Rückzug statt Revolte: So ist die Lage in der NRW-SPD

Düsseldorf. Die Krise des größten SPD-Landesverbands begann nicht erst mit der Amtszeit von Thomas Kutschaty vor zwei Jahren. Im Gegenteil: Nach personellen Querelen war es dem 54-Jährigen gelungen, als Vorsitzender die Gräben in der Partei zumindest vorübergehend zu schließen. Doch dann kam die Landtagswahl, die der zahme und blasse Spitzenkandidat Kutschaty mit einem desaströsen Ergebnis von 26,7 Prozent verlor. Es war der Anfang vom Ende Kutschatys. So sahen das viele in der Partei – nur er selber offenbar nicht. Statt zurückzutreten, wollte Kutschaty weiter an der Macht bleiben, die jetzt aber abrupt endet.

Einige Genossen in der Partei und Fraktion sprechen seitdem von einem "verlorenen Jahr“. Zwar habe die NRW-SPD eine umfassende und kluge Wahlanalyse auf den Weg gebracht. Doch die sei bis heute nicht wirklich bei den Mitgliedern im Land angekommen. Das führen sie auch darauf zurück, dass Kutschaty die Regionen nicht mit eingebunden habe. Dem Vorwurf des Alleingangs sah sich der Essener jetzt erneut ausgesetzt, als er den Gremien einen Personalvorschlag für die Generalsekretärin machen wollte – aber niemanden zuvor darüber informiert hatte. Insider zeigten sich "fassungslos“ angesichts dieses "fatalen Vorgehens“.

Kutschaty wirkte öffentlich oft wie ein Fremdkörper Wer Kutschaty kennt und erlebt, lernt ihn mit der Zeit als einen sympathischen, soliden und ruhigen Menschen kennen. Er wirkt nicht wie jemand, dem andere Meinungen egal sind und dem es nur um sich selber geht. Dieser Eindruck machte sich aber in den vergangenen Monaten immer stärker in der Partei breit: unter den Bürgermeistern, in der Bundestagsfraktion - und auch die Landtagsfraktion ging langsam auf Distanz. Auf öffentlichen Veranstaltungen wirkte Kutschaty oft wie ein Fremdkörper, wenig vernetzt, irgendwie fehl am Platz.

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Die Ambivalenz des Thomas Kutschaty zeigte sich auch anhand seiner persönlichen Ambitionen. Einerseits ließ er schon vor Monaten durchblicken, die NRW-SPD weiter führen zu wollen – auch mit Blick auf die Landtagswahl 2027. Andererseits schien es, als versuche er gar nicht erst, das Gefühl von Aufbruchstimmung und Angriffslust zu vermitteln. Das zeigte sich auch daran, dass er sich mit einem Vorschlag für das so wichtige Amt der Generalsekretärin auffallend lange Zeit ließ.

Bei dieser Personalie musste Kutschaty bereits merken, wie schlecht es um ihn bestellt war. Er holte sich mehrere Körbe ab, wollte und musste letztlich eine unbekannte Kandidatin ins Rennen schicken. Die Art und Weise, wie er den Vorschlag unterbreitete, nämlich ohne Rücksprache, führte letztlich zu seinem Aus. Nach den verheerenden Gesprächen am Mittwoch wusste auch Kutschaty, dass seine Zeit vorbei ist. Er müsse jetzt auch als Fraktionschef zurücktreten, heißt es aus der Fraktion.

OWL-SPD dankt Kutschaty für dessen Arbeit Die NRW-SPD beschäftigt sich also mal wieder mit sich selber – kam aber in den vergangenen Stunden große Schritte voran. Trotz der Unzufriedenheit mit Kutschaty galt eine offene Revolte bis zuletzt als sehr unwahrscheinlich. Niemand wollte es auf eine Kampfkandidatur ankommen lassen. Jetzt ist der Weg frei. An der Spitze brauche es nun keinen stillen Analytiker, sondern einen &bdquo;Macher mit Biss“ aus den Kommunen, heißt es. Jemanden, der oder die die Partei wieder kampagnenfähig machen könne.

Hamms Oberbürgermeister Marc Herter werden gute Chancen attestiert. Der 48-Jährige wird die NRW-SPD nun zunächst mit Nadja Lüders kommissarisch führen, da er unter den Vize-Parteichefs der Dienstälteste ist. Auch eine Doppelspitze ist denkbar.

Stefan Schwartze dankt Kutschaty für dessen Arbeit. &bdquo;Es muss uns jetzt gelingen, ein Team zu bilden, das die SPD zu alter Stärke führt“, sagt der Chef der OWL-SPD. Der Landtagsabgeordnete Christian Obrok fordert eine "neue Angriffslust“ gegen eine "wirklich schwache Landesregierung“. Kutschaty habe in einer schwierigen Phase Verantwortung für die NRW-SPD übernommen. "Dafür gebührt ihm Dank und für seine jetzige Entscheidung Respekt", so Obrok. So äußert sich auch Fraktionsvize Christian Dahm, der jetzt einen schnellen und geordneten Übergang erwartet, um geschlossen in wichtige Wahlen 2025 ziehen zu können. In zwei Jahren stehen die Kommunal- und Bundestagswahlen an. Bis dahin - so die Erwartung in der SPD - muss sich ihr größter Landesverband wieder aufgerichtet haben.

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