Integrationsratswahl: AfD siegt bei vielen Migranten in OWL - und erreicht neue Milieus

Paderborn/Düsseldorf. Auf den ersten Blick wirkt es wie eine faustdicke Überraschung. Die in Teilen rechtsextreme AfD hat jetzt auch bei der Wahl der Integrationsräte in NRW gut abgeschnitten. Gewählt werden die Gremien von Ausländern, eingebürgerten Migranten, Deutschen mit doppelter Staatsangehörigkeit und Spätaussiedlern. Also auch von Menschen, die wegen ihrer Staatsangehörigkeit nicht immer an den Wahlen des Stadtrates oder des Bürgermeisters teilnehmen dürfen. Experten haben dafür mehrere Erklärungen.

In Paderborn wurde die AfD bei der Wahl des Integrationsrats am 14. September mit 24,5 Prozent stärkste Kraft. Ebenso in Detmold, wo sie sogar 27,9 Prozent der Stimmen holte. In Bottrop erhielt sie 26,2 Prozent und wurde zweitstärkste Kraft. In Essen landete die Partei nur knapp hinter der CDU auf Platz 2. Das bedeutet: Die Gremien, die sich um die Belange von Bürgerinnen und Bürgern mit ausländischen Wurzeln kümmern, sind künftig wesentlich zahlreicher mit Vertretern der AfD versehen. Und das bedeutet auch: Die ausländischen Communitys schenken der AfD inzwischen stärker ihr Vertrauen.

&bdquo;Mich macht das total sauer“, sagt Murisa Adilovic. Die Vorsitzende des Bielefelder Integrationsrates glaubt, dass die Verantwortlichen der Gremien sowie die Vertreter anderer Parteien &bdquo;zu wenig“ Kontakt zu den besagten Wählergruppen gesucht hätten. &bdquo;Die AfD hat das zielgerichteter gemacht und sich ihre Handlanger in den jeweiligen Communitys gesucht. Ihre Vertreter waren gut vorbereitet, sie haben die Menschen besucht, in Landessprache mit ihnen kommuniziert und ihnen einfache Lösungen angeboten“, sagt Adilovic. &bdquo;Die anderen Parteien haben sich hingegen zurückgelehnt. Die Entwicklung war abzusehen.“

Politikwissenschaftler sieht Parallelen zwischen OWL und Ruhrgebiet &bdquo;Die AfD kann bei den Menschen punkten, die sich nicht gesehen und gehört fühlen“, sagt Politikwissenschaftler Stefan Marschall von der Universität Düsseldorf. Es sei insofern keine große Überraschung, dass die Partei bei den Integrationsratswahlen sowohl im Ruhrgebiet als auch in Teilen von OWL gut abgeschnitten habe. &bdquo;Die Menschen haben dort in unterschiedlichen Milieus gemein, dass sie sich abgehängt fühlen. Und die AfD hat das erkannt und für sich genutzt.“

Wahlergebnisse zeigen seit Jahren, dass die Partei vor allem von vielen Spätaussiedlern, umgangssprachlich auch &bdquo;Russland-Deutsche“ genannt, gewählt wird. So kam die AfD bei Wahlen in der Vergangenheit zum Beispiel in Stadtteilen in Paderborn (&bdquo;Auf der Lieth“) und in Bielefeld (&bdquo;Baumheide“) auf hohe Werte - also dort, wo viele Spätaussiedler leben. Gleiches gilt zum Beispiel für Teile des Kreises Lippe und für die Stadt Espelkamp. In Städten im Ruhrgebiet wie zum Beispiel in Herne und Gelsenkirchen ist wiederum die Arbeitslosigkeit aufgrund des Strukturwandels hoch.

Auffällig ist jetzt aber, dass die Partei offenkundig auch weitere Milieus erreicht. Die jüngsten Wahlergebnisse zeigten, dass die AfD zum Beispiel auch in türkisch-stämmigen Kreisen auf Interesse stoße, sagt Marschall. Eine Erklärung sieht der Politologe darin, dass gewisse Werte der AfD mit denen einiger Communitys &bdquo;deckungsgleich“ seien. Zum Beispiel, was die Geschlechterrolle und die Rolle der Familien angeht.

Adilovic sieht Mitverantwortung bei Wählern Adilovic sieht auch eine Mitverantwortung bei den Wählerinnen und Wählern. &bdquo;Es reicht in meinen Augen nicht aus, einfach der Partei die Stimme zu geben, die die einfachste Lösung herausposaunt. Nach dem Motto: Bevor wir neue Migranten ins Land lassen, soll sich der Staat lieber erst mal um mich kümmern.“ Doch laut Marschall zeigen Erhebungen, dass eben auch Menschen mit Migrationshintergrund skeptisch gegenüber neuer Migration sein können.

Viele konkrete Gestaltungsmöglichkeiten haben Integrationsräte im Vergleich zu den Stadträten nicht. Sie haben lediglich eine beratende Funktion. Vorgeschrieben ist, dass die Mitglieder, die von den Menschen mit Migrationsgeschichte gewählt wurden, zwei Drittel ausmachen. Die übrigen Sitze werden durch Ratsmitglieder besetzt. In NRW gab es am 14. September nach Angaben des Landesintegrationsrats rund 3,3 Millionen Wahlberechtigte. In Bielefeld haben sich lediglich 18 Prozent an der Wahl der Integrationsräte beteiligt, in Paderborn waren es 20 Prozent.

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