Streit um Nationalpark Egge: "Ministerpräsident Wüst ist gefordert"

Bielefeld. Zu Beginn hatte Friedhart Knolle gewisse Zweifel. Eigentlich ist ein Nationalpark doch für die wilde Natur Nordamerikas gedacht. "Wie soll das denn gehen in unserem Harz?", grübelte der Geologe aus Goslar in den frühen 1990er Jahren. Es hat einige Gespräche und Informationen gebraucht, bis er sich eines Tages überzeugen ließ. "Mein Gedanke, dass ein Nationalpark nicht in unsere deutsche Landschaft passt, war einfach ein Vorurteil."

Wer Friedhart Knolle zuhört, wenn er seine Erfahrungen hervorholt, könnte glauben, er erzählt nicht vom Harz, sondern vom scheinbar ewigen Hickhack um einen Nationalpark in Ostwestfalen-Lippe. "Die Konfliktlage ist häufig die gleiche", sagt der Naturschützer. Auch in Niedersachsen waren die Gemüter gereizt. "Auch hier wurde viel mit Ängsten gespielt."

Zu diesen Ängsten gehört die der wirtschaftlichen Schwächung. Googelt man die Worte "Nationalpark" und "Nein Danke", stößt man auf geballte Kritik aus der Forst- und Landwirtschaft an einem möglichen Naturschutzgebiet in der Egge. Gegenüber stehen die großen Umweltschutzverbände. Die Egge solle bei der Suche nach einem zweiten Nationalpark in Nordrhein-Westfalen, auf den sich die schwarz-grüne Landesregierung geeinigt hat, "oberste Priorität" genießen. Die fachliche Eignung stehe außer Frage. Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) wird in wenigen Tagen einen Bewerbungsprozess einläuten – "ergebnisoffen", wie er versichert.

Schröder hat den Streit mit einem "Basta" geregelt In der OWL-CDU gibt es Stimmen, die einen Nationalpark nicht per se ablehnen. "Wir legen Wert darauf, dass die Bewerbung für einen Nationalpark aus der Region heraus kommt", betont die Landtagsabgeordnete Bianca Winkelmann. "Unerlässlich für das Beteiligungsverfahren", sagt auch Höxters Landrat Michael Stickeln (CDU), "ist die weitreichende Akzeptanz der Bevölkerung vor Ort."

Wie kann ein solcher weitgehender Konsens herbeigeführt werden? "Eine regionale Unterstützung ist eine Basis für den Erfolg des Nationalparks", sagt Norika Creuzmann. Die Fraktionsgeschäftsführerin der Grünen zeigt sich zuversichtlich, dass "bei einer guten und vor allem inhaltlich richtigen Information in der Breite der Bevölkerung die Argumente pro Nationalpark überzeugen werden und wir so einen übergreifenden Konsens erlangen". Die Betonung liegt auf "inhaltlich richtig". Nationalparkgegner hätten schon falsche Behauptungen vorgebracht.

Auch im Harz haben sie gemerkt, wie hartnäckig die Abwehr gegen einen Nationalpark sein kann. "Die niedersächsische Forstwirtschaft ist die konservativste in Deutschland", sagte einmal der preisgekrönte fränkische Naturschützer Hans Bibelriether. "Mir wurde klar, dass er recht hat", erzählt Friedhart Knolle. Menschen vor allem aus konservativem Milieu haben sich vor 30 Jahren gewaltig gegen das Schutzgebiet gestemmt. Erst der damalige niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) habe den Streit in seiner typischen Basta-Manier geregelt.

"Es geht nicht nur über Basisdemokratie" Vor dem Basta aber kamen die Bürgerversammlungen. "Eine gute und vor allem ehrliche Informationspolitik ist wichtig, um auf die Menschen in der Region zuzugehen", erklärt Knolle. Der heute 67-jährige Naturschützer wurde zu einer zentralen Figur des Nationalparks, 1992 als Pressesprecher der Planungsgruppe des niedersächsischen Umweltministeriums, ab 1994 als Dezernent der Nationalparkverwaltung. "Man muss sich den Fragen der Menschen stellen", sagt Knolle, "auch wenn es mal hoch her geht."

In Hessen hat es vor der Einrichtung des Nationalparks Kellerwald-Edersee ebenfalls eine Zeit gebraucht, um Kritiker zu überzeugen. 2001 gründete sich ein klassischer "runder Tisch", um alle Beteiligten zusammenzubringen, sagt eine Sprecherin des Nationalparks. "So konnte eine positive Stimmung erzielt werden." Inzwischen gebe es in der Region eine hohe Identifikation mit dem Naturprojekt. "Vor allem die Anerkennung eines Teilgebiets als Unesco-Weltnaturerbe 'Alte Buchenwälder' verschafften dem Park einen ganz neuen Stellenwert."

In Ostwestfalen-Lippe geht es noch um eine grundsätzliche Frage. "Maßgeblich ist, wie Region definiert wird", sagt Landrat Stickeln. Im Juni habe er Krischer dazu aufgefordert, "dass an der Interessenbekundung für oder gegen einen möglichen Nationalpark lediglich die gewählten Mitglieder der Kommunalparlamente bzw. Gebietskörperschaften in den betroffenen Kreisen beteiligt werden". Sie seien es schließlich, die die Bürgerinnen und Bürger vor Ort vertreten. Vorher hatte Stickeln schon Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) gebeten, "in einem transparenten und ergebnisoffenen Beteiligungsverfahren sicherzustellen, dass eine Entscheidung das Votum der betroffenen Region widerspiegelt".

Es dürfte schwierig werden, jeden zu überzeugen. Dass ein Nationalpark "aus der Region heraus" entstehen sollte, findet auch Knolle. Der Geologe aus Goslar ist Mitglied bei den Grünen. Es sei richtig, regionale Bündnisse zu schmieden und Menschen für das Projekt zu gewinnen. "Es geht aber nicht nur über Basisdemokratie. Irgendwann muss die Landespolitik entscheiden – ob der zuständige Minister oder der Ministerpräsident."

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