Fast als Braten geendet: Wie es Osterlämmchen Brutus inzwischen geht

Löhne. Wie das Schaf Brutus freudig über die Wiese am Meller Kreimerhof hüpft, Glückssprünge in Richtung Futtertrog macht und die Frauen um sich herum mit seinen sanften Augen anschaut - fast könnte man meinen, an der Sache mit der österlichen Auferstehung wäre etwas dran. Noch vor einem knappen Jahr nämlich hatte dem Tier noch ein völlig anderes Schicksal gedroht. Wären da nicht einige Tierschützer gewesen, die das Löhner Lamm nach langem Kampf erlösten - und ihm somit pünktlich zum höchsten christlichen Fest ein zweites Leben schenkten.

Es war im April 2020, wenige Tage vor Ostern, als Spaziergänger auf das Lamm aufmerksam wurden. In einem privaten Garten in Obernbeck hatte es ein wenig beschauliches Dasein gefristet , einsam, getrennt vom Muttertier und lieblos an einem Strick angeleint. Und das in einer Jahreszeit, in der Lämmchen weniger als Lebewesen, sondern viel mehr als Festtagsbraten das Interesse auf sich ziehen. Kein Wunder also, dass Augenzeugen seinerzeit eine mögliche Schlachtung des Jungschafes befürchteten - auch, wenn der damalige Halter erklärte, er habe das Tier als Spielkamerad für seine Kinder angeschafft.

Für Tara Hupe war das Grund genug um einzuschreiten. Gemeinsam mit einigen Mitstreitern setzte die Tierschützerin aus Bad Oeynhausen sofort alle Hebel in Bewegung, um das Schicksal des kleinen Lämmchens doch noch zum Guten zu wenden. Die Polizei machte sie auf die unhaltbaren Zustände aufmerksam, in denen das Tier leben musste. Und tatsächlich standen selbige in einem derart krassen Widerspruch zum Tierschutzgesetz, dass letztlich das Veterinäramt des Kreises Herford einschritt: Fehlende Bewegungsmöglichkeiten, keine artgerechte Unterbringung, tierschutzwidrige Isolation, Verstoß gegen die Melde- und Kennzeichnungspflicht.

Die Chance auf ein neues Leben

Heute aber ist das Dasein des Tieres ein völlig anderes. Auf dem Kreimerhof in Melle, wo Brutus ein neues Zuhause fand, deutet nichts mehr auf widrige Lebensbedingungen hin. Im Gegenteil lebt das mittlerweile ausgewachsene Schaf in einer Herde mit mehreren Artgenossen. Darunter befindet sich auch "Frau Fussel", die er als Spielkameradin mitbringen durfte. "Die beiden sind zauberhaft und super freundlich", sagt Julia Biegall. Noch immer ist die Mitarbeiterin des Naturparks ganz verzückt, wenn sie über das Wesen der Löhner Tiere spricht: Ihr Zutrauen, wenn man sich ihnen nähert. Ihre vorsichtige und unaufdringliche Art, wenn sie die Fütterung herbei sehnen. Auch die fast schon rituellen Freudensprünge auf dem Weg zum Futtertrog. "Das ist unendlich süß", sagt Biegall. "Die beiden ziehen das jedes Mal durch und haben damit auch schon die anderen angesteckt. Und dann hüpfen alle Schafe gemeinsam zum Futternapf."

Es sind Bilder wie diese, die die Herzen von Tierschützern wie Tara Hupe höher schlagen lassen. Glückliche Geschöpfe, die einfach leben dürfen, zufrieden, ihrer Art entsprechend. Ohne menschlichen Zwang, nutznießerische Ausbeutung oder die Angst, als Nahrung zu enden. "Brutus steht stellvertretend für die vielen Lämmchen, die auf Tellern landen und denen so ein Glück nicht vergönnt ist", sagt Hupe. Und die blanken Zahlen geben ihr Recht. Nach Angaben des statistischen Bundesamtes etwa werden allein in Deutschland Tag für Tag mehr als zwei Millionen Nutztiere geschlachtet, darunter etwa 3.000 Schafe und Lämmer. Meist erreichen diese ein maximales Alter von neun Jahren, danach sinkt ihre Wirtschaftlichkeit. Und das, obwohl ein normales Hausschaf eine natürliche Lebenserwartung von bis zu 18 Jahren hat. Mastlämmer hingegen werden in der Regel nicht älter als zwölf Monate, bevor sie für ein paar Minuten Gaumengenuss geschlachtet werden.

Hartnäckigkeit hat sich ausgezahlt

Auch deshalb hatte Tara Hupe nicht locker gelassen, um ihrem Löhner Lämmchen ein solches Schicksal zu ersparen. Nachdem das Tier zunächst vom Veterinäramt an einen Schäfer vermittelt worden war, nahm sie Kontakt zu dem Mann auf - und stellte erleichtert fest, &bdquo;dass wir an einen ausgesprochen netten Schäfer geraten waren, der sich sehr gut um seine Tiere kümmert." Eine gewisse Sorge aber bleib dennoch: Was, wenn Brutus - so hatte der Schäfer das Jungschaf getauft - doch noch veräußert wird? Kurzerhand tat sich Hupe mit sieben weiteren Tierschützern zusammen, kaufte das Tier frei und organisierte eine Unterbringung in Melle. Spontan wurde dabei auch Frau Fussel befreit, die sich zu diesem Zeitpunkt auf der Weide des Schäfers einsam grasend von einer fiebrigen Infektion erholte. Für beide übernahm die achtköpfige Gruppe eine gemeinsame Patenschaft.

Für die Betreiber des Gnadenhofes eine glückliche Fügung. Mit einem Bezugsschaf an seiner Seite nämlich fiel es Brutus deutlich leichter, sich in seiner neuen Heimat zurecht und Anschluss an die Herde zu finden. Seither sind die beiden Tiere regelrecht aufgeblüht - und das im wahrsten Sinne des Wortes, kümmern sie sich doch beim Weiden unter anderem um die natürliche Pflege einiger Blühflächen des Projekts "Blumiger Landkreis Osnabrück", das mit dem Gnadenhof zusammen arbeitet. Ansonsten genießen sie ihre Zeit in Freiheit - und schauen ihre Retter von Zeit zu Zeit mit dankbaren Blicken an. "Brutus geht es richtig gut und auch Frau Fussel ist zwar ein ganz zartes Schaf, aber sie hat sich prächtig entwickelt", sagt Tara Hupe zufrieden. Und auch Julia Biegall kann ihre Freude kaum verbergen. "Ich bin einfach nur froh, dass sie gerettet wurden."

Der Gnadenhof

Der Gnadenhof Brödel liegt in Melle und wurde im Jahr 2016 gegründet. Er gibt Tieren ein Zuhause, die niemand mehr haben wollte oder denen der Schlachthof erspart werden sollte. Mittlerweile wurde der Hof in zwei Standorte unterteilt. Neben dem Naturpark Kreimerhof in Melle-Oldendorf gibt es auch eine Fläche in Melle-Westerhausen.

Aktuell werden etwa 220 Tiere, darunter Meerschweinchen, Kaninchen, Hühner, Enten, Gänse, Schafe, Ziegen, Schweine und Ponys, beherbergt. Nur nach vorheriger Anmeldung und nur bei ernsthaftem Interesse, den Kindern Respekt vor allen Lebewesen nahe zu bringen, kann der Lebenshof besucht werden. Die Verantwortlichen betonen aber, dass der Kreimerhof kein Streichelzoo ist. Geldspenden und Patenschaften werden gern genommen.

Weitere Informationen gibt es unter gnadenhof-broedel.de oder unter facebook.com/GnadenhofBroedel/

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