Irritation auf Bielefelder Wochenmarkt: Händler verkauft lebende Tiere

Bielefeld. Ein Händler auf dem Wochenmarkt am Kesselbrink bietet neuerdings lebende Tiere an. Das führt beim Kunden offenbar zu Irritation. Mehrere Exemplare der Gattung "Chinesische Wollhandkrabbe" sind jetzt im Bielefelder Tierheim abgegeben worden. Dort ist man eher nicht auf Krustentiere spezialisiert.

Hummer, Krabben und Krebse haben das Pech, schnell zu verderben, wenn man sie tötet. Deshalb müssen sie oft lange Transportwege über sich ergehen lassen, werden gern lebend verkauft und manchmal lebend gekocht. Auf Bielefelds Wochenmärkten sind lebende Tiere eine große Ausnahme - doch auf dem Kesselbrink verkauft ein Fischhändler seit einiger Zeit offenbar recht muntere Wollhandkrabben.

Auf wundersamen Wegen landeten zwei der Tiere jetzt kurz hintereinander im Bielefelder Tierheim in Senne. Marktbesucher hätten die Tiere an die Kampstraße gebracht und berichtet, sie hätten die Krabben an den Podesten am Rande des Kesselbrink-Marktes gefunden. "Möglicherweise waren die 'Finder' nicht ganz ehrlich und haben dem Händler in Wirklichkeit Tiere abgekauft um sie zu retten", vermutet Helmut Tiekötter, Vorsitzender des Bielefelder Tierschutzvereins.

Weil das Tierheim nicht auf Krustentiere eingestellt ist, sucht man nun eine Mitfahrgelegenheit an die schleswig-holsteinische Nordseeküste. In der dort ansässigen Wildhilfe Fiel kennt man sich mit Meeresfrüchten aus und die Kesselbrink-Krabben sind willkommen.

Lebendverkauf erlaubt? Ein Exot allerdings habe sich wohl schon gut eingelebt in der Senne: "Ein Amerikanischer Flusskrebs kam schon Ende Oktober letzten Jahres als Fundtier zu uns ins Tierheim. Alfredo gefällt es in seinem Aquarium recht gut", so Helmut Tiekötter. Das Tier stamme aus Schloß Holte-Stukenbrock. Aussetzen dürfe man sowohl Alfredo als auch die Krabben nicht, weil sie sogenannte invasive Arten, hier also nicht heimisch sind.

Krustentiere lebendig aufzubewahren ist derweil erlaubt, verboten ist lediglich, sie auf Eis zu halten. Laut Tierschutzgesetz dürfen sie nur im Wasser oder kurzfristig auf einer feuchten Unterlage untergebracht werden.

Der Tierschutzbund kritisiert schon länger den Lebendverkauf von Fischen und Krustentieren. "Dafür werden Speisefische und Krustentiere üblicherweise gehältert - in Schauaquarien oder in nicht einsehbaren Becken." Als Hälterung bezeichne man die Aufbewahrung von lebenden Fischen und Krustentieren ohne Fütterung.

Tierschutzbund übt Kritik Mehrfach wurde laut Tierschutzbund in den letzten Jahren wissenschaftlich nachgewiesen, "dass Fische schmerzstress- und leidensfähige Tiere sind und höhere kognitive Eigenschaften aufweisen als bisher angenommen". Auch Krustentiere verfügten neuen Forschungen zufolge über ein Schmerzsystem. Auf Grundlage dieser Erkenntnisse müssten bisherige Gesetzgebungen überarbeitet werden sowie Fische und Krustentiere in die geltenden Tierschutzgesetze aufgenommen werden, heißt es beim Tierschutzbund. Der Transport aus dem Zuchtbecken, See oder Meer über verschiedene Zwischenlager bis ins Geschäft/Restaurant sei für die Tiere mit großem Stress verbunden (Enge, veränderte Wasserwerte, weite Transportwege).

Wer nun eine oder mehrere der Krabben "gerettet" hat, muss sie übrigens nicht zwangsläufig ins Tierheim bringen: Die Chinesische Wollhandkrabbe gilt als interessanter Pflegling im Aquarium. Sie brauche ein geräumiges Aquaterrarium mit einer Abdeckung, das ihr ausreichend Verstecke unter oder zwischen Steinaufbauten bietet, damit die Tiere einander nicht ins Gehege kommen.

Für Aquarienhaltung geeignet Die Temperatur im Aquaterrarium solle zwischen 18 und 20 Grad Celsius liegen und das Wasser eine Härte von 10 bis 20 °dGH aufweisen und einen pH-Wert von 7,5 bis 8. Zum Wohlbefinden der Tiere trage bei, wenn ein Teelöffel Kochsalz auf 100 Liter Wasser beigegeben werde, so Experten.

Gefüttert würden Chinesische Wollhandkrabben mit Fischfleisch sowie Insektenlarven und kleinen Krebstieren. Sie seien auch an hochwertiges Flockenfutter gewöhnbar.

Die ursprüngliche Heimat der Wollhandkrabbe ist Ostchina. In Europa wurde sie erstmals im Jahr 1912 in der Aller (Nebenfluss der Weser) nachgewiesen. Man vermutet, dass sie von Handelsschiffen eingeschleppt wurde. Zwischenzeitlich verbreitete sie die Art offenbar invasionsartig.

In der Ursprungsheimat China werden Wollhandkrabben inzwischen in Aquakultur gezüchtet. Dabei werden für gute Exemplare bis zu 40 Dollar gezahlt. In der chinesischen Küche sind die Tiere eine Delikatesse. Auch in deutschen Restaurants werden sie angeboten.

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