Wie gefährlich sind die Reichsbürger wirklich?

Bielefeld. Plötzlich sind sogenannte Reichsbürger in aller Munde. Immerhin haben die Sicherheitsbehörden ein Netzwerk bestehend aus Anhängern dieser Ideologie und anderen Verschwörungsideologen gesprengt, das die Regierung stürzen wollte – teils auch bewaffnet. Sicherheitsbehörden warnen schon länger vor der Gefahr durch Reichsbürger. Doch wie groß ist sie wirklich? Und weshalb hat diese Ideologie einen so großen Zulauf?

Für manche waren die Reichsbürger, lapidar gesagt, Spinner. Mit kruden Theorien sowie alten Schriften und Dokumenten wollten sie herausgefunden haben, dass die Bundesrepublik Deutschland faktisch nicht bestehe. Manche meinen, das Kaiserreich bestehe weiterhin, andere sprechen von der "Firma BRD". Sogenannte Reichsbürger lehnen aus diesen Gründen staatliches Handeln ab.

Das Phänomen ist nicht neu, Anhänger dieser Theorie gibt es schon lange. Doch wirklich in den Fokus geraten sind sie 2016. Im Oktober des Jahres stürmte ein Spezialeinsatzkommando in Georgensgmünd (Bayern) ein Haus eines Reichsbürgers. 31 Waffen wurden beschlagnahmt, nachdem dem Extremisten seine Waffenbesitzkarte entzogen worden war. Es kam zu einem Schusswechsel, ein Polizist wurde tödlich verletzt. Plötzlich war die Gefahr durch die Anhänger sichtbar geworden.

Weiterhin großer Zulauf Mittlerweile zählen Verfassungsschützer bundesweit 21.000 von ihnen, die meisten gelten als unorganisiert – doch bundesweit gibt es Dutzende Reichsbürger-Gruppen. In NRW gibt es mehr als 3000 Anhänger der Ideologie, Tendenz zuletzt steigend.

Ein Hauptgrund ist die Corona-Pandemie: Reichsbürger beteiligten sich rege an den Protesten, wurden laut Experten angezogen durch die dort verbreiteten Verschwörungsmythen und hofften zugleich, ihre Ansichten verbreiten zu können. Auch das Internet spielt eine immense Rolle, zum Beispiel der Messenger-Dienst Telegram. Entsprechende Auftritte sind zum Teil "sehr professionell gestaltet und erzielen hohe Reichweiten", warnen Verfassungsschützer in NRW.

"Die Szene ist nach wie vor sehr aktiv und dynamisch und hat im vergangenen Jahr erneut erheblichen Zulauf erhalten", betonte jüngst der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang. Auch in NRW sehe man einen anhaltend großen Zulauf, heißt es hier.

Krieg in der Ukraine hat Folgen für die Szene Neben Corona hat auch der russische Angriffskrieg in der Ukraine Folgen für die Szene: Laut Jürgen Kayser, Chef des NRW-Verfassungsschutzes, bestärke die russische Regierung Reichsbürger in ihrer Weltsicht. Das sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Das Land werde oft als Opfer einer Weltverschwörung betrachtet, die Putin dazu zwinge, sich gegen die angeblichen Expansionspläne der Nato in der Ukraine zu wehren. Zudem habe Russland ein Interesse daran, "die deutsche Gesellschaft zu destabilisieren". "Dazu bedient man sich auch der 'Reichsbürger', die von der russischen Regierung gezielt in ihrer kruden Weltsicht gestärkt werden", sagt Kayser.

Experten besorgt neben der Demokratiefeindlichkeit auch die Affinität der Szene zu Waffen. Teilweise wurden bei Reichsbürgern ganze Arsenal gefunden. Zudem werde Gewalt mit Waffeneinsatz propagiert. Mehr als 1000 Reichsbürgern wurden bundesweit waffenrechtliche Erlaubnisse entzogen, noch immer verfügen laut Verfassungsschutz aber mehrere Hunderte darüber. Zudem hat die Vergangenheit gezeigt, dass es durchaus Reichsbürger gibt, die trotz fehlender Erlaubnis scharfe Waffen besitzen.

Waffen bei Netzwerk entdeckt Auch bei dem nun aufgedeckten Reichsbürger-Netzwerk wurden verschiedene Schusswaffen entdeckt. Mehrere mutmaßliche Mitglieder der Terror-Gruppe verfügten über eine waffenrechtliche Erlaubnis. Sie alle folgten dem Ziel, die Regierung zu stürzen – und laut Sicherheitsbehörden sollen sie dabei auch Tötungsdelikte geplant haben.

In NRW warnen Sicherheitsbehörde schon länger vor der Gewaltbereitschaft. Hier seien Reichsbürger (vergangenes Jahr 69 Straftaten) unter anderem durch Widerstandshandlungen bis hin zu Körperverletzungsdelikten strafrechtlich aufgefallen.

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