Espelkamperin spricht offen über Bodybuilding: "Es ist eine kontrollierte Essstörung"

Espelkamp/Bielefeld. "Wenn ich auf der Bühne stehe, ist das wie Weihnachten und Geburtstag zusammen, das sind Emotionen, die ich nicht beschreiben kann", berichtet Swetlana Levin mit leuchtenden Augen. Sie ist stolz auf ihren gestählten Körper, in den sie viel Arbeit gesteckt hat. Seit vier Jahren betreibt die Espelkamperin Bodybuilding. Bei diesem Sport geht es vor allem darum, Muskeln aufzubauen und den Körper zu formen.

2021 war Levins erste Wettkampfsaison. Diese Wettkämpfe werden immer innerhalb eines Verbandes veranstaltet, der seine eigenen Pokale und Medaillen vergibt. Laut Levin gibt es fünf große Verbände in Deutschland. In einem davon ist sie Mitglied, dem "National Athletic Committee Germany" (NAC).

Bei ihrem Debüt hat die 43-Jährige einige Preise abgeräumt. Siebenmal war sie auf der Bühne, sieben Medaillen oder Pokale hat sie nach Hause gebracht. In ihrem eigenen Verband ist sie Norddeutsche Meisterin geworden, in dem Verband NABBA (National Amateur Bodybuilders Association) ist sie sogar insgesamt deutsche Meisterin geworden. "Ich habe meist entweder den dritten oder den ersten Platz gemacht", sagt Levin schmunzelnd, während sie ihre Trophäen genauer betrachtet. Dafür hat sie lange und hart gearbeitet. Schon im Sommer musste sie mit den Vorbereitungen anfangen, um für den Wettkampfstart im Herbst fit zu sein. In diesen Phasen richtet die 43-Jährige ihren ganzen Tagesablauf auf ihre Leidenschaft aus. Sie trainiert etwa sechsmal die Woche, zwei Stunden Ausdauertraining und eine Stunde Kraftsport.

Strenge Diät bestimmt den Alltag - sogar Salz wird abgewogen Neben zahlreichen Trainingseinheiten gehört auch eine strenge Diät dazu. "Der Anfang ist noch recht chillig", sagt die 43-Jährige, die in Bielefeld ein Massagestudio leitet. Doch jede Woche werden die Kalorien reduziert. Levin hat aufgrund ihres trainierten Körpers und den vielen Muskeln normalerweise einen täglichen Energieverbrauch von 2500 bis 2800 Kalorien. Am Ende der Wettkampfsaison nimmt sie nur noch 1100 Kalorien zu sich. Die Sportler wiegen alle Lebensmittel ab, zuletzt sogar das Salz. Das soll verhindern, dass Wasser im Körper gelagert wird und die Muskeln deswegen nicht richtig zum Vorschein kommen.

"Man sollte sich von vorneherein bewusst sein: Gesund ist das nicht", sagt Levin. Der Körper habe ein permanentes Kaloriendefizit. Zum Ende der Vorbereitungsphase hin lassen die Bodybuilder sogar Obst weg und auch manche Gemüsesorten. Levin selbst berichtet, dass sie ihre Ernährung in der Zeit auf wenige Lebensmittel beschränkt. Dazu gehören Spargel, Brokkoli, Hähnchen und ab und zu ein paar Nüsse. Auch wichtige Fette werden reduziert. Den Essensplan bekommt sie dafür von ihrem Coach.

Angst um die Gesundheit? Das alles ist es Levin wert für den Moment auf der Bühne, den sie so sehr liebt: "Ich habe dann die Einstellung, dass ich die Beste und Schönste bin und dass das nur meine Bühne ist", sagt sie, in Erinnerungen schwelgend. Dieser Moment, wenn die Menschen ihr zujubeln, sei unbeschreiblich. "Ich habe ein Ziel: Ich möchte auf der Bühne überzeugen und im besten Fall Deutsche Meisterin oder Miss Universe werden, deswegen nehme ich das in Kauf", erklärt sie. Das viele positive Feedback, was sie bekomme, motiviere sie. Auch die Transformation ihres Körpers während der Vorbereitungen gefällt ihr: "Ich schaue dann in den Spiegel und denke: 'Die sieht richtig gut aus.'" Dumme Sprüche oder Vergleiche mit Männern lasse sie an sich abprallen. "Das bestätigt nur, dass es in die richtige Richtung geht", sagt sie.

Auf die Frage, ob sie keine Angst um ihre Gesundheit habe, antwortet sie: "Solange ich mich gesund fühle und noch Spaß am Bodybuilding habe, mache ich das weiter." Die Wettkampfphase sei nicht durchgehend und sie lasse regelmäßig ihr Blut kontrollieren. Nahrungsergänzungsmittel sollen dabei helfen, den Körper trotz des einseitigen Essens mit Nährstoffen zu versorgen. Die 43-Jährige beschreibt das Ernährungsverhalten vor dem Wettkampf so: "Es ist letztlich eine kontrollierte Essstörung."

Essstörungen sind ein großes Thema Die Kontrolle darüber, wie Levin es nennt, hätte sie nach dem Ende ihrer ersten Wettkampfsaison fast verloren. "Nach dem letzten Auftritt dachte ich: Jetzt kann ich alles essen, worauf ich so lange verzichtet habe", erinnert sie sich. Sie dachte den ganzen Tag an Essen. "Das war schlimmer als während der eigentlichen Diät", so Levin. Schon während der Verzichtsphase hatte sie Sachen gebunkert, die sie nach den Wettkämpfen essen wollte. "Ich bin ja sozusagen eine 'Süße'", umschreibt es die 43-Jährige. Vor allem Torten, Schokolade und Eiscreme haben es ihr angetan. In der Phase nach der großen Anstrengung aß sie von morgens bis abends, auch ohne hungrig zu sein.

Auch das Ausdauertraining ließ sie von heute auf morgen sein. Kontrolle gewann sie erst wieder im Urlaub zurück, drei Wochen später. "Wir hatten all inclusive gebucht und bekamen nur zu bestimmten Zeiten essen, dafür aber regelmäßig", sagt die Bodybuilderin. So sei wieder Routine in ihr Essensverhalten gekommen. Über diese Schattenseite des Bodybuildings müsse in der Öffentlichkeit häufiger geredet werden, findet Swetlana Levin. "Ich gehe offen damit um, um anderen weiterzuhelfen."

Doping? "Natural kommst du nicht unter die Top fünf" Offen geht sie auch mit dem Thema Doping um. "Ja, ich nehme unterstützende Mittel", sagt sie. Wer sich im Bodybuilding auskenne, sehe sofort, welche Frau Doping betreibe und welche nicht. "Natural kommst du nicht unter die Top fünf", betont die 43-Jährige. Das Ärzteblatt warnt vor Doping - bei Weitem nicht als einzige seriöse Seite im Netz. "Die Nebenwirkungen betreffen zahlreiche Organsysteme und Stoffwechselwege", heißt es. Bei Frauen seien Akne und eine tiefe Stimme häufig unerwünschte Effekte.

Andere Nebenwirkungen von Anabolika bei Frauen seien schwierig zu beurteilen. "Frauen, die viel trainieren, müssen an sich schon körperliche Symptome gewärtigen, die man eher nicht mit Sportlichkeit und Fitness assoziiert", heißt es von der Ärztezeitung. Dazu gehörten Zyklusstörungen. "Natürlich hat alles so seine Nebenwirkungen, aber ich weiß, worauf ich mich einlasse", ist Levin überzeugt. Ihr ist es wichtig, zu vermitteln, dass es nicht reiche, einfach nur die Mittel zu nehmen. Die ganze Arbeit gehöre trotzdem dazu. Nur komme sie mit den Mitteln deutlich näher an ihren Traum heran, als ohne.

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