir unsere erste Familienfreizeit in Höfen bei Reutte ab“, erinnerte sich Koch. Das bedeutete eine zweitägige Fahrt mit zwei Segelflugzeugen im Schlepptau – über schlechte Autobahnen und Landstraßen mit schwach motorisierten Autos. Total übermüdet kamen sie im Allgäu an. Da die Oerlinghauser Piloten die Alpenfliegerei nicht kannten, waren erst Einweisungsflüge mit Einheimischen nötig. &bdquo;Fliegerisch war es das Größte, einmal über die Zugspitze, Deutschlands höchsten Berg, zu fliegen“, erzählte Klaus Dieter Koch. &bdquo;Auch mir war es einige Jahre später vergönnt, dabei zu sein.“

Der Oerlinghauser Segelflugplatz stand für viele Jugendliche im Mittelpunkt des Lebens. Denn war man erst einmal vom Bazillus des Segelfliegens infiziert, so meinte Koch, gab es für ihn an Wochenenden kein Halten mehr. &bdquo;Samstagmittags zu Hause schnell die Gosse gefegt und ab mit dem Fahrrad zum Flugplatz.“ Dann stand Mithelfen beim Flugbetrieb auf dem Programm: die Flugzeuge der gelandeten Kameraden aus der Landebahn schieben, Startliste führen und so weiter. &bdquo;Später dann hieß es, willst du mal den Lepo fahren?“ Der Name rührt her von der Umkehr des Wortes Opel. Natürlich wollte er. &bdquo;Im Laufe der Zeit hatte man sich richtig gut in die Materie eingefuchst. Und sonntagabends fieberte man schon wieder auf das nächste Wochenende“, fasste er zusammen.

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