Herforder Manager soll in Bad Salzuflen fünf Millionen Euro verpulvert haben

Herford/Bielefeld. Der Internet-Auftritt des Herforder Managers wirkt überaus beeindruckend: CEO, also Vorstandschef eines der größten regionalen Personaldienstleister, Co-Founder, Investor und im Jahr 2018 sogar für eine Zeit an der MIT Sloan School of Management. Das MIT, die Kurzform des Massachusetts Institute of Technology, ist eine der angesehensten Universität für Wirtschaftwisschenschafte weltweit. Dazu kommen nach dem Studium in Münster Zeiten an den privaten Wirtschaftshochschulen EBS in Wiesbaden und in Berlin.

Offensichtlich kommentiert der 50-Jährige mit der Baseballmütze gern Tweets von Tesla-Chef Elon Musk. Jenseits des Internets stellt sich die Situation für ihn aber deutlich differenzierter dar. So hat die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Bielefeld eine ganz andere Auffassung vom Wirken des Ex-Geschäftsführers.

Wovon die Staatsanwaltschaft ausgeht

Nach jahrelangen Ermittlungen hat sie Anklage gegen den früheren Chef des Personaldienstleisters erhoben. Die 9. Strafkammer des Landgerichts Bielefeld soll sich mit seinem Fall befassen. Das erklärte ein Sprecher des Landgerichts auf Anfrage. Die Strafkammer prüft derzeit noch, ob die Anklage zugelassen wird. Die Staatsanwaltschaft geht von Untreue in Millionenhöhe aus. Rund fünf Millionen Euro soll der Mann verpulvert und so das seit 1969 bestehende Familienunternehmen mit seinen ehemals rund 1.500 Mitarbeitern gegen die Wand gefahren haben. Die Firma musste 2018 Insolvenz in Eigenregie beantragen. Angeklagt sind insgesamt 55 Fälle von Untreue. Bei 34 Fällen soll es um Summen im höheren Bereich gehen.

Name ist beim MIT nicht bekannt

Auffällig: Die Insolvenz fällt just in das Jahr, in dem der Herforder am MIT in den USA gewesen sein will. Auf Anfrage der Neuen Westfälischen bei der dortigen Presseabteilung kann sich dort aber niemand an einen Studenten oder Kursteilnehmer aus Herford erinnern. Auch einen Dozenten gab es nicht. Weder unter dem derzeitigen Namen des Managers noch unter seinem früheren Familiennamen. Seinen Familiennamen hatte der Herforder abgelegt, als er die einzige Tochter der Unternehmensgründer heiratete. Wie es aus dem Umfeld der Familie heißt, war der Seniorchef begrenzt begeistert von seinem Schwiegersohn.

2016 Einstieg in eine Agentur in Bad Salzuflen

Der Schwiegersohn hatte zeitweise neben seinem Studium für den Personaldienstleister gearbeitet und galt als freundlich und fähig, erzählen Bekannte. Er sei ein kreativer Kopf, so ist von früheren Mitarbeitern zu hören, gleichzeitig skizzieren sie ihn aber auch als sprunghaft. Nach der Heirat übernahm der Herforder nach eigenen Angaben im Jahr 2007 die Leitung des Unternehmens. Er habe es zunächst geschafft, trotz vieler Widrigkeiten, die Firma in der Spur zu halten, ist sich ein Mitarbeiter sicher.

Rund um eine Bad Salzufler Agentur, die der Herforder am Rande der dortigen Innenstadt übernommen hatte, entstand - um das Jahr 2016 parallel zu dem eigentlichen Kerngeschäft des Personaldienstleisters - ein ganz eigenes Firmenkonstrukt. In einer Firmendatenbank im Internet finden sich etwa um das lippische Unternehmen und den Herforder Manager acht weitere Gesellschaften. &bdquo;Es ist der wohl größte ostwestfälische Unternehmensverbund gewesen, von dem nie ein Mensch was gehört hat“, fasste es ein früherer Mitarbeiter zusammen.

Ein leeres Café und leere Kassen

Angeblich von seiner Ehefrau damals bereits getrennt lebend, versuchte der Angeklagte 2016 in Herford im Gebäude des Cafés Erdbrügger mit einem neuen Konzept Fuß zu fassen. &bdquo;Wir freuen uns darauf, an diesem Ort Tradition und Innovation zu verbinden und damit etwas Neues zu schaffen“, erklärt er damals und nennt dabei Details zu dem Salzufler Unternehmen. Neben der Zentrale in Bad Salzuflen gebe es Niederlassungen in Amsterdam, Berlin, Bremen und Hamburg.

Die Agentur arbeite für bekannte Marken der Wirtschaft wie auch für namhafte Künstler der Musikbranche. Offensichtlich war der wirtschaftliche Erfolg dieses Unternehmens und seiner angedockten Töchter weit weniger beeindruckend. Die Ermittler gehen bisher davon aus, dass die fehlenden Millionenbeträge in dem Konstrukt versickert wurden. Darüber hinaus habe der Ex-Geschäftsführer auch privat erhebliche Mittel verbraucht.

Insolvenz in Eigenregie

Im Dezember 2018 wird es schließlich eng für den längst von seinen Aufgaben entbundenen CEO: Das Familienunternehmen, immerhin nach eigenen Angaben damals die Nummer zwei der Personaldienstleister in OWL, muss beim Amtsgericht Bielefeld Insolvenz in Eigenregie beantragen. Grund für die Misere seien verlustträchtige Geschäftsvorgänge außerhalb des Kerngeschäftes, &bdquo;die ausschließlich durch einen ehemaligen und in 2017 freigesetzten Geschäftsführer verursacht worden sind“, heißt es in der Pressemitteilung des Unternehmens. Schließlich findet sich ein Investor, die Firma ist mittlerweile wieder auf Kurs.

Mit angezahltem Mercedes verschwunden

Offensichtlich ist der Herforder damals auch nicht in der Lage, finanziellen Forderungen nachzukommen. Die scheinen aber beträchtlich zu sein: Im Jahr 2019 kommen neben dem Café für 380.000 Euro noch weitere Immobilien des Mannes, darunter sein Elternhaus, unter den Hammer. Zu diesem Zeitpunkt ist er für die Behörden nicht mehr erreichbar. Er ist auf komfortable Art aus der Stadt verschwunden, hat dafür einen angezahlten Mercedes CLS mitgenommen. Gemessen an dem mutmaßlichen Gesamtschaden sind die veranschlagten knapp 60.000 Euro für den jungen Gebrauchtwagen eine geringe Summe.

Angesichts der massiven Vorwürfe übernimmt die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Bielefeld das Verfahren. Zunächst ist es aber nicht möglich, den Mann aufzuspüren und mit den Vorwürfen zu konfrontieren. Und neben den Bielefelder Strafverfolgern haben auch die Finanzbehörden ein gesteigertes Interesse an dem Geschäftsmann. Ein Foto, das der Redaktion zugeht, zeigt den Aushang-Kasten des Herforder Finanzamts mit sechs öffentlichen Zustellungen, die an den abgetauchten Herforder oder dessen Firmen gerichtet sind.

Was der Rechtsanwalt sagt

Schließlich gelingt es Bielefelder Ermittlern, den Mann zu fassen. Im Juli 2021 klicken die Handschellen, ein Richter verhängt zunächst Untersuchungshaft, derzeit ist der Manager gegen Meldeauflagen auf freiem Fuß. "Die Anklage der Staatsanwaltschaft basiert im Wesentlichen auf der Aussage meines Mandanten", erklärt Lutz Klose, der Bielefelder Strafverteidiger des Herforders. Die Gelder, die aus den Herforder Unternehmen in die Bad Salzufler Agentur und ihre Töchter geflossen seien, seien sehr wohl für Geschäftstätigkeiten verwendet worden.

Dort seien Arbeiten für den Personaldienstleister erbracht worden. Das lasse sich an Hand der dortigen Buchführung auch nachweisen. Er sehe das komplett anders als die Staatsanwaltschaft, die davon ausgehe, dass bereits das Überweisen der Gelder nach Bad Salzuflen eine Untreue darstellen soll. Darüber hinaus seien natürlich auch Gelder von ihm und seiner Familie privat verwendet worden. Das müsse vor Gericht aufgearbeitet werden. Wann das Wirtschaftsstrafverfahren am Landgericht beginnen wird, ist unklar.

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