Faszination Plüsch: Warum auch viele Erwachsene Kuscheltiere besitzen

Gütersloh. Sie heißen Olaf, Banane oder Patti. Das Mammut, die Eule und das Schnabeltier sind auf diesem Sofa in bester Gesellschaft. Ein Karpfen namens Karpfen ist nicht weit, das schwarze Lama Karl sowieso nicht. Um die 30 Kuscheltiere besitzt sie, erzählt Jessi, die ihren Nachnamen lieber nicht bei nw.de lesen will, nachdem sie gezählt hat. Jessi ist 22 Jahre alt, in Gütersloh geboren und aufgewachsen, macht eine Ausbildung zur Bürokauffrau und lebt mit ihrem Mann in Bielefeld.

Erwachsene, die Kuscheltiere besitzen, sind keine Seltenheit. Das hat eine repräsentative Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung unter 1.100 Deutschen bereits 2013 herausgefunden. Demnach will jede fünfte Frau (19 Prozent) und jeder neunte Mann (elf Prozent) auf einer Reise nicht auf sein Kuscheltier verzichten. 41 Prozent von ihnen gaben an, der Begleiter aus Plüsch sei eine Art Glücksbringer. 14 Prozent räumten ein, ohne ihn nicht einschlafen zu können, 13 Prozent wollen sich unterwegs nicht so alleine fühlen. Nur: Öffentlich über sein Kuscheltier reden mag kaum jemand.

Kuscheltiere sind Übergangsobjekte, sagt eine Psychiaterin Erst neulich berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung anonymisiert über einen 35-jährigen Ehemann, der ohne seinen braunen Teddybären nicht einschlafen kann. Eltern, Freunde und dessen Arbeitskollegen wüssten nichts davon, ihm sei die Angelegenheit ein bisschen peinlich, hieß es. Alexandra Olbrich, Psychiaterin und Psychotherapeutin sowie Oberärztin auf der Station für junge Erwachsene am LWL-Klinikum in Gütersloh, wundert es nicht, dass dieses Thema so schambesetzt ist. "Von den Erwachsenen wird Funktionieren erwartet, wir sollen stabil sein." Mit dem Kuscheltier würde man jedoch einen kindlichen Teil von sich selbst preisgeben.

Jessi und ihr Mann verstecken ihre bunte Sammlung von Plüschtieren nicht. Wenn Freunde zu Besuch sind, kommen die possierlichen Figuren gut an. "Meine Mutter findet aber, dass wir jetzt genug haben", sagt Jessi und lacht. Schon als Kind habe sie viele Kuscheltiere besessen, sagt sie. "Ein riesiges Regal voll." Wie Olbrich erklärt, seien Kuscheldecken, -kissen oder -tiere sogenannte Übergangsobjekte für aufwachsende Kinder. "Wenn die Mutter mal nicht da ist, können sie Trost spenden, Sicherheit und Geborgenheit vermitteln", erklärt Olbrich. Der Gegenstand helfe so dabei, den Raum zwischen Mutter und Kind zu überbrücken.

Manche Plüschtiere erzählen Geschichten aus der eigenen Geschichte Maja und Pluto sind aus Jessis Kindheit übrig geblieben, eine Plüschkatze und ein -hund. Maja sei eine Erinnerung an ihre erste Katze gewesen, Pluto ein Mitbringsel des Vaters aus Polen. Stofftiere, das merkt man schnell, sind hier mehr als nur nette Dekoration. Sie erzählen Geschichten aus der eigenen Geschichte. Aus Sicht von Alexandra Olbrich ist das ein wichtiges Argument dafür, weshalb viele Erwachsene sich auch später nicht vom Kuscheltier trennen mögen. "Viele erinnert es an die gute Zeit der Kindheit."

Mit Olaf hat bei den beiden vor viereinhalb Jahren alles angefangen, einem quietschenden Hundespielzeug in Form eines Mammuts. "Es war so hässlich, dass wir es mitnehmen mussten", sagt Jessi über das Tier, das zu einem frühen Zeitpunkt ihrer Beziehung den Grundstein für die gemeinsame Sammlung legte. Beide betonen, dass das Ganze für sie etwas humorvolles und kindliches hat und sie es wichtig finden, das auch als Erwachsene beizubehalten.

Sind die Figuren womöglich ein Kinderersatz? Später ist das schwarze Lama Karl dazugekommen, das den Nachnamen der Standesbeamtin trägt, die Jessi und ihren Mann Anfang Januar diesen Jahres verheiratet hat. Und der Karpfen, den Jessi ihrem Mann geschenkt hat, weil es da dieses Bild aus dessen Kindheit gibt, das ihn mit dem gefangenen Fisch zeigt.

Wenn man die Tiere dort so aufgereiht sitzen sieht, kann die Frage aufkommen, ob sie womöglich ein Kinderersatz sind. "Nein, das nicht", sagt Jessi. Sie könnten ihr nicht das geben, was ein Lebewesen vermitteln kann, wie etwa ihre Katzen, und sie rede auch nicht mit den Plüschfiguren. Laut Olbrich kommt das im Allgemeinen tatsächlich jedoch häufiger vor. "Die laute Aussprache der eigenen Gedanken dient dazu, sich Dinge zu vergegenwärtigen. Außerdem: Was ist schöner als die stumme Zustimmung des Gesprächspartners", fragt Olbrich rhetorisch.

Warum Kuscheltiere oft im Reisegepäck dabei sind Allein schon durch ihr Aussehen, dem Kindchenschema mit den großen Kulleraugen, würden die Figuren bei Menschen Urinstinkte hervorrufen. "Sie wecken das Bedürfnis, beschützen zu wollen", sagt Olbrich. Kuscheln mit den Plüschtieren? Das ist bei Jessi und ihrem Mann allerdings selten. Nur wenn die Sammlung mal wieder durch ein neues Tier erweitert worden ist, übernachtet es die erste Nacht mit im Schlafzimmer.

Manchmal nehmen sie ihre Kuscheltiere auch mit in den Urlaub. So geschehen etwa bei Mammut Olaf und dem Koalabären namens Koala. Plüschtiere sind auf Reisen oftmals mit im Reisegepäck, das zeigt auch die erwähnte Statistik. "Auf einer Reise bewegt man sich aus seiner Komfortzone fort. Das Kuscheltier wird dann wieder zum Übergangsobjekt, spendet Wärme und erinnert an das eigene Zuhause", erklärt Olbrich. Dorthin sind auch Olaf und Koala schließlich wieder zurückgekehrt. In den Kreis von Banane, Patti und Co.

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