Rheda-Wiedenbrück. Es ist nicht so, dass Nele Barwich ihren größten sportlichen Erfolg, den vierten Platz bei einer Europameisterschaft, in aller Ruhe zelebrieren konnte. Ruhe hat die Kanufreestyle-Fahrerin aus Rheda-Wiedenbrück ohnehin nicht, wenn sie sich mit ihrem Sportgerät durch „die Welle" kämpft. Dann rauschen gewaltige Mengen Wasser um sie herum – bei der Kanufreestyle-EM Anfang Oktober war es besonders viel davon. Aber Barwich hatte noch eine ganz andere Baustelle.
Vaires-sur-Marne, gelegen vor den Toren von Paris, war der Austragungsort der kontinentalen Titelkämpfe. Dort wurde bereits der Wildwasserkanal für die Olympischen Spiele 2024 angelegt. Die europäischen Freestyle-Topathleten testeten den jetzt auf Herz und Nieren.Nele Barwich vom Kanu-Club Wiedenbrück-Rheda ging bei den weiblichen Juniorinnen im Kajak an den Start.
Zur Vorbereitung war die 18-Jährige unter anderem in Bratislava gewesen. Qualifiziert hatte sie sich bei der deutschen Meisterschaft auf der Isarwelle in Plattling als deutsche Vizemeisterin. Vor den Titelkämpfen ging es in ein 14-tägiges intensives Training im Stade nautique Olympique dÎle-de-France. Ein perfekter Anlauf also, oder? Von wegen, denn die Paddlerin von der Ems musste zunächst noch für zwei Tage ihr duales Studium in Mosbach antreten. Anschließend ging es zurück nach Paris. Über 1.000 Kilometer – Reisestress.
45 Sekunden lang Drehungen, Überschläge und Sprünge
Trotzdem konzentrierte sich Nele Barwich anschließend voll aufs Sportliche und stürzte sich für den Vorlauf in die stehende Wasserwalze. Elf Kubikmeter pro Sekunde – das entspricht über 60 großen Badewannen – schießen durch den künstlichen Wildwasserkanal. 45 Sekunden lang zeigen die Sportler an der Welle genau definierte Moves, also Drehungen um verschiedene Achsen, Überschläge und Sprünge.

Olympia-Kanal entpuppte sich als besondere Herausforderung
Der Olympia-Kanal entpuppte sich als besondere Herausforderung. Nele Barwich zeigte Loop und Spin, was für Platz acht im Vorlauf reichte. Das Ziel, unter die Top Ten zu paddeln, war für die Wiedenbrückerin, die zu Hause auf der gemütlich fließenden Ems trainiert, erreicht. Das Halbfinale wurde zu einer wahren Nervenprobe, weil die nach dem Vorlauf auf den Plätzen zehn bis sechs liegenden Fahrerinnen vor, die besser Platzierten nach der Mittagspause ihre Finalteilnehmer suchten.
Die 18-jährige Studentin entschied ihr Halbfinale mit Spin, Loop und Cartwheel für sich. Zwei Stunden galt es auszuharren, bis klar war, dass nicht alle Top-Fünf-Fahrerinnen die 120 Punkte von Nele noch übertroffen hatten. Mit Ida Wellensiek als Führende, Merle Hauser als Vierte und Nele Barwich als Fünfte qualifizierten sich alle deutschen Juniorinnen für das Finale.
„Die Wertungsrichter haben sehr genau hingeschaut"
Eins hatte Vater und Trainer Stefan Barwich vor dem Finale bereits festgestellt: „Die Wertungsrichter haben sehr genau hingeschaut. Da ging es um jedes Grad Neigung bei den Figuren." Von drei Läufen wird der Beste gewertet. Nele Barwich musste jeweils als Erste in den Kanal. Sie bewies mit drei konstanten Läufen Nervenstärke, sodass sie schließlich 110 Punkte erreichte, dasselbe Ergebnis wie bei der DM. Damit war sie im Endkampf sogar noch um einen Platz nach oben geklettert. Teamkameradin Ida Wellensiek kam mit 123,3 Punkten auf den Bronzerang. „Ich hatte nicht erwartet, dass ich so weit vorne lande. Das Ziel war tatsächlich eine Top-Ten-Platzierung", jubelte die Kanutin.
Souveräne Siegerin wurde mit 440 Punkten Merle Hauser. Insgesamt fischte das deutsche Freestyle-Team vier Medaillen aus der Walze im Pariser Olympiakanal. Nach einer Abschlussfeier auf der Seeterrasse von Vaires-sur-Marne ging es nach Hause – die letzten von knapp 5.000 Kilometern, die Familie Barwich rund um diese EM zurückgelegt hat.